Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

III. subst. eigentl. comp. -- subst. mit verb.
statten. Tadelhaft ist es auch, das part. mit der plural-
form des subst. zu componieren, wie von sprachunkun-
digen geschieht, z. b. zähne-bewafnet, blumen-bekränzt,
wogen-umflutet st. zahn-b. blum-bekr. wog-umfl., höch-
stens gienge das plurale -er in die zus. setzung ein (s. 578.)
Man b. merke, wie (mit ausnahme von liebe-trunken,
wonne-trunken) alle diese composita die partikel ge-, oder
eine andere, die das ganze verbum zus. setzt, vor dem
zweiten worte haben und. wie sie sich dadurch von den
aus zus. gesetzten subst. erwachsnen verbis (s. 586.) unter-
scheiden, deren ge- seine stelle vor dem ersten worte
nimmt, vgl. gerathschlagt, geheirathet, gehohnlächelt mit
gottgesandt, schiefergedeckt. Hier ist gott, schiefer ledig-
lich mit dem part., das der partikel nicht entbehren kann,
componiert. -- Im nnl. sind, meines wißens, diese freie-
ren und dichterischen comp. noch nicht eingeführt, nur
die schon früher auch im nhd. gültigen: schrift-gelerd,
god-gelerd, got-gelaten, god-overgeven finden statt. Die
neunord. sprachen hatten sie aber nie aufgegeben. So
heißt bei den norweg. hirten vieh, das nach dem volks-
glauben die zwerge gelähmt haben, dverg-slagen (Hallag.
p. 20b). In den schwed. volksliedern begegnen solche
composita hauptsächlich von den verbis wirken, binden,
sticken, nähen, schlagen, z. b. silfver-spänd 1, 14. silver-
stickad 3, 53. silke-stickad 1, 14; 3, 46. silke-sydd 2, 52.
sölf-slagen 1, 160. gull-spänd 3, 46. gull-flätad 3, 31. gull-
virkad 3, 31. sorg-bebunden 1, 4; heutige dichter gehen
kühner damit um: svärd-slagen (schwert-erschlagen) berg-
tagen (von geistern in den berg entführt) blod-bestänkt
(blut-besprützt) svärd-omgiordad (schwert-begürtet) stiern-
bekransad (stern-bekränzt). Beispiele aus den dän. volks-
liedern: sölv-bunden 3, 123. 146. silke-stukken 3, 397.
sölv-spend 3, 67; althergebracht sind auch skib-bruden
(schiffbrüchig, beßer als das schwed. skepps-bruten) orm-
stukken (wurmstichig); neuere dichter gebrauchen: guld-
udsyed (gold-ausgenäht) skiold-belagt (schild-bedeckt) ur-
te-prydet (kraut- oder kräuter-geschmückt) diävle-blendt
u. a. m. Engl. beispiele suche man bei Shaksp. shard-
born, toad-spotted etc. --

Noch fragt es sich, ob von dergleichen zus. gesetzten
part. praet. ableitungen statthaft sind, fem. auf ei, adj. auf
-eic? Zusammengesetzte adj. erscheinen ihrer bisweilen
fähig. vgl. ruahha-losei, lastar-pareic und warum sollte von
regin-blind kein subst. regin-blindei stammen können?
Theoretisch wäre, was dem einfachen part. gilt (f. 399. d.)

III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
ſtatten. Tadelhaft iſt es auch, das part. mit der plural-
form des ſubſt. zu componieren, wie von ſprachunkun-
digen geſchieht, z. b. zähne-bewafnet, blumen-bekränzt,
wogen-umflutet ſt. zahn-b. blum-bekr. wog-umfl., höch-
ſtens gienge das plurale -er in die zuſ. ſetzung ein (ſ. 578.)
Man b. merke, wie (mit ausnahme von liebe-trunken,
wonne-trunken) alle dieſe compoſita die partikel ge-, oder
eine andere, die das ganze verbum zuſ. ſetzt, vor dem
zweiten worte haben und. wie ſie ſich dadurch von den
aus zuſ. geſetzten ſubſt. erwachſnen verbis (ſ. 586.) unter-
ſcheiden, deren ge- ſeine ſtelle vor dem erſten worte
nimmt, vgl. gerathſchlagt, geheirathet, gehohnlächelt mit
gottgeſandt, ſchiefergedeckt. Hier iſt gott, ſchiefer ledig-
lich mit dem part., das der partikel nicht entbehren kann,
componiert. — Im nnl. ſind, meines wißens, dieſe freie-
ren und dichteriſchen comp. noch nicht eingeführt, nur
die ſchon früher auch im nhd. gültigen: ſchrift-gelêrd,
god-gelêrd, got-gelâten, god-overgeven finden ſtatt. Die
neunord. ſprachen hatten ſie aber nie aufgegeben. So
heißt bei den norweg. hirten vieh, das nach dem volks-
glauben die zwerge gelähmt haben, dverg-ſlagen (Hallag.
p. 20b). In den ſchwed. volksliedern begegnen ſolche
compoſita hauptſächlich von den verbis wirken, binden,
ſticken, nähen, ſchlagen, z. b. ſilfver-ſpänd 1, 14. ſilver-
ſtickad 3, 53. ſilke-ſtickad 1, 14; 3, 46. ſilke-ſydd 2, 52.
ſölf-ſlagen 1, 160. gull-ſpänd 3, 46. gull-flätad 3, 31. gull-
virkad 3, 31. ſorg-bebunden 1, 4; heutige dichter gehen
kühner damit um: ſvärd-ſlagen (ſchwert-erſchlagen) berg-
tagen (von geiſtern in den berg entführt) blod-beſtänkt
(blut-beſprützt) ſvärd-omgiordad (ſchwert-begürtet) ſtiern-
bekranſad (ſtern-bekränzt). Beiſpiele aus den dän. volks-
liedern: ſölv-bunden 3, 123. 146. ſilke-ſtukken 3, 397.
ſölv-ſpend 3, 67; althergebracht ſind auch ſkib-bruden
(ſchiffbrüchig, beßer als das ſchwed. ſkepps-bruten) orm-
ſtukken (wurmſtichig); neuere dichter gebrauchen: guld-
udſyed (gold-ausgenäht) ſkiold-belagt (ſchild-bedeckt) ur-
te-prydet (kraut- oder kräuter-geſchmückt) diävle-blendt
u. a. m. Engl. beiſpiele ſuche man bei Shakſp. ſhard-
born, toad-ſpotted etc. —

Noch fragt es ſich, ob von dergleichen zuſ. geſetzten
part. praet. ableitungen ſtatthaft ſind, fem. auf î, adj. auf
-îc? Zuſammengeſetzte adj. erſcheinen ihrer bisweilen
fähig. vgl. ruahha-lôſî, lâſtar-pârîc und warum ſollte von
regin-blind kein ſubſt. regin-blindî ſtammen können?
Theoretiſch wäre, was dem einfachen part. gilt (f. 399. δ.)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0612" n="594"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">&#x017F;ub&#x017F;t. eigentl. comp. &#x2014; &#x017F;ub&#x017F;t. mit verb.</hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;tatten. Tadelhaft i&#x017F;t es auch, das part. mit der plural-<lb/>
form des &#x017F;ub&#x017F;t. zu componieren, wie von &#x017F;prachunkun-<lb/>
digen ge&#x017F;chieht, z. b. zähne-bewafnet, blumen-bekränzt,<lb/>
wogen-umflutet &#x017F;t. zahn-b. blum-bekr. wog-umfl., höch-<lb/>
&#x017F;tens gienge das plurale -er in die zu&#x017F;. &#x017F;etzung ein (&#x017F;. 578.)<lb/>
Man b. merke, wie (mit ausnahme von liebe-trunken,<lb/>
wonne-trunken) alle die&#x017F;e compo&#x017F;ita die partikel ge-, oder<lb/>
eine andere, die das <hi rendition="#i">ganze</hi> verbum zu&#x017F;. &#x017F;etzt, vor dem<lb/>
zweiten worte haben und. wie &#x017F;ie &#x017F;ich dadurch von den<lb/>
aus zu&#x017F;. ge&#x017F;etzten &#x017F;ub&#x017F;t. erwach&#x017F;nen verbis (&#x017F;. 586.) unter-<lb/>
&#x017F;cheiden, deren ge- &#x017F;eine &#x017F;telle vor dem er&#x017F;ten worte<lb/>
nimmt, vgl. gerath&#x017F;chlagt, geheirathet, gehohnlächelt mit<lb/>
gottge&#x017F;andt, &#x017F;chiefergedeckt. Hier i&#x017F;t gott, &#x017F;chiefer ledig-<lb/>
lich mit dem part., das der partikel nicht entbehren kann,<lb/>
componiert. &#x2014; Im nnl. &#x017F;ind, meines wißens, die&#x017F;e freie-<lb/>
ren und dichteri&#x017F;chen comp. noch nicht eingeführt, nur<lb/>
die &#x017F;chon früher auch im nhd. gültigen: &#x017F;chrift-gelêrd,<lb/>
god-gelêrd, got-gelâten, god-overgeven finden &#x017F;tatt. Die<lb/>
neunord. &#x017F;prachen hatten &#x017F;ie aber nie aufgegeben. So<lb/>
heißt bei den norweg. hirten vieh, das nach dem volks-<lb/>
glauben die zwerge gelähmt haben, dverg-&#x017F;lagen (Hallag.<lb/>
p. 20<hi rendition="#sup">b</hi>). In den &#x017F;chwed. volksliedern begegnen &#x017F;olche<lb/>
compo&#x017F;ita haupt&#x017F;ächlich von den verbis wirken, binden,<lb/>
&#x017F;ticken, nähen, &#x017F;chlagen, z. b. &#x017F;ilfver-&#x017F;pänd 1, 14. &#x017F;ilver-<lb/>
&#x017F;tickad 3, 53. &#x017F;ilke-&#x017F;tickad 1, 14; 3, 46. &#x017F;ilke-&#x017F;ydd 2, 52.<lb/>
&#x017F;ölf-&#x017F;lagen 1, 160. gull-&#x017F;pänd 3, 46. gull-flätad 3, 31. gull-<lb/>
virkad 3, 31. &#x017F;org-bebunden 1, 4; heutige dichter gehen<lb/>
kühner damit um: &#x017F;värd-&#x017F;lagen (&#x017F;chwert-er&#x017F;chlagen) berg-<lb/>
tagen (von gei&#x017F;tern in den berg entführt) blod-be&#x017F;tänkt<lb/>
(blut-be&#x017F;prützt) &#x017F;värd-omgiordad (&#x017F;chwert-begürtet) &#x017F;tiern-<lb/>
bekran&#x017F;ad (&#x017F;tern-bekränzt). Bei&#x017F;piele aus den dän. volks-<lb/>
liedern: &#x017F;ölv-bunden 3, 123. 146. &#x017F;ilke-&#x017F;tukken 3, 397.<lb/>
&#x017F;ölv-&#x017F;pend 3, 67; althergebracht &#x017F;ind auch &#x017F;kib-bruden<lb/>
(&#x017F;chiffbrüchig, beßer als das &#x017F;chwed. &#x017F;kepps-bruten) orm-<lb/>
&#x017F;tukken (wurm&#x017F;tichig); neuere dichter gebrauchen: guld-<lb/>
ud&#x017F;yed (gold-ausgenäht) &#x017F;kiold-belagt (&#x017F;child-bedeckt) ur-<lb/>
te-prydet (kraut- oder kräuter-ge&#x017F;chmückt) diävle-blendt<lb/>
u. a. m. Engl. bei&#x017F;piele &#x017F;uche man bei Shak&#x017F;p. &#x017F;hard-<lb/>
born, toad-&#x017F;potted etc. &#x2014;</p><lb/>
                <p>Noch fragt es &#x017F;ich, ob von dergleichen zu&#x017F;. ge&#x017F;etzten<lb/>
part. praet. <hi rendition="#i">ableitungen</hi> &#x017F;tatthaft &#x017F;ind, fem. auf î, adj. auf<lb/>
-îc? Zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzte adj. er&#x017F;cheinen ihrer bisweilen<lb/>
fähig. vgl. ruahha-lô&#x017F;î, lâ&#x017F;tar-pârîc und warum &#x017F;ollte von<lb/>
regin-blind kein &#x017F;ub&#x017F;t. regin-blindî &#x017F;tammen können?<lb/>
Theoreti&#x017F;ch wäre, was dem einfachen part. gilt (f. 399. <hi rendition="#i">&#x03B4;</hi>.)<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[594/0612] III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb. ſtatten. Tadelhaft iſt es auch, das part. mit der plural- form des ſubſt. zu componieren, wie von ſprachunkun- digen geſchieht, z. b. zähne-bewafnet, blumen-bekränzt, wogen-umflutet ſt. zahn-b. blum-bekr. wog-umfl., höch- ſtens gienge das plurale -er in die zuſ. ſetzung ein (ſ. 578.) Man b. merke, wie (mit ausnahme von liebe-trunken, wonne-trunken) alle dieſe compoſita die partikel ge-, oder eine andere, die das ganze verbum zuſ. ſetzt, vor dem zweiten worte haben und. wie ſie ſich dadurch von den aus zuſ. geſetzten ſubſt. erwachſnen verbis (ſ. 586.) unter- ſcheiden, deren ge- ſeine ſtelle vor dem erſten worte nimmt, vgl. gerathſchlagt, geheirathet, gehohnlächelt mit gottgeſandt, ſchiefergedeckt. Hier iſt gott, ſchiefer ledig- lich mit dem part., das der partikel nicht entbehren kann, componiert. — Im nnl. ſind, meines wißens, dieſe freie- ren und dichteriſchen comp. noch nicht eingeführt, nur die ſchon früher auch im nhd. gültigen: ſchrift-gelêrd, god-gelêrd, got-gelâten, god-overgeven finden ſtatt. Die neunord. ſprachen hatten ſie aber nie aufgegeben. So heißt bei den norweg. hirten vieh, das nach dem volks- glauben die zwerge gelähmt haben, dverg-ſlagen (Hallag. p. 20b). In den ſchwed. volksliedern begegnen ſolche compoſita hauptſächlich von den verbis wirken, binden, ſticken, nähen, ſchlagen, z. b. ſilfver-ſpänd 1, 14. ſilver- ſtickad 3, 53. ſilke-ſtickad 1, 14; 3, 46. ſilke-ſydd 2, 52. ſölf-ſlagen 1, 160. gull-ſpänd 3, 46. gull-flätad 3, 31. gull- virkad 3, 31. ſorg-bebunden 1, 4; heutige dichter gehen kühner damit um: ſvärd-ſlagen (ſchwert-erſchlagen) berg- tagen (von geiſtern in den berg entführt) blod-beſtänkt (blut-beſprützt) ſvärd-omgiordad (ſchwert-begürtet) ſtiern- bekranſad (ſtern-bekränzt). Beiſpiele aus den dän. volks- liedern: ſölv-bunden 3, 123. 146. ſilke-ſtukken 3, 397. ſölv-ſpend 3, 67; althergebracht ſind auch ſkib-bruden (ſchiffbrüchig, beßer als das ſchwed. ſkepps-bruten) orm- ſtukken (wurmſtichig); neuere dichter gebrauchen: guld- udſyed (gold-ausgenäht) ſkiold-belagt (ſchild-bedeckt) ur- te-prydet (kraut- oder kräuter-geſchmückt) diävle-blendt u. a. m. Engl. beiſpiele ſuche man bei Shakſp. ſhard- born, toad-ſpotted etc. — Noch fragt es ſich, ob von dergleichen zuſ. geſetzten part. praet. ableitungen ſtatthaft ſind, fem. auf î, adj. auf -îc? Zuſammengeſetzte adj. erſcheinen ihrer bisweilen fähig. vgl. ruahha-lôſî, lâſtar-pârîc und warum ſollte von regin-blind kein ſubſt. regin-blindî ſtammen können? Theoretiſch wäre, was dem einfachen part. gilt (f. 399. δ.)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/612
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/612>, abgerufen am 22.11.2024.