dis, vintha-thaursis?); es wäre möglich. Da die ahd. mundart schon in einfachen adj. das u durch i verdrän- gen läßt, so kann jener unterschied nicht mehr erfolgen. Des ahd. schwankens zwischen annehmen oder wegwer- sen des -i im zweiten wort ist verschiedentlich gedacht worden (s. 543. 648. 666. 667.). 6) eigentlich componierte verba setzen nomina voraus: ergo-labeo, kreo-phageo (f. kreo-ph.) muro-poleo, oneiro-poleo, oiono-skopeo, oiko-domeo, Rabdo-nomeo, troglo-duteo und viele an- dere sind abzuleiten von [...]ergo-labos, kreo-phagos, muro-poles, oneiro-polos, oiono-skopos, oiko-domos, Rabdo-nomos, troglodutes. Diesen canon (Buttm. §. 106, 3.) hat Lobeck l. c. 560 ff. neuerdings bestätigt und zu- gleich ausgeführt, daß zusammengesetzte participia auf das übrige verbum keinen schluß erlauben (vgl. oben s. 582 ff. 668 ff.). Im neugriech. wagt man freilich ein nukto-phulasso, als wollten wir zu deutsch sagen: ich nacht-wache. 7) verbale composita, nach art der s. 680- 683. abgehandelten deutschen, fehlen meines wißens im griech. (und lat.) gänzlich; für das, was jene ausdrücken, stehen entw. simplicia oder derivata zu gebot. Dagegen besitzt die griech. sprache viele andere verbalzusammen- setzungen, von welchen hernach geredet werden soll.
c) auch im slavischen und bis in alle heutigen mund- arten ist -o bindungsvocal. Ich kann in diesem -o keinen zusammenhang mit flexionsvocalen und namentlich nicht mit dem nom. neutr. (Dobr. inst. p. 456.) erkennen, da es masc. und fem. auf dieselbe weise zeigen. Jene über- einstimmung mit einem casus der neutralen declin. ist da- her so zufällig, wie die des deutschen compositionsvocals -a mit dem goth. dat. sg. masc. und neutr. subst. oder des lat. -i mit dem gen. sg. masc. neutr. Beispiele von masc. im ersten wort: altsl. bogo-slov' (theologus) bogo-roditza (theotokos) serb. bogo-nosni (theophoros) russ. bogo-boretz" (impius) böhm. boho-mil (n. pr. gott-lieb); böhm. listo- pad (november, d. i. blattfallmonat, in der Schweiz loub- risi) altsl. domo-stroitel' (dispensator domus) russ. domo- sjed" (qui domi sedet); alts. pjetlo-glashenie (gallicinium); russ. kameno-lomnja (lapidicina); russ. gromo-glasie (don- nerstimme) böhm. hromo-swod (donnerableiter); serb. miro-dar (n. pr.) russ. miro-tvoretz" (friedensstister). Von femininis: altsl. ruko-pisanie (chirographum) serb. böhm. ruko-pis; altsl. vodo-nos' (hydria) serb. vodo-pija (n. plantae: die waßertrinkende); russ. zimo-rodok" (al- cedo) böhm. zymo-strazh (wintergrün); russ. mucho-mor"
III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
dis, vinþa-þaúrſis?); es wäre möglich. Da die ahd. mundart ſchon in einfachen adj. das u durch i verdrän- gen läßt, ſo kann jener unterſchied nicht mehr erfolgen. Des ahd. ſchwankens zwiſchen annehmen oder wegwer- ſen des -i im zweiten wort iſt verſchiedentlich gedacht worden (ſ. 543. 648. 666. 667.). 6) eigentlich componierte verba ſetzen nomina voraus: ἐργο-λαβἑω, κρεω-φαγέω (f. κρεο-φ.) μυρο-πωλέω, ὀνειρο-πολέω, οἰωνο-σκοπέω, οἰκο-δομέω, ῥαβδο-νομέω, τρωγλο-δυτέω und viele an- dere ſind abzuleiten von […]ἐργο-λάβος, κρεω-φάγος, μυρο-πώλης, ὀνειρο-πόλος, οἰωνο-σκόπος, οἰκο-δόμος, ῥαβδο-νόμος, τρωγλοδύτης. Dieſen canon (Buttm. §. 106, 3.) hat Lobeck l. c. 560 ff. neuerdings beſtätigt und zu- gleich ausgeführt, daß zuſammengeſetzte participia auf das übrige verbum keinen ſchluß erlauben (vgl. oben ſ. 582 ff. 668 ff.). Im neugriech. wagt man freilich ein νυκτο-φυλάσσω, als wollten wir zu deutſch ſagen: ich nacht-wache. 7) verbale compoſita, nach art der ſ. 680- 683. abgehandelten deutſchen, fehlen meines wißens im griech. (und lat.) gänzlich; für das, was jene ausdrücken, ſtehen entw. ſimplicia oder derivata zu gebot. Dagegen beſitzt die griech. ſprache viele andere verbalzuſammen- ſetzungen, von welchen hernach geredet werden ſoll.
c) auch im ſlaviſchen und bis in alle heutigen mund- arten iſt -ο bindungsvocal. Ich kann in dieſem -o keinen zuſammenhang mit flexionsvocalen und namentlich nicht mit dem nom. neutr. (Dobr. inſt. p. 456.) erkennen, da es maſc. und fem. auf dieſelbe weiſe zeigen. Jene über- einſtimmung mit einem caſus der neutralen declin. iſt da- her ſo zufällig, wie die des deutſchen compoſitionsvocals -a mit dem goth. dat. ſg. maſc. und neutr. ſubſt. oder des lat. -i mit dem gen. ſg. maſc. neutr. Beiſpiele von maſc. im erſten wort: altſl. bogo-ſlov’ (theologus) bogo-roditza (θεοτόκος) ſerb. bogo-noſni (θεοφόρος) ruſſ. bogo-boretz” (impius) böhm. boho-mil (n. pr. gott-lieb); böhm. liſto- pad (november, d. i. blattfallmonat, in der Schweiz loub- riſi) altſl. domo-ſtroitel’ (diſpenſator domus) ruſſ. domo- ſjed” (qui domi ſedet); altſ. pjetlo-glaſhenïe (gallicinium); ruſſ. kameno-lomnja (lapidicina); ruſſ. gromo-glaſïe (don- nerſtimme) böhm. hromo-ſwod (donnerableiter); ſerb. miro-dar (n. pr.) ruſſ. miro-tvoretz” (friedensſtiſter). Von femininis: altſl. ruko-piſanie (chirographum) ſerb. böhm. ruko-pis; altſl. vodo-nos’ (hydria) ſerb. vodo-pija (n. plantae: die waßertrinkende); ruſſ. zimo-rodok” (al- cedo) böhm. zymo-ſtrázh (wintergrün); ruſſ. mucho-mor”
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0989"n="971"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">III. <hirendition="#i">compoſition. ſchlußbemerkungen.</hi></hi></fw><lb/>
dis, vinþa-þaúrſis?); es wäre möglich. Da die ahd.<lb/>
mundart ſchon in einfachen adj. das u durch i verdrän-<lb/>
gen läßt, ſo kann jener unterſchied nicht mehr erfolgen.<lb/>
Des ahd. ſchwankens zwiſchen annehmen oder wegwer-<lb/>ſen des -i im zweiten wort iſt verſchiedentlich gedacht<lb/>
worden (ſ. 543. 648. 666. 667.). 6) eigentlich componierte<lb/>
verba ſetzen nomina voraus: <hirendition="#i">ἐργο-λαβἑω, κρεω-φαγέω</hi><lb/>
(f. <hirendition="#i">κρεο-φ</hi>.) <hirendition="#i">μυρο-πωλέω</hi>, <hirendition="#i">ὀνειρο-πολέω, οἰωνο-σκοπέω,<lb/>οἰκο-δομέω</hi>, <hirendition="#i">ῥαβδο-νομέω, τρωγλο-δυτέω</hi> und viele an-<lb/>
dere ſind abzuleiten von <choice><sic>von </sic><corr/></choice><hirendition="#i">ἐργο-λάβος, κρεω-φάγος,<lb/>μυρο-πώλης, ὀνειρο-πόλος, οἰωνο-σκόπος, οἰκο-δόμος,<lb/>ῥαβδο-νόμος, τρωγλοδύτης</hi>. Dieſen canon (Buttm. §. 106,<lb/>
3.) hat Lobeck l. c. 560 ff. neuerdings beſtätigt und zu-<lb/>
gleich ausgeführt, daß zuſammengeſetzte participia auf<lb/>
das übrige verbum keinen ſchluß erlauben (vgl. oben<lb/>ſ. 582 ff. 668 ff.). Im neugriech. wagt man freilich ein<lb/><hirendition="#i">νυκτο-φυλάσσω</hi>, als wollten wir zu deutſch ſagen: ich<lb/>
nacht-wache. 7) verbale compoſita, nach art der ſ. 680-<lb/>
683. abgehandelten deutſchen, fehlen meines wißens im<lb/>
griech. (und lat.) gänzlich; für das, was jene ausdrücken,<lb/>ſtehen entw. ſimplicia oder derivata zu gebot. Dagegen<lb/>
beſitzt die griech. ſprache viele andere verbalzuſammen-<lb/>ſetzungen, von welchen hernach geredet werden ſoll.</p><lb/><p>c) auch im <hirendition="#i">ſlaviſchen</hi> und bis in alle heutigen mund-<lb/>
arten iſt <hirendition="#i">-ο</hi> bindungsvocal. Ich kann in dieſem -o keinen<lb/>
zuſammenhang mit flexionsvocalen und namentlich nicht<lb/>
mit dem nom. neutr. (Dobr. inſt. p. 456.) erkennen, da<lb/>
es maſc. und fem. auf dieſelbe weiſe zeigen. Jene über-<lb/>
einſtimmung mit einem caſus der neutralen declin. iſt da-<lb/>
her ſo zufällig, wie die des deutſchen compoſitionsvocals -a<lb/>
mit dem goth. dat. ſg. maſc. und neutr. ſubſt. oder des<lb/>
lat. -i mit dem gen. ſg. maſc. neutr. Beiſpiele von maſc.<lb/>
im erſten wort: altſl. bogo-ſlov’ (theologus) bogo-roditza<lb/>
(<hirendition="#i">θεοτόκος</hi>) ſerb. bogo-noſni (<hirendition="#i">θεοφόρος</hi>) ruſſ. bogo-boretz”<lb/>
(impius) böhm. boho-mil (n. pr. gott-lieb); böhm. liſto-<lb/>
pad (november, d. i. blattfallmonat, in der Schweiz loub-<lb/>
riſi) altſl. domo-ſtroitel’ (diſpenſator domus) ruſſ. domo-<lb/>ſjed” (qui domi ſedet); altſ. pjetlo-glaſhenïe (gallicinium);<lb/>
ruſſ. kameno-lomnja (lapidicina); ruſſ. gromo-glaſïe (don-<lb/>
nerſtimme) böhm. hromo-ſwod (donnerableiter); ſerb.<lb/>
miro-dar (n. pr.) ruſſ. miro-tvoretz” (friedensſtiſter).<lb/>
Von femininis: altſl. ruko-piſanie (chirographum) ſerb.<lb/>
böhm. ruko-pis; altſl. vodo-nos’ (hydria) ſerb. vodo-pija<lb/>
(n. plantae: die waßertrinkende); ruſſ. zimo-rodok” (al-<lb/>
cedo) böhm. zymo-ſtrázh (wintergrün); ruſſ. mucho-mor”<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[971/0989]
III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
dis, vinþa-þaúrſis?); es wäre möglich. Da die ahd.
mundart ſchon in einfachen adj. das u durch i verdrän-
gen läßt, ſo kann jener unterſchied nicht mehr erfolgen.
Des ahd. ſchwankens zwiſchen annehmen oder wegwer-
ſen des -i im zweiten wort iſt verſchiedentlich gedacht
worden (ſ. 543. 648. 666. 667.). 6) eigentlich componierte
verba ſetzen nomina voraus: ἐργο-λαβἑω, κρεω-φαγέω
(f. κρεο-φ.) μυρο-πωλέω, ὀνειρο-πολέω, οἰωνο-σκοπέω,
οἰκο-δομέω, ῥαβδο-νομέω, τρωγλο-δυτέω und viele an-
dere ſind abzuleiten von ἐργο-λάβος, κρεω-φάγος,
μυρο-πώλης, ὀνειρο-πόλος, οἰωνο-σκόπος, οἰκο-δόμος,
ῥαβδο-νόμος, τρωγλοδύτης. Dieſen canon (Buttm. §. 106,
3.) hat Lobeck l. c. 560 ff. neuerdings beſtätigt und zu-
gleich ausgeführt, daß zuſammengeſetzte participia auf
das übrige verbum keinen ſchluß erlauben (vgl. oben
ſ. 582 ff. 668 ff.). Im neugriech. wagt man freilich ein
νυκτο-φυλάσσω, als wollten wir zu deutſch ſagen: ich
nacht-wache. 7) verbale compoſita, nach art der ſ. 680-
683. abgehandelten deutſchen, fehlen meines wißens im
griech. (und lat.) gänzlich; für das, was jene ausdrücken,
ſtehen entw. ſimplicia oder derivata zu gebot. Dagegen
beſitzt die griech. ſprache viele andere verbalzuſammen-
ſetzungen, von welchen hernach geredet werden ſoll.
c) auch im ſlaviſchen und bis in alle heutigen mund-
arten iſt -ο bindungsvocal. Ich kann in dieſem -o keinen
zuſammenhang mit flexionsvocalen und namentlich nicht
mit dem nom. neutr. (Dobr. inſt. p. 456.) erkennen, da
es maſc. und fem. auf dieſelbe weiſe zeigen. Jene über-
einſtimmung mit einem caſus der neutralen declin. iſt da-
her ſo zufällig, wie die des deutſchen compoſitionsvocals -a
mit dem goth. dat. ſg. maſc. und neutr. ſubſt. oder des
lat. -i mit dem gen. ſg. maſc. neutr. Beiſpiele von maſc.
im erſten wort: altſl. bogo-ſlov’ (theologus) bogo-roditza
(θεοτόκος) ſerb. bogo-noſni (θεοφόρος) ruſſ. bogo-boretz”
(impius) böhm. boho-mil (n. pr. gott-lieb); böhm. liſto-
pad (november, d. i. blattfallmonat, in der Schweiz loub-
riſi) altſl. domo-ſtroitel’ (diſpenſator domus) ruſſ. domo-
ſjed” (qui domi ſedet); altſ. pjetlo-glaſhenïe (gallicinium);
ruſſ. kameno-lomnja (lapidicina); ruſſ. gromo-glaſïe (don-
nerſtimme) böhm. hromo-ſwod (donnerableiter); ſerb.
miro-dar (n. pr.) ruſſ. miro-tvoretz” (friedensſtiſter).
Von femininis: altſl. ruko-piſanie (chirographum) ſerb.
böhm. ruko-pis; altſl. vodo-nos’ (hydria) ſerb. vodo-pija
(n. plantae: die waßertrinkende); ruſſ. zimo-rodok” (al-
cedo) böhm. zymo-ſtrázh (wintergrün); ruſſ. mucho-mor”
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 971. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/989>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.