gen können (s. 439 - 443. 626. 627.), so war sie doch nie aus apponierten wörtern selbst entstanden. Zusammenge- setzte zahlen setzen aber ursprünglich ungebunden neben- einander gestellte wörter voraus, weil 1) das erste wort rücksicht auf das geschlecht des zweiten nimmt; 2) oft noch seine casusflexion mit in die zusammensetzung bringt; 3) die copula dazwischen erscheint, vgl. drei-und-zwanzig mit drei-zehen; 4) syntactische auflösungen erfolgen, z. b. zehen und drei, zwanzig und drei; 5) die composition keine eigenthümliche begriffsbestimmung zeugt, sondern beide wörter in ihrem ursprünglichen werthe läßt. Com- positionsvocal kann also hier nirgends vorkommen. Aus der anfänglichen freiheit beider wörter fließt das gesetz: daß sich cardinalia nur mit cardinalibus, ordinalia nur mit ordinalibus zusammenfügen. Weil sich aber bald mehrere cardinalcomposita verhärteten, wurde hernach bloß aus dem zweiten wort die ordinalsorm entwickelt, das erste in der cardinalsorm beibehalten, z. b. wenn wir sagen der drei-zehnte statt dritt-zehnte (decimus tertius).
A. cardinalzahlen verbunden.
1) von I - X. sind sie durchgängig einfach, alle fol- genden aber zusammengesetzt. Bei den drei ersten, des geschlechts und der flexion vorzugsweise befähigten zah- len entwickelt sich ein widerstreit, inwiefern sie genus und casus nach dem zweiten wort, dem sie verbunden werden, richten, oder nach dem folgenden subst., wor- auf sich die ganze zahl bezieht. Letzteres setzt eine größere verhärtung der zusammensetzung voraus.
2) es ist unsrer sprache eigenthümlich, die zehner un- gleich zu behandeln, nämlich XI. und XII. anders als die übrigen, da doch im lat. griech. slav. litth. alle auf einer linie stehen; dennoch erinnert die weglaßung des kai in [e]ndeka, dodeka, neben triskaideka an die deutsche, mit dem duodecimalsystem zusammenhängende auszeichnung jener beiden. Jonisch und episch stehet aber auch duo- kaideka. Daß bei uns niemahls ein-zehn, zwei-zehn gesagt wurde, scheint unbezweifelbar; hingegen für XIII- XIX. könnte in frühster zeit ebenfalls zus. setzung mit -lif gegolten haben, grade wie im litth. von XI - XIX. mit -lika, das der bedeutung nach unserm -lif ganz ent- sprieht. Jenes stammt von likti (linqui, remanere) vgl. lyktus (reliquiae); dieses vom goth. leiban (manere, nr. 130.). Der sinn ist: zehn und eins darüber, zwei darüber, also was andere sprachen durch setzung der copula oder durch eine praeposition (slav. na, lett. pa) ausdrücken. Die ur-
III. zahlwörtercompoſita.
gen können (ſ. 439 - 443. 626. 627.), ſo war ſie doch nie aus apponierten wörtern ſelbſt entſtanden. Zuſammenge- ſetzte zahlen ſetzen aber urſprünglich ungebunden neben- einander geſtellte wörter voraus, weil 1) das erſte wort rückſicht auf das geſchlecht des zweiten nimmt; 2) oft noch ſeine caſusflexion mit in die zuſammenſetzung bringt; 3) die copula dazwiſchen erſcheint, vgl. drei-und-zwanzig mit drei-zehen; 4) ſyntactiſche auflöſungen erfolgen, z. b. zehen und drei, zwanzig und drei; 5) die compoſition keine eigenthümliche begriffsbeſtimmung zeugt, ſondern beide wörter in ihrem urſprünglichen werthe läßt. Com- poſitionsvocal kann alſo hier nirgends vorkommen. Aus der anfänglichen freiheit beider wörter fließt das geſetz: daß ſich cardinalia nur mit cardinalibus, ordinalia nur mit ordinalibus zuſammenfügen. Weil ſich aber bald mehrere cardinalcompoſita verhärteten, wurde hernach bloß aus dem zweiten wort die ordinalſorm entwickelt, das erſte in der cardinalſorm beibehalten, z. b. wenn wir ſagen der drei-zehnte ſtatt dritt-zehnte (decimus tertius).
A. cardinalzahlen verbunden.
1) von I - X. ſind ſie durchgängig einfach, alle fol- genden aber zuſammengeſetzt. Bei den drei erſten, des geſchlechts und der flexion vorzugsweiſe befähigten zah- len entwickelt ſich ein widerſtreit, inwiefern ſie genus und caſus nach dem zweiten wort, dem ſie verbunden werden, richten, oder nach dem folgenden ſubſt., wor- auf ſich die ganze zahl bezieht. Letzteres ſetzt eine größere verhärtung der zuſammenſetzung voraus.
2) es iſt unſrer ſprache eigenthümlich, die zehner un- gleich zu behandeln, nämlich XI. und XII. anders als die übrigen, da doch im lat. griech. ſlav. litth. alle auf einer linie ſtehen; dennoch erinnert die weglaßung des καὶ in [έ]νδεκα, δώδεκα, neben τριςκαίδεκα an die deutſche, mit dem duodecimalſyſtem zuſammenhängende auszeichnung jener beiden. Joniſch und epiſch ſtehet aber auch δυο- καίδεκα. Daß bei uns niemahls ein-zehn, zwei-zehn geſagt wurde, ſcheint unbezweifelbar; hingegen für XIII- XIX. könnte in frühſter zeit ebenfalls zuſ. ſetzung mit -lif gegolten haben, grade wie im litth. von XI - XIX. mit -lika, das der bedeutung nach unſerm -lif ganz ent- ſprieht. Jenes ſtammt von likti (linqui, remanere) vgl. lyktus (reliquiae); dieſes vom goth. leiban (manere, nr. 130.). Der ſinn iſt: zehn und eins darüber, zwei darüber, alſo was andere ſprachen durch ſetzung der copula oder durch eine praepoſition (ſlav. na, lett. pa) ausdrücken. Die ur-
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III. zahlwörtercompoſita.
gen können (ſ. 439 - 443. 626. 627.), ſo war ſie doch nie
aus apponierten wörtern ſelbſt entſtanden. Zuſammenge-
ſetzte zahlen ſetzen aber urſprünglich ungebunden neben-
einander geſtellte wörter voraus, weil 1) das erſte wort
rückſicht auf das geſchlecht des zweiten nimmt; 2) oft
noch ſeine caſusflexion mit in die zuſammenſetzung bringt;
3) die copula dazwiſchen erſcheint, vgl. drei-und-zwanzig
mit drei-zehen; 4) ſyntactiſche auflöſungen erfolgen, z. b.
zehen und drei, zwanzig und drei; 5) die compoſition
keine eigenthümliche begriffsbeſtimmung zeugt, ſondern
beide wörter in ihrem urſprünglichen werthe läßt. Com-
poſitionsvocal kann alſo hier nirgends vorkommen. Aus
der anfänglichen freiheit beider wörter fließt das geſetz:
daß ſich cardinalia nur mit cardinalibus, ordinalia nur
mit ordinalibus zuſammenfügen. Weil ſich aber bald
mehrere cardinalcompoſita verhärteten, wurde hernach
bloß aus dem zweiten wort die ordinalſorm entwickelt,
das erſte in der cardinalſorm beibehalten, z. b. wenn wir
ſagen der drei-zehnte ſtatt dritt-zehnte (decimus tertius).
A. cardinalzahlen verbunden.
1) von I - X. ſind ſie durchgängig einfach, alle fol-
genden aber zuſammengeſetzt. Bei den drei erſten, des
geſchlechts und der flexion vorzugsweiſe befähigten zah-
len entwickelt ſich ein widerſtreit, inwiefern ſie genus
und caſus nach dem zweiten wort, dem ſie verbunden
werden, richten, oder nach dem folgenden ſubſt., wor-
auf ſich die ganze zahl bezieht. Letzteres ſetzt eine
größere verhärtung der zuſammenſetzung voraus.
2) es iſt unſrer ſprache eigenthümlich, die zehner un-
gleich zu behandeln, nämlich XI. und XII. anders als die
übrigen, da doch im lat. griech. ſlav. litth. alle auf einer
linie ſtehen; dennoch erinnert die weglaßung des καὶ in
ένδεκα, δώδεκα, neben τριςκαίδεκα an die deutſche, mit
dem duodecimalſyſtem zuſammenhängende auszeichnung
jener beiden. Joniſch und epiſch ſtehet aber auch δυο-
καίδεκα. Daß bei uns niemahls ein-zehn, zwei-zehn
geſagt wurde, ſcheint unbezweifelbar; hingegen für XIII-
XIX. könnte in frühſter zeit ebenfalls zuſ. ſetzung mit
-lif gegolten haben, grade wie im litth. von XI - XIX.
mit -lika, das der bedeutung nach unſerm -lif ganz ent-
ſprieht. Jenes ſtammt von likti (linqui, remanere) vgl.
lyktus (reliquiae); dieſes vom goth. leiban (manere, nr. 130.).
Der ſinn iſt: zehn und eins darüber, zwei darüber, alſo
was andere ſprachen durch ſetzung der copula oder durch
eine praepoſition (ſlav. na, lett. pa) ausdrücken. Die ur-
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 946. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/964>, abgerufen am 22.11.2024.
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