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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. adj. eigentl. comp. -- adj. mit subst.
hatte unorganische übelc-heit, bitterc-heit gebildet, nicht
aber dunkelc-heit. sicherc-heit. 4) keit bekommen alle
mit den adj. auf -bar, -lich und -sam componierten:
brauchbar-k. dienstbar-k. fruchtbar-k. kostbar-k. zerstör-
bar-k. strafbar-k. theilbar-k.; freundlich-k. fröhlich-k.
häßlich-k. heimlich-k. reinlich-k. sündlich-k. achtsam-k.
aufmerksam-k. biegsam-k. furchtsam-k. empfindsam-k. etc.
Nach lich ist das k für h entschieden falsch, nach bar
und sam läßt sich die zwischenkunft eines ableitenden -ec
wenigstens aus alten beispielen (s. 557. 574.) entschuldi-
gen. 5) keit alle auf -ig, welches aber daneben stehen
bleibt, so daß das ableitungsmittel unnöthigerweise dop-
pelt gebraucht wird, einmahl in keit = ig-heit, dann in
dem adj. selbst: ewig-k. flüßig-k. freigebig-k. frömmig-k.
haushältig-k. heilig-k. barmherzig-k. treuherzig-k. hörig-
k. harthörig-k. lustig-k. schwermüthig-k. tiefsinnig-k. be-
ständig-k. störrig-k. traurig-k. langwierig-k. etc. statt ewig-
heit etc. Hierher auch die mit -fertig, -haftig, und mäßig:
dienstfertig-k. standhaftig-k. mäßig-k. 6) unorg. ig-keit
alle, die an sich zu 1. gehörten und gar nicht mit -ig
abgeleitet sind: blödig-k. bangig-k. dreistig-k. frömmig-k.
kleinigk. leichtig-k. genauig-k. gerechtig-k. süßig-k. etc.
statt blöd-h. bang-h. etc. wiewohl man einzelne unter-
schiede der bedeutung davon abhängig gemacht, z. b.
klein-heit (parvitas) kleinig-keit (minutiae) *); leicht-heit
(levitas) leichtigkeit (facilitas); mattig-keit und matt-heit
sind beinahe, festig-keit und fest-heit ganz das selbe. Die
mit -los zus. gesetzten nehmen gleichfalls -ig an: gottlo-
sigkeit, treulosigkeit. Umlaut kann das falsche ig nicht
zeugen (bangig-k. mattig-k. genauig-k.) bei blödig-k. fe-
stig-k. feuchtig-k. müdig-k. sprödig-k. süßig-k., ist er be-
reits in blöde -- süß zu suchen. -- Die nnl. sprache weiß
von keiner dem nhd. heit und keit ähnlichen unterschei-
dung, um die sie uns auch wenig zu beneiden hat. Nach
ihren organen bringt der anstoß des ableitenden ig an
das h keine tenuis hervor, sondern eine gelinde aspirata;
vgl. arg-heid, bang-h. blind-h. fel-h. los-h. kuis-h. plomp-
h. vrei-h. vrom-h. eidel-h. bitter-h. donker-h. heilig-h.
behendig-h. matig-h. treurig-h. zalig-h. Einigemahl, wo
ein im adj. unbegründetes ig auftritt, vermuthe ich hochd.
einfluß, z. b. in kleinig-heid, lichtig-h. gerechtig-h. Im
mnl. entsprang bei jenem zus. stoß eine stärkere aspira-

*) dem Dasypod. ist parvitas noch kleinigkeit.

III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
hatte unorganiſche übelc-heit, bitterc-heit gebildet, nicht
aber dunkelc-heit. ſicherc-heit. 4) keit bekommen alle
mit den adj. auf -bar, -lich und -ſam componierten:
brauchbar-k. dienſtbar-k. fruchtbar-k. koſtbar-k. zerſtör-
bar-k. ſtrafbar-k. theilbar-k.; freundlich-k. fröhlich-k.
häßlich-k. heimlich-k. reinlich-k. ſündlich-k. achtſam-k.
aufmerkſam-k. biegſam-k. furchtſam-k. empfindſam-k. etc.
Nach lich iſt das k für h entſchieden falſch, nach bar
und ſam läßt ſich die zwiſchenkunft eines ableitenden -ec
wenigſtens aus alten beiſpielen (ſ. 557. 574.) entſchuldi-
gen. 5) keit alle auf -ig, welches aber daneben ſtehen
bleibt, ſo daß das ableitungsmittel unnöthigerweiſe dop-
pelt gebraucht wird, einmahl in keit = ig-heit, dann in
dem adj. ſelbſt: ewig-k. flüßig-k. freigebig-k. frömmig-k.
haushältig-k. heilig-k. barmherzig-k. treuherzig-k. hörig-
k. harthörig-k. luſtig-k. ſchwermüthig-k. tiefſinnig-k. be-
ſtändig-k. ſtörrig-k. traurig-k. langwierig-k. etc. ſtatt ewig-
heit etc. Hierher auch die mit -fertig, -haftig, und mäßig:
dienſtfertig-k. ſtandhaftig-k. mäßig-k. 6) unorg. ig-keit
alle, die an ſich zu 1. gehörten und gar nicht mit -ig
abgeleitet ſind: blödig-k. bangig-k. dreiſtig-k. frömmig-k.
kleinigk. leichtig-k. genauig-k. gerechtig-k. ſüßig-k. etc.
ſtatt blöd-h. bang-h. etc. wiewohl man einzelne unter-
ſchiede der bedeutung davon abhängig gemacht, z. b.
klein-heit (parvitas) kleinig-keit (minutiae) *); leicht-heit
(levitas) leichtigkeit (facilitas); mattig-keit und matt-heit
ſind beinahe, feſtig-keit und feſt-heit ganz das ſelbe. Die
mit -los zuſ. geſetzten nehmen gleichfalls -ig an: gottlo-
ſigkeit, treuloſigkeit. Umlaut kann das falſche ig nicht
zeugen (bangig-k. mattig-k. genauig-k.) bei blödig-k. fe-
ſtig-k. feuchtig-k. müdig-k. ſprödig-k. ſüßig-k., iſt er be-
reits in blöde — ſüß zu ſuchen. — Die nnl. ſprache weiß
von keiner dem nhd. heit und keit ähnlichen unterſchei-
dung, um die ſie uns auch wenig zu beneiden hat. Nach
ihren organen bringt der anſtoß des ableitenden ig an
das h keine tenuis hervor, ſondern eine gelinde aſpirata;
vgl. arg-heid, bang-h. blind-h. fel-h. lôs-h. kuis-h. plomp-
h. vrî-h. vrom-h. îdel-h. bitter-h. donker-h. heilig-h.
behendig-h. mâtig-h. treurig-h. zâlig-h. Einigemahl, wo
ein im adj. unbegründetes ig auftritt, vermuthe ich hochd.
einfluß, z. b. in kleinig-heid, lichtig-h. gerechtig-h. Im
mnl. entſprang bei jenem zuſ. ſtoß eine ſtärkere aſpira-

*) dem Daſypod. iſt parvitas noch kleinigkeit.
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[644/0662] III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt. hatte unorganiſche übelc-heit, bitterc-heit gebildet, nicht aber dunkelc-heit. ſicherc-heit. 4) keit bekommen alle mit den adj. auf -bar, -lich und -ſam componierten: brauchbar-k. dienſtbar-k. fruchtbar-k. koſtbar-k. zerſtör- bar-k. ſtrafbar-k. theilbar-k.; freundlich-k. fröhlich-k. häßlich-k. heimlich-k. reinlich-k. ſündlich-k. achtſam-k. aufmerkſam-k. biegſam-k. furchtſam-k. empfindſam-k. etc. Nach lich iſt das k für h entſchieden falſch, nach bar und ſam läßt ſich die zwiſchenkunft eines ableitenden -ec wenigſtens aus alten beiſpielen (ſ. 557. 574.) entſchuldi- gen. 5) keit alle auf -ig, welches aber daneben ſtehen bleibt, ſo daß das ableitungsmittel unnöthigerweiſe dop- pelt gebraucht wird, einmahl in keit = ig-heit, dann in dem adj. ſelbſt: ewig-k. flüßig-k. freigebig-k. frömmig-k. haushältig-k. heilig-k. barmherzig-k. treuherzig-k. hörig- k. harthörig-k. luſtig-k. ſchwermüthig-k. tiefſinnig-k. be- ſtändig-k. ſtörrig-k. traurig-k. langwierig-k. etc. ſtatt ewig- heit etc. Hierher auch die mit -fertig, -haftig, und mäßig: dienſtfertig-k. ſtandhaftig-k. mäßig-k. 6) unorg. ig-keit alle, die an ſich zu 1. gehörten und gar nicht mit -ig abgeleitet ſind: blödig-k. bangig-k. dreiſtig-k. frömmig-k. kleinigk. leichtig-k. genauig-k. gerechtig-k. ſüßig-k. etc. ſtatt blöd-h. bang-h. etc. wiewohl man einzelne unter- ſchiede der bedeutung davon abhängig gemacht, z. b. klein-heit (parvitas) kleinig-keit (minutiae) *); leicht-heit (levitas) leichtigkeit (facilitas); mattig-keit und matt-heit ſind beinahe, feſtig-keit und feſt-heit ganz das ſelbe. Die mit -los zuſ. geſetzten nehmen gleichfalls -ig an: gottlo- ſigkeit, treuloſigkeit. Umlaut kann das falſche ig nicht zeugen (bangig-k. mattig-k. genauig-k.) bei blödig-k. fe- ſtig-k. feuchtig-k. müdig-k. ſprödig-k. ſüßig-k., iſt er be- reits in blöde — ſüß zu ſuchen. — Die nnl. ſprache weiß von keiner dem nhd. heit und keit ähnlichen unterſchei- dung, um die ſie uns auch wenig zu beneiden hat. Nach ihren organen bringt der anſtoß des ableitenden ig an das h keine tenuis hervor, ſondern eine gelinde aſpirata; vgl. arg-heid, bang-h. blind-h. fel-h. lôs-h. kuis-h. plomp- h. vrî-h. vrom-h. îdel-h. bitter-h. donker-h. heilig-h. behendig-h. mâtig-h. treurig-h. zâlig-h. Einigemahl, wo ein im adj. unbegründetes ig auftritt, vermuthe ich hochd. einfluß, z. b. in kleinig-heid, lichtig-h. gerechtig-h. Im mnl. entſprang bei jenem zuſ. ſtoß eine ſtärkere aſpira- *) dem Daſypod. iſt parvitas noch kleinigkeit.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/662>, abgerufen am 28.06.2024.