Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

III. partikelcomp. -- untr. part. mit verb.
be-seelen, be-flügeln, be-mänteln, be-nebeln, be-fie-
dern etc., ja das volk wagt be-junkern, be-grasen für:
mit einem junker, grafen versehen. Selbst das plural -er
aus neutris wird beibehalten in be-bändern, be-geistern,
be-gütern, be-völkern. Bei manchen andern ist zweifel-
haft, ob sie aus dem subst. oder verb. entspringen, z. b.
be-schiffen, be-lauben, be-haupten, be-enden, be-lagern,
be-zäunen, be-kleiden; entscheiden würde etwa das im
satz daneben ausgedrückte oder nicht ausgedrückte subst.
des instruments. Von adj. stammen: be-feuchten, be-
trueben, be-schweren und mit comparativischem -er be-
reichern; be-lustigen, be-fleißigen, be-ruhigen, be-mäch-
tigen, be-kräftigen etc.; unorganisch sind (s. 307.): be-
herzigen, be-friedigen, be-schönigen, be-schädigen, be-
köftigen, be-scheinigen, be-erdigen etc. statt be-frieden,
be-schönen (mhd. be-schoenen MS. 1, 113a 136b), be-
scheinigen (mhd. be-scheinen MS. 1, 110b), denn es hat nie
adj. friedig, schönig, scheinig, erdig gegeben. Engl. be-
honey, be-leaguer, be-mad u. a. m. In der älteren sprache
sind überhaupt solche comp. mit nominibus nicht sicher
nachzuweisen. Ulf. gewährt kein beispiel. Ahd. scheint
pi-rentit ker. 56. gerändert, mit rande versehen zu be-
deuten und ich kenne kein einfaches rentjan, das doch
nicht unmöglich wäre; pi-puntilod ker. 238. scheint mit
dem vorhergehenden pi-wuntan gleichviel, also von pi-
puntilon (bebündeln?); pi-zaunnan (sepire) mons. 394. be-
regenon (compluere) N. 113b, 15. laßen sich zwar von
zaun und regan, aber auch von zaunjan und regenon ab-
leiten; gleiche unsicherheit bei bi-nagilen O. Lud. 144. bi-
thurnen O. IV. 23, 11. bi-redinon O. V. 2, 27. IV. 19,
50, das in der letzten stelle hinzugefugte mit luginon läßt
auf zus. setzung mit dem verbo schließen. Allein im
mhd. sieht man verschiednen compositis ihren ursprung
aus subst. und adj. deutlich an: be-gedemen (recipere)
g. schmiede 427; be-gesten ibid. 248. bloß gesten troj. 106c;
be-hausen MS. 2, 3a 132a 144b; be-knehten MS. 2, 138a; be-
schalken Bert. 192; be-serken Ulr. Trist.; be-sweißen Wh. 2,
122a; be-zinnen MS. 1, 165b; be-gruenen Parc. 119a; be-
herten Karl 18b MS. 1, 106b; be-timbern; be-freien MS. 2,
73a u. a. m., obgleich ich nicht verabrede, daß mitunter ein-
fache verba vorhanden gewesen sind, wie bei be-schate-
wen, be-ziunen ein schatewen, ziunen. -- 3) den gegen-
satz zur vorschreitenden vermehrung der transitive unter
1 und 2 macht das allmählige aussterben früherer intran-
sitive
, die mit der part. bi-, ohne merkliche verände-

E e e 2

III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
be-ſeelen, be-flügeln, be-mänteln, be-nebeln, be-fie-
dern etc., ja das volk wagt be-junkern, be-graſen für:
mit einem junker, grafen verſehen. Selbſt das plural -er
aus neutris wird beibehalten in be-bändern, be-geiſtern,
be-gütern, be-völkern. Bei manchen andern iſt zweifel-
haft, ob ſie aus dem ſubſt. oder verb. entſpringen, z. b.
be-ſchiffen, be-lauben, be-haupten, be-enden, be-lagern,
be-zäunen, be-kleiden; entſcheiden würde etwa das im
ſatz daneben ausgedrückte oder nicht ausgedrückte ſubſt.
des inſtruments. Von adj. ſtammen: be-feuchten, be-
trueben, be-ſchweren und mit comparativiſchem -er be-
reichern; be-luſtigen, be-fleißigen, be-ruhigen, be-mäch-
tigen, be-kräftigen etc.; unorganiſch ſind (ſ. 307.): be-
herzigen, be-friedigen, be-ſchönigen, be-ſchädigen, be-
köftigen, be-ſcheinigen, be-erdigen etc. ſtatt be-frieden,
be-ſchönen (mhd. be-ſchœnen MS. 1, 113a 136b), be-
ſcheinigen (mhd. be-ſcheinen MS. 1, 110b), denn es hat nie
adj. friedig, ſchönig, ſcheinig, erdig gegeben. Engl. be-
honey, be-leaguer, be-mad u. a. m. In der älteren ſprache
ſind überhaupt ſolche comp. mit nominibus nicht ſicher
nachzuweiſen. Ulf. gewährt kein beiſpiel. Ahd. ſcheint
pi-rentit ker. 56. gerändert, mit rande verſehen zu be-
deuten und ich kenne kein einfaches rentjan, das doch
nicht unmöglich wäre; pi-puntilôd ker. 238. ſcheint mit
dem vorhergehenden pi-wuntan gleichviel, alſo von pi-
puntilôn (bebündeln?); pi-zûnnan (ſepire) monſ. 394. be-
rëgenôn (compluere) N. 113b, 15. laßen ſich zwar von
zûn und rëgan, aber auch von zûnjan und rëgenôn ab-
leiten; gleiche unſicherheit bei bi-nagilen O. Lud. 144. bi-
thurnen O. IV. 23, 11. bi-redinôn O. V. 2, 27. IV. 19,
50, das in der letzten ſtelle hinzugefugte mit luginon läßt
auf zuſ. ſetzung mit dem verbo ſchließen. Allein im
mhd. ſieht man verſchiednen compoſitis ihren urſprung
aus ſubſt. und adj. deutlich an: be-gedemen (recipere)
g. ſchmiede 427; be-geſten ibid. 248. bloß geſten troj. 106c;
be-hûſen MS. 2, 3a 132a 144b; be-knëhten MS. 2, 138a; be-
ſchalken Bert. 192; be-ſerken Ulr. Triſt.; be-ſweiƷen Wh. 2,
122a; be-zinnen MS. 1, 165b; be-gruenen Parc. 119a; be-
herten Karl 18b MS. 1, 106b; be-timbern; be-frîen MS. 2,
73a u. a. m., obgleich ich nicht verabrede, daß mitunter ein-
fache verba vorhanden geweſen ſind, wie bei be-ſchate-
wen, be-ziunen ein ſchatewen, ziunen. — 3) den gegen-
ſatz zur vorſchreitenden vermehrung der tranſitive unter
1 und 2 macht das allmählige ausſterben früherer intran-
ſitive
, die mit der part. bi-, ohne merkliche verände-

E e e 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0821" n="803"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">partikelcomp. &#x2014; untr. part. mit verb.</hi></hi></fw><lb/>
be-&#x017F;eelen, be-flügeln, be-mänteln, be-nebeln, be-fie-<lb/>
dern etc., ja das volk wagt be-junkern, be-gra&#x017F;en für:<lb/>
mit einem junker, grafen ver&#x017F;ehen. Selb&#x017F;t das plural -er<lb/>
aus neutris wird beibehalten in be-bändern, be-gei&#x017F;tern,<lb/>
be-gütern, be-völkern. Bei manchen andern i&#x017F;t zweifel-<lb/>
haft, ob &#x017F;ie aus dem &#x017F;ub&#x017F;t. oder verb. ent&#x017F;pringen, z. b.<lb/>
be-&#x017F;chiffen, be-lauben, be-haupten, be-enden, be-lagern,<lb/>
be-zäunen, be-kleiden; ent&#x017F;cheiden würde etwa das im<lb/>
&#x017F;atz daneben ausgedrückte oder nicht ausgedrückte &#x017F;ub&#x017F;t.<lb/>
des in&#x017F;truments. Von adj. &#x017F;tammen: be-feuchten, be-<lb/>
trueben, be-&#x017F;chweren und mit comparativi&#x017F;chem -er be-<lb/>
reichern; be-lu&#x017F;tigen, be-fleißigen, be-ruhigen, be-mäch-<lb/>
tigen, be-kräftigen etc.; unorgani&#x017F;ch &#x017F;ind (&#x017F;. 307.): be-<lb/>
herzigen, be-friedigen, be-&#x017F;chönigen, be-&#x017F;chädigen, be-<lb/>
köftigen, be-&#x017F;cheinigen, be-erdigen etc. &#x017F;tatt be-frieden,<lb/>
be-&#x017F;chönen (mhd. be-&#x017F;ch&#x0153;nen MS. 1, 113<hi rendition="#sup">a</hi> 136<hi rendition="#sup">b</hi>), be-<lb/>
&#x017F;cheinigen (mhd. be-&#x017F;cheinen MS. 1, 110<hi rendition="#sup">b</hi>), denn es hat nie<lb/>
adj. friedig, &#x017F;chönig, &#x017F;cheinig, erdig gegeben. Engl. be-<lb/>
honey, be-leaguer, be-mad u. a. m. In der älteren &#x017F;prache<lb/>
&#x017F;ind überhaupt &#x017F;olche comp. mit nominibus nicht &#x017F;icher<lb/>
nachzuwei&#x017F;en. Ulf. gewährt kein bei&#x017F;piel. Ahd. &#x017F;cheint<lb/>
pi-rentit ker. 56. gerändert, mit rande ver&#x017F;ehen zu be-<lb/>
deuten und ich kenne kein einfaches rentjan, das doch<lb/>
nicht unmöglich wäre; pi-puntilôd ker. 238. &#x017F;cheint mit<lb/>
dem vorhergehenden pi-wuntan gleichviel, al&#x017F;o von pi-<lb/>
puntilôn (bebündeln?); pi-zûnnan (&#x017F;epire) mon&#x017F;. 394. be-<lb/>
rëgenôn (compluere) N. 113<hi rendition="#sup">b</hi>, 15. laßen &#x017F;ich zwar von<lb/>
zûn und rëgan, aber auch von zûnjan und rëgenôn ab-<lb/>
leiten; gleiche un&#x017F;icherheit bei bi-nagilen O. Lud. 144. bi-<lb/>
thurnen O. IV. 23, 11. bi-redinôn O. V. 2, 27. IV. 19,<lb/>
50, das in der letzten &#x017F;telle hinzugefugte mit luginon läßt<lb/>
auf zu&#x017F;. &#x017F;etzung mit dem verbo &#x017F;chließen. Allein im<lb/>
mhd. &#x017F;ieht man ver&#x017F;chiednen compo&#x017F;itis ihren ur&#x017F;prung<lb/>
aus &#x017F;ub&#x017F;t. und adj. deutlich an: be-gedemen (recipere)<lb/>
g. &#x017F;chmiede 427; be-ge&#x017F;ten ibid. 248. bloß ge&#x017F;ten troj. 106<hi rendition="#sup">c</hi>;<lb/>
be-hû&#x017F;en MS. 2, 3<hi rendition="#sup">a</hi> 132<hi rendition="#sup">a</hi> 144<hi rendition="#sup">b</hi>; be-knëhten MS. 2, 138<hi rendition="#sup">a</hi>; be-<lb/>
&#x017F;chalken Bert. 192; be-&#x017F;erken Ulr. Tri&#x017F;t.; be-&#x017F;wei&#x01B7;en Wh. 2,<lb/>
122<hi rendition="#sup">a</hi>; be-zinnen MS. 1, 165<hi rendition="#sup">b</hi>; be-gruenen Parc. 119<hi rendition="#sup">a</hi>; be-<lb/>
herten Karl 18<hi rendition="#sup">b</hi> MS. 1, 106<hi rendition="#sup">b</hi>; be-timbern; be-frîen MS. 2,<lb/>
73<hi rendition="#sup">a</hi> u. a. m., obgleich ich nicht verabrede, daß mitunter ein-<lb/>
fache verba vorhanden gewe&#x017F;en &#x017F;ind, wie bei be-&#x017F;chate-<lb/>
wen, be-ziunen ein &#x017F;chatewen, ziunen. &#x2014; 3) den gegen-<lb/>
&#x017F;atz zur vor&#x017F;chreitenden vermehrung der tran&#x017F;itive unter<lb/>
1 und 2 macht das allmählige aus&#x017F;terben früherer <hi rendition="#i">intran-<lb/>
&#x017F;itive</hi>, die mit der part. bi-, ohne merkliche verände-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E e e 2</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[803/0821] III. partikelcomp. — untr. part. mit verb. be-ſeelen, be-flügeln, be-mänteln, be-nebeln, be-fie- dern etc., ja das volk wagt be-junkern, be-graſen für: mit einem junker, grafen verſehen. Selbſt das plural -er aus neutris wird beibehalten in be-bändern, be-geiſtern, be-gütern, be-völkern. Bei manchen andern iſt zweifel- haft, ob ſie aus dem ſubſt. oder verb. entſpringen, z. b. be-ſchiffen, be-lauben, be-haupten, be-enden, be-lagern, be-zäunen, be-kleiden; entſcheiden würde etwa das im ſatz daneben ausgedrückte oder nicht ausgedrückte ſubſt. des inſtruments. Von adj. ſtammen: be-feuchten, be- trueben, be-ſchweren und mit comparativiſchem -er be- reichern; be-luſtigen, be-fleißigen, be-ruhigen, be-mäch- tigen, be-kräftigen etc.; unorganiſch ſind (ſ. 307.): be- herzigen, be-friedigen, be-ſchönigen, be-ſchädigen, be- köftigen, be-ſcheinigen, be-erdigen etc. ſtatt be-frieden, be-ſchönen (mhd. be-ſchœnen MS. 1, 113a 136b), be- ſcheinigen (mhd. be-ſcheinen MS. 1, 110b), denn es hat nie adj. friedig, ſchönig, ſcheinig, erdig gegeben. Engl. be- honey, be-leaguer, be-mad u. a. m. In der älteren ſprache ſind überhaupt ſolche comp. mit nominibus nicht ſicher nachzuweiſen. Ulf. gewährt kein beiſpiel. Ahd. ſcheint pi-rentit ker. 56. gerändert, mit rande verſehen zu be- deuten und ich kenne kein einfaches rentjan, das doch nicht unmöglich wäre; pi-puntilôd ker. 238. ſcheint mit dem vorhergehenden pi-wuntan gleichviel, alſo von pi- puntilôn (bebündeln?); pi-zûnnan (ſepire) monſ. 394. be- rëgenôn (compluere) N. 113b, 15. laßen ſich zwar von zûn und rëgan, aber auch von zûnjan und rëgenôn ab- leiten; gleiche unſicherheit bei bi-nagilen O. Lud. 144. bi- thurnen O. IV. 23, 11. bi-redinôn O. V. 2, 27. IV. 19, 50, das in der letzten ſtelle hinzugefugte mit luginon läßt auf zuſ. ſetzung mit dem verbo ſchließen. Allein im mhd. ſieht man verſchiednen compoſitis ihren urſprung aus ſubſt. und adj. deutlich an: be-gedemen (recipere) g. ſchmiede 427; be-geſten ibid. 248. bloß geſten troj. 106c; be-hûſen MS. 2, 3a 132a 144b; be-knëhten MS. 2, 138a; be- ſchalken Bert. 192; be-ſerken Ulr. Triſt.; be-ſweiƷen Wh. 2, 122a; be-zinnen MS. 1, 165b; be-gruenen Parc. 119a; be- herten Karl 18b MS. 1, 106b; be-timbern; be-frîen MS. 2, 73a u. a. m., obgleich ich nicht verabrede, daß mitunter ein- fache verba vorhanden geweſen ſind, wie bei be-ſchate- wen, be-ziunen ein ſchatewen, ziunen. — 3) den gegen- ſatz zur vorſchreitenden vermehrung der tranſitive unter 1 und 2 macht das allmählige ausſterben früherer intran- ſitive, die mit der part. bi-, ohne merkliche verände- E e e 2

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/821
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 803. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/821>, abgerufen am 22.11.2024.