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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. laut u. ablaut. schlußbemerkungen.
leikr (ludus); alth. hlouf (cursus); hruof (clamor); goth.
havi, alth. houwi (foenum) altn. högg (verber) schweiz.
hau (Stald. 2, 25) nhd. verhau (ligna caesa); alth. stoß
(pulsus); anapoß (incus) altn. bauti (compulsor); blot
(sacrificium) goth. blostr; alth. scrot-eisarn (scalprum);
vluoh (imprecatio); slaf, goth. sleps (somnus); vielleicht
leitils (parvus) f. letils? altn. laeti (gestus); gratr (planctus);
alth. rat (consilium); prato (petaso); plasa (bulla) plast
(flatus); paka (lis).

Einzig und allein ließe sich hiergegen das nhd. subst.
hieb (ictus) einwenden, darf aber umsoweniger für eine
wahre ausnahme geachtet werden, da es den älteren und
übrigen dialecten, ja unsern meisten heutigen volksmund-
arten fremd ist und sich offenbar nach den selbst unorga-
nischen nhd. praet. schrieb, blieb, trieb in später zeit
gestaltet hat. Man bildete das subst. hieb, wie trieb
(propensio) st. des mhd. trip.

Die neben der verdoppelung zugleich ablautende
fünfte und sechste conj. wäre an sich auch ablautender
wortbildung fähig. Inzwischen gewährt die goth. sprache
keinen beleg dazu, in den übrigen schwanken diese verba,
d. h. sie werden entw. rein reduplicativ, und dann gilt
von ihnen die regel, oder reinablautend, wohin bloß das
altn. taka (nr. 64. nicht taka = goth. tekan) gehört, wel-
ches völlig nach conj. VII. zu beurtheilen, mithin für ab-
lautende bildungen empfänglich ist, vgl. die altn. eigen-
namen toki und palnatoki, so wie toeki (occasio) toekr
(idoneus); stammt aber tekan aus takan, lautet das mhd.
vahen früher fahan, so darf auch braten (assare) auf ein
älteres braten und der ablaut bruot (genimen) brueten (so-
vere, wärmen) auf es bezogen werden.

Jene regel, der mangel aller aus dem praet. gezoge-
nen wortbildungen spricht klar dafür, daß die allmählige
zusammendrängung der reduplication in die doppelvocale
ie und e die natur organischer ablaute niemahls erreichte.
Desto weniger dürfen die wahren ablaute aus früheren
reduplicationen erklärt werden. Die ablautenden conju-
gationen sind älter als die reduplicierenden und diese, wie
schon ihr schwerfälliger langer vocal oder ihre doppelte
consonanz zu erkennen gibt, aus jenen entsprungen.
Hiermit nimmt die folgende den schluß der vorherge-
henden fünften bemerkung wieder auf.

7) den ablaut aller deutschen wortbildung zum grund
gelegt, offenbaren sich im allgemeinen drei abstufungen,
auf denen der sprachgeist vorrückte. Die erste erkenne

III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
leikr (ludus); alth. hlouf (curſus); hruof (clamor); goth.
havi, alth. houwi (foenum) altn. högg (verber) ſchweiz.
hau (Stald. 2, 25) nhd. verhau (ligna caeſa); alth. ſtôƷ
(pulſus); anapôƷ (incus) altn. bauti (compulſor); blôt
(ſacrificium) goth. blôſtr; alth. ſcrôt-îſarn (ſcalprum);
vluoh (imprecatio); ſlâf, goth. ſlêps (ſomnus); vielleicht
leitils (parvus) f. lêtils? altn. læti (geſtus); grâtr (planctus);
alth. rât (conſilium); prâto (petaſo); plâſa (bulla) plâſt
(flatus); pâka (lis).

Einzig und allein ließe ſich hiergegen das nhd. ſubſt.
hieb (ictus) einwenden, darf aber umſoweniger für eine
wahre ausnahme geachtet werden, da es den älteren und
übrigen dialecten, ja unſern meiſten heutigen volksmund-
arten fremd iſt und ſich offenbar nach den ſelbſt unorga-
niſchen nhd. praet. ſchrieb, blieb, trieb in ſpäter zeit
geſtaltet hat. Man bildete das ſubſt. hieb, wie trieb
(propenſio) ſt. des mhd. trip.

Die neben der verdoppelung zugleich ablautende
fünfte und ſechſte conj. wäre an ſich auch ablautender
wortbildung fähig. Inzwiſchen gewährt die goth. ſprache
keinen beleg dazu, in den übrigen ſchwanken dieſe verba,
d. h. ſie werden entw. rein reduplicativ, und dann gilt
von ihnen die regel, oder reinablautend, wohin bloß das
altn. taka (nr. 64. nicht tâka = goth. têkan) gehört, wel-
ches völlig nach conj. VII. zu beurtheilen, mithin für ab-
lautende bildungen empfänglich iſt, vgl. die altn. eigen-
namen tôki und palnatôki, ſo wie tœki (occaſio) tœkr
(idoneus); ſtammt aber têkan aus takan, lautet das mhd.
vâhen früher fahan, ſo darf auch brâten (aſſare) auf ein
älteres braten und der ablaut bruot (genimen) brueten (ſo-
vere, wärmen) auf es bezogen werden.

Jene regel, der mangel aller aus dem praet. gezoge-
nen wortbildungen ſpricht klar dafür, daß die allmählige
zuſammendrängung der reduplication in die doppelvocale
ie und ê die natur organiſcher ablaute niemahls erreichte.
Deſto weniger dürfen die wahren ablaute aus früheren
reduplicationen erklärt werden. Die ablautenden conju-
gationen ſind älter als die reduplicierenden und dieſe, wie
ſchon ihr ſchwerfälliger langer vocal oder ihre doppelte
conſonanz zu erkennen gibt, aus jenen entſprungen.
Hiermit nimmt die folgende den ſchluß der vorherge-
henden fünften bemerkung wieder auf.

7) den ablaut aller deutſchen wortbildung zum grund
gelegt, offenbaren ſich im allgemeinen drei abſtufungen,
auf denen der ſprachgeiſt vorrückte. Die erſte erkenne

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[73/0091] III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen. leikr (ludus); alth. hlouf (curſus); hruof (clamor); goth. havi, alth. houwi (foenum) altn. högg (verber) ſchweiz. hau (Stald. 2, 25) nhd. verhau (ligna caeſa); alth. ſtôƷ (pulſus); anapôƷ (incus) altn. bauti (compulſor); blôt (ſacrificium) goth. blôſtr; alth. ſcrôt-îſarn (ſcalprum); vluoh (imprecatio); ſlâf, goth. ſlêps (ſomnus); vielleicht leitils (parvus) f. lêtils? altn. læti (geſtus); grâtr (planctus); alth. rât (conſilium); prâto (petaſo); plâſa (bulla) plâſt (flatus); pâka (lis). Einzig und allein ließe ſich hiergegen das nhd. ſubſt. hieb (ictus) einwenden, darf aber umſoweniger für eine wahre ausnahme geachtet werden, da es den älteren und übrigen dialecten, ja unſern meiſten heutigen volksmund- arten fremd iſt und ſich offenbar nach den ſelbſt unorga- niſchen nhd. praet. ſchrieb, blieb, trieb in ſpäter zeit geſtaltet hat. Man bildete das ſubſt. hieb, wie trieb (propenſio) ſt. des mhd. trip. Die neben der verdoppelung zugleich ablautende fünfte und ſechſte conj. wäre an ſich auch ablautender wortbildung fähig. Inzwiſchen gewährt die goth. ſprache keinen beleg dazu, in den übrigen ſchwanken dieſe verba, d. h. ſie werden entw. rein reduplicativ, und dann gilt von ihnen die regel, oder reinablautend, wohin bloß das altn. taka (nr. 64. nicht tâka = goth. têkan) gehört, wel- ches völlig nach conj. VII. zu beurtheilen, mithin für ab- lautende bildungen empfänglich iſt, vgl. die altn. eigen- namen tôki und palnatôki, ſo wie tœki (occaſio) tœkr (idoneus); ſtammt aber têkan aus takan, lautet das mhd. vâhen früher fahan, ſo darf auch brâten (aſſare) auf ein älteres braten und der ablaut bruot (genimen) brueten (ſo- vere, wärmen) auf es bezogen werden. Jene regel, der mangel aller aus dem praet. gezoge- nen wortbildungen ſpricht klar dafür, daß die allmählige zuſammendrängung der reduplication in die doppelvocale ie und ê die natur organiſcher ablaute niemahls erreichte. Deſto weniger dürfen die wahren ablaute aus früheren reduplicationen erklärt werden. Die ablautenden conju- gationen ſind älter als die reduplicierenden und dieſe, wie ſchon ihr ſchwerfälliger langer vocal oder ihre doppelte conſonanz zu erkennen gibt, aus jenen entſprungen. Hiermit nimmt die folgende den ſchluß der vorherge- henden fünften bemerkung wieder auf. 7) den ablaut aller deutſchen wortbildung zum grund gelegt, offenbaren ſich im allgemeinen drei abſtufungen, auf denen der ſprachgeiſt vorrückte. Die erſte erkenne

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/91>, abgerufen am 24.11.2024.