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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. laut u. ablaut. schlußbemerkungen.
zwungen durch solche negation zu deuten: schwach
(nr. 299.) bezeichnet etwas, das ausgerochen hat, ver-
welkt ist; zahi (nr. 557.) was nicht mehr fließt; weiso
(nr. 513.) einen der geleitet wurde, also gegenwärtig
außer schutz und geleite ist; chuoli (nr. 68.) das, was
kalt war, also neue wärme gewonnen hat, gerade so
svalr (nr. 317.) das heiß gewesene, wieder erkaltete und
brunno (nr. 371.) sot (nr. 244.) das aus der wärme ge-
quollene, kühle waßer; van (nr. 569.) das leere, ver-
laßene, einsame; lari (nr. 290.) vielleicht den ort, wo
schon lese gehalten wurde; leisa (nr. 510.) das vom ge-
hen hinterbliebene, die spur, wie spur (nr. 575.) das,
wo man gesucht hat; blac, pleih (nr. 181.) was geschie-
nen, die farbe verloren hat (sublucidum); glaumr (nr. 517.)
den schall, gleymja das vergehen im schall, verklingen,
vergeßen; in dergleichen wörtern wird durch das auf-
hören einer thätigkeit der begriff von oede, stille, ver-
laßenheit, minderung hervorgebracht, vgl. unten k, 6.
Daher auch anderemahle das praet. nicht eigentlich das
gegentheil, nur die abnahme und verkleinerung der wur-
zel aufstellt, vgl. tuola (nr. 463.) mit tal; huon (nr. 469.)
mit hano; doegr (nr. 487. semissis diei) mit dagr; uohsa
(nr. 490. axilla) mit ahsa (axis); vocor (nr. 93.) u. a. m.
hierher wäre auch der begriff der ungleichheit, unvollen-
dung, unebenheit zu rechnen, welchen das praet. ab im
gegensatz zu dem praes. ibn (nr. 540.) enthält. Wör-
ter, welche ein schließen, decken, voll sein ausdrücken,
pflegen im praet. zuweilen das offene, hohle zu bezeich-
nen, wie der schlüßel zu, aber auch wieder aufmacht,
die thüre deckt und öffnet, vgl. liukan (nr. 255. claudere)
laukr die sich erschließende pflanze, loh, luccha (fora-
men) lok (operculum); hleidan (nr. 158. tegere) hlid (oper-
culum und foramen); hilan (nr. 314. tegere) hali (der ab-
grund) hol (das hohle, die öffnung) riufan (nr. 211. sol-
vere) rauf (foramen) reaf (vestis) *).

g) diese schwächung, umdrehung, leugnung des ur-
begriffs gilt überhaupt nur als hin und wieder vortre-
tende ausnahme und hat sich nirgends festgesetzt. In
der regel gibt der ablaut nichts als das geschehene, d. h.

*) nicht im verhältnis des praet. zum praes., vielmehr in der
zweideutigkeit des begriffs selbst gegründet ist die entgegengesetzte
bedeutung, wenn z. b. in einer mundart reisan fallen, in der an-
dern aufstehen ausdrückt (nr. 171.); oder wörter wie ort, drum
bald den anfang bald das ende, bald oben bald unten bezeichuen.

III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
zwungen durch ſolche negation zu deuten: ſchwach
(nr. 299.) bezeichnet etwas, das ausgerochen hat, ver-
welkt iſt; zâhi (nr. 557.) was nicht mehr fließt; weiſo
(nr. 513.) einen der geleitet wurde, alſo gegenwärtig
außer ſchutz und geleite iſt; chuoli (nr. 68.) das, was
kalt war, alſo neue wärme gewonnen hat, gerade ſo
ſvalr (nr. 317.) das heiß geweſene, wieder erkaltete und
brunno (nr. 371.) ſôt (nr. 244.) das aus der wärme ge-
quollene, kühle waßer; van (nr. 569.) das leere, ver-
laßene, einſame; lâri (nr. 290.) vielleicht den ort, wo
ſchon leſe gehalten wurde; leiſa (nr. 510.) das vom ge-
hen hinterbliebene, die ſpur, wie ſpur (nr. 575.) das,
wo man geſucht hat; blâc, pleih (nr. 181.) was geſchie-
nen, die farbe verloren hat (ſublucidum); glaumr (nr. 517.)
den ſchall, gleymja das vergehen im ſchall, verklingen,
vergeßen; in dergleichen wörtern wird durch das auf-
hören einer thätigkeit der begriff von oede, ſtille, ver-
laßenheit, minderung hervorgebracht, vgl. unten κ, 6.
Daher auch anderemahle das praet. nicht eigentlich das
gegentheil, nur die abnahme und verkleinerung der wur-
zel aufſtellt, vgl. tuola (nr. 463.) mit tal; huon (nr. 469.)
mit hano; dœgr (nr. 487. ſemiſſis diei) mit dagr; uohſa
(nr. 490. axilla) mit ahſa (axis); vôcor (nr. 93.) u. a. m.
hierher wäre auch der begriff der ungleichheit, unvollen-
dung, unebenheit zu rechnen, welchen das praet. ab im
gegenſatz zu dem praeſ. ïbn (nr. 540.) enthält. Wör-
ter, welche ein ſchließen, decken, voll ſein ausdrücken,
pflegen im praet. zuweilen das offene, hohle zu bezeich-
nen, wie der ſchlüßel zu, aber auch wieder aufmacht,
die thüre deckt und öffnet, vgl. liukan (nr. 255. claudere)
laukr die ſich erſchließende pflanze, loh, luccha (fora-
men) lok (operculum); hlîdan (nr. 158. tegere) hlid (oper-
culum und foramen); hilan (nr. 314. tegere) hali (der ab-
grund) hol (das hohle, die öffnung) riufan (nr. 211. ſol-
vere) rauf (foramen) reáf (veſtis) *).

γ) dieſe ſchwächung, umdrehung, leugnung des ur-
begriffs gilt überhaupt nur als hin und wieder vortre-
tende ausnahme und hat ſich nirgends feſtgeſetzt. In
der regel gibt der ablaut nichts als das geſchehene, d. h.

*) nicht im verhältnis des praet. zum praeſ., vielmehr in der
zweideutigkeit des begriffs ſelbſt gegründet iſt die entgegengeſetzte
bedeutung, wenn z. b. in einer mundart rîſan fallen, in der an-
dern aufſtehen ausdrückt (nr. 171.); oder wörter wie ort, drum
bald den anfang bald das ende, bald oben bald unten bezeichuen.
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[80/0098] III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen. zwungen durch ſolche negation zu deuten: ſchwach (nr. 299.) bezeichnet etwas, das ausgerochen hat, ver- welkt iſt; zâhi (nr. 557.) was nicht mehr fließt; weiſo (nr. 513.) einen der geleitet wurde, alſo gegenwärtig außer ſchutz und geleite iſt; chuoli (nr. 68.) das, was kalt war, alſo neue wärme gewonnen hat, gerade ſo ſvalr (nr. 317.) das heiß geweſene, wieder erkaltete und brunno (nr. 371.) ſôt (nr. 244.) das aus der wärme ge- quollene, kühle waßer; van (nr. 569.) das leere, ver- laßene, einſame; lâri (nr. 290.) vielleicht den ort, wo ſchon leſe gehalten wurde; leiſa (nr. 510.) das vom ge- hen hinterbliebene, die ſpur, wie ſpur (nr. 575.) das, wo man geſucht hat; blâc, pleih (nr. 181.) was geſchie- nen, die farbe verloren hat (ſublucidum); glaumr (nr. 517.) den ſchall, gleymja das vergehen im ſchall, verklingen, vergeßen; in dergleichen wörtern wird durch das auf- hören einer thätigkeit der begriff von oede, ſtille, ver- laßenheit, minderung hervorgebracht, vgl. unten κ, 6. Daher auch anderemahle das praet. nicht eigentlich das gegentheil, nur die abnahme und verkleinerung der wur- zel aufſtellt, vgl. tuola (nr. 463.) mit tal; huon (nr. 469.) mit hano; dœgr (nr. 487. ſemiſſis diei) mit dagr; uohſa (nr. 490. axilla) mit ahſa (axis); vôcor (nr. 93.) u. a. m. hierher wäre auch der begriff der ungleichheit, unvollen- dung, unebenheit zu rechnen, welchen das praet. ab im gegenſatz zu dem praeſ. ïbn (nr. 540.) enthält. Wör- ter, welche ein ſchließen, decken, voll ſein ausdrücken, pflegen im praet. zuweilen das offene, hohle zu bezeich- nen, wie der ſchlüßel zu, aber auch wieder aufmacht, die thüre deckt und öffnet, vgl. liukan (nr. 255. claudere) laukr die ſich erſchließende pflanze, loh, luccha (fora- men) lok (operculum); hlîdan (nr. 158. tegere) hlid (oper- culum und foramen); hilan (nr. 314. tegere) hali (der ab- grund) hol (das hohle, die öffnung) riufan (nr. 211. ſol- vere) rauf (foramen) reáf (veſtis) *). γ) dieſe ſchwächung, umdrehung, leugnung des ur- begriffs gilt überhaupt nur als hin und wieder vortre- tende ausnahme und hat ſich nirgends feſtgeſetzt. In der regel gibt der ablaut nichts als das geſchehene, d. h. *) nicht im verhältnis des praet. zum praeſ., vielmehr in der zweideutigkeit des begriffs ſelbſt gegründet iſt die entgegengeſetzte bedeutung, wenn z. b. in einer mundart rîſan fallen, in der an- dern aufſtehen ausdrückt (nr. 171.); oder wörter wie ort, drum bald den anfang bald das ende, bald oben bald unten bezeichuen.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/98>, abgerufen am 21.11.2024.