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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. partikelcomposition. -- part. mit nom.
und at-qvaedi beide sententia ausdrücken; nur liegt in
at- mehr das wirkliche beisein, in ana- mehr die nähe-
rung. Das altn. at-dypi erinnert an das nhd. an-höhe.
Welchen sinn at- bei -ger, -geir gibt? den der beiwaffe,
eines kleinern neben dem größern spieß?

bi- (epi, peri); im goth. ist noch keine spur, weder
daß diese part. im fall der comp. ihren vocal schwäche,
noch im fall der praeposition verlängere. Ich glaube, daß
sie ursprünglich und im goth. immer kurzvocalisch
und betont anzunehmen ist, ihre bedeutung mag gewesen
sein, welche sie wolle. Meistens setzt sie sich mit dem
verbo zusammen, und wenige nomina kommen vor: bi-
hatja (orgilos) Tit. 1, 7; bi-mait (circumcifio) Joh. 7, 22,
23. Philipp. 3, 3, 5; bi-rekis (periclitans) Luc. 8, 23; bi-
sunja (vicinus?), worin mir das zweite wort dunkel ist. --
ahd. besteht eine nicht leichte unterscheidung, genau be-
trachtet, gilt dreierlei: pei, betontes pi, unbetontes pi. Die
praeposition, sobald sie das sinnliche prope ausdrückt, hat
langes ei, bei abstracter bedeutung aber kurzen, unbetonten
vocal. Seit N. schwächt sich dieser sogar in e (Graff p.
103. 104. 106. 109.). In der composition behält nun das ad-
verbium 1) pei-, wenn es trennbar bleibt und die räum-
liche bedeutung prope hat, sowohl vor dem nomen, als
dem verb. Die für das nomen gehörigen belege sind: pei-
namo (pronomen) K. 20a; bei-wurti (proverbium) T. 133.
bei-wurte N. Boeth. 81. Cap. 61; bei-stello (defensor) N. Boeth.
207; andere laßen sich nach dem mhd. und nhd.
vermuthen. N. scheint aber einigemahl selbst in sol-
chen wörtern betontes i statt ei zu schreiben. 2) ist
die partikel untrennbar und drückt sie ein abstractes
umfaßen und behandeln des gegenstandes aus; so gebührt
ihr in keinem fall langer vocal, die frage ist bloß
nach betontsein oder nicht? Regel scheint nun: vor
dem verbum und allem, was daher abgeleitet wird, hat
die partikel keinen ton; sie behält ihn aber, wenn sie
sich mit dem nomen componiert. Schwierigkeit macht
nur, in strengahd. quellen, die keine accente setzen, selbst
componierte nomina und verbalableitungen überall von
einander zu scheiden, z. b. ist pikanc anzunehmen oder
pi-kanc, deriviert von pi-kankan? Hier hilft freilich
N. für die wörter, die bei ihm vorkommen, da er im
fall der betonung immer i schreibt, den tonlosen vocal
in e (= e) schwächt. Weil inzwischen späterhin die
betonten bi-, die er noch hat, allmählig in unbetonte
be- übergehen, so können auch schon zu seiner zeit an-

III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
und at-qvædi beide ſententia ausdrücken; nur liegt in
at- mehr das wirkliche beiſein, in ana- mehr die nähe-
rung. Das altn. at-dŷpi erinnert an das nhd. an-höhe.
Welchen ſinn at- bei -gêr, -geir gibt? den der beiwaffe,
eines kleinern neben dem größern ſpieß?

bi- (ἐπί, περί); im goth. iſt noch keine ſpur, weder
daß dieſe part. im fall der comp. ihren vocal ſchwäche,
noch im fall der praepoſition verlängere. Ich glaube, daß
ſie urſprünglich und im goth. immer kurzvocaliſch
und betont anzunehmen iſt, ihre bedeutung mag geweſen
ſein, welche ſie wolle. Meiſtens ſetzt ſie ſich mit dem
verbo zuſammen, und wenige nomina kommen vor: bi-
hatja (ὀργίλος) Tit. 1, 7; bi-máit (circumcifio) Joh. 7, 22,
23. Philipp. 3, 3, 5; bi-rêkis (periclitans) Luc. 8, 23; bi-
ſunja (vicinus?), worin mir das zweite wort dunkel iſt. —
ahd. beſteht eine nicht leichte unterſcheidung, genau be-
trachtet, gilt dreierlei: pî, betontes pi, unbetontes pi. Die
praepoſition, ſobald ſie das ſinnliche prope ausdrückt, hat
langes î, bei abſtracter bedeutung aber kurzen, unbetonten
vocal. Seit N. ſchwächt ſich dieſer ſogar in ë (Graff p.
103. 104. 106. 109.). In der compoſition behält nun das ad-
verbium 1) pî-, wenn es trennbar bleibt und die räum-
liche bedeutung prope hat, ſowohl vor dem nomen, als
dem verb. Die für das nomen gehörigen belege ſind: pî-
namo (pronomen) K. 20a; bî-wurti (proverbium) T. 133.
bî-wurte N. Boeth. 81. Cap. 61; bî-ſtello (defenſor) N. Boeth.
207; andere laßen ſich nach dem mhd. und nhd.
vermuthen. N. ſcheint aber einigemahl ſelbſt in ſol-
chen wörtern betontes í ſtatt î zu ſchreiben. 2) iſt
die partikel untrennbar und drückt ſie ein abſtractes
umfaßen und behandeln des gegenſtandes aus; ſo gebührt
ihr in keinem fall langer vocal, die frage iſt bloß
nach betontſein oder nicht? Regel ſcheint nun: vor
dem verbum und allem, was daher abgeleitet wird, hat
die partikel keinen ton; ſie behält ihn aber, wenn ſie
ſich mit dem nomen componiert. Schwierigkeit macht
nur, in ſtrengahd. quellen, die keine accente ſetzen, ſelbſt
componierte nomina und verbalableitungen überall von
einander zu ſcheiden, z. b. iſt píkanc anzunehmen oder
pi-kanc, deriviert von pi-kankan? Hier hilft freilich
N. für die wörter, die bei ihm vorkommen, da er im
fall der betonung immer í ſchreibt, den tonloſen vocal
in e (= ë) ſchwächt. Weil inzwiſchen ſpäterhin die
betonten bí-, die er noch hat, allmählig in unbetonte
be- übergehen, ſo können auch ſchon zu ſeiner zeit an-

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[718/0736] III. partikelcompoſition. — part. mit nom. und at-qvædi beide ſententia ausdrücken; nur liegt in at- mehr das wirkliche beiſein, in ana- mehr die nähe- rung. Das altn. at-dŷpi erinnert an das nhd. an-höhe. Welchen ſinn at- bei -gêr, -geir gibt? den der beiwaffe, eines kleinern neben dem größern ſpieß? bi- (ἐπί, περί); im goth. iſt noch keine ſpur, weder daß dieſe part. im fall der comp. ihren vocal ſchwäche, noch im fall der praepoſition verlängere. Ich glaube, daß ſie urſprünglich und im goth. immer kurzvocaliſch und betont anzunehmen iſt, ihre bedeutung mag geweſen ſein, welche ſie wolle. Meiſtens ſetzt ſie ſich mit dem verbo zuſammen, und wenige nomina kommen vor: bi- hatja (ὀργίλος) Tit. 1, 7; bi-máit (circumcifio) Joh. 7, 22, 23. Philipp. 3, 3, 5; bi-rêkis (periclitans) Luc. 8, 23; bi- ſunja (vicinus?), worin mir das zweite wort dunkel iſt. — ahd. beſteht eine nicht leichte unterſcheidung, genau be- trachtet, gilt dreierlei: pî, betontes pi, unbetontes pi. Die praepoſition, ſobald ſie das ſinnliche prope ausdrückt, hat langes î, bei abſtracter bedeutung aber kurzen, unbetonten vocal. Seit N. ſchwächt ſich dieſer ſogar in ë (Graff p. 103. 104. 106. 109.). In der compoſition behält nun das ad- verbium 1) pî-, wenn es trennbar bleibt und die räum- liche bedeutung prope hat, ſowohl vor dem nomen, als dem verb. Die für das nomen gehörigen belege ſind: pî- namo (pronomen) K. 20a; bî-wurti (proverbium) T. 133. bî-wurte N. Boeth. 81. Cap. 61; bî-ſtello (defenſor) N. Boeth. 207; andere laßen ſich nach dem mhd. und nhd. vermuthen. N. ſcheint aber einigemahl ſelbſt in ſol- chen wörtern betontes í ſtatt î zu ſchreiben. 2) iſt die partikel untrennbar und drückt ſie ein abſtractes umfaßen und behandeln des gegenſtandes aus; ſo gebührt ihr in keinem fall langer vocal, die frage iſt bloß nach betontſein oder nicht? Regel ſcheint nun: vor dem verbum und allem, was daher abgeleitet wird, hat die partikel keinen ton; ſie behält ihn aber, wenn ſie ſich mit dem nomen componiert. Schwierigkeit macht nur, in ſtrengahd. quellen, die keine accente ſetzen, ſelbſt componierte nomina und verbalableitungen überall von einander zu ſcheiden, z. b. iſt píkanc anzunehmen oder pi-kanc, deriviert von pi-kankan? Hier hilft freilich N. für die wörter, die bei ihm vorkommen, da er im fall der betonung immer í ſchreibt, den tonloſen vocal in e (= ë) ſchwächt. Weil inzwiſchen ſpäterhin die betonten bí-, die er noch hat, allmählig in unbetonte be- übergehen, ſo können auch ſchon zu ſeiner zeit an-

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 718. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/736>, abgerufen am 22.11.2024.