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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. composition. schlußbemerkungen.
thig sein) serb. bogo-raditi betteln) u. a. m. 3) die slav.
sprachen sind ungleich ärmer an eigentlichen zusammen-
setzungen, als die deutschen, aber reicher, wie Dobrowsky
längst eingesehen hat, an einfachen wörtern und deriva-
tionsmitteln für viele begriffe, welche wir componieren.

d) die romanischen sprachen haben das vermögen ei-
gentlich zusammensetzen eingebüßt. Zwar führen fie
noch einige lateinische compolita fort, z. b. ital. arti-ficio,
edi-ficio, frutti-fico, multi-plice, mani-festo, magni-loquo,
grandi-loquo, nau-fragio etc. span. agri-cultura, ampli-ficar,
edi-ficio, boqui-tuerto, boqui-seco, cuelli-erguido, cuelli-corto
(? colli-curtus) nau-fragio, veri-dico etc. franz. mani-feste,
magni-fique, veri-dique, edi-fice, arti-fice, edi-fier, multi-
plier, nau-frage u. dgl. aber wie einfache wörter, ohne die
composition zu fühlen, noch für neue bildungen anwenden zu
dürfen. In den meisten fällen sind die ersten wörter ver-
loren gegangen oder entstellt worden. Im altfranzös.
scheinen gleichwohl hin und wieder einzelne neuge-
schaffne composita und vorzüglich in den kerlingischen
gedichten, auf deutsche weise ohne bindungslaut gebildet,
vorzukommen, z. b. fer-arme (eisen-gewafnet) fer-lie
(eisen-gebunden) fer-vesti (eisen-gekleidet) pie-coupe (fuß-
beschnitten) pie-taille (fuß-behauen) pie-poudreux (fuß-
bestäubt) soi-menti (ahd. triu-logo) Roquef. 614b, dieu-anemi
(ahd. gota-leido). Meist also mit part. praet. Die falle ver-
dienen sorgfältige sammlung. Den mangel an zus. setzungen
vergütet allen romanischen sprachen ein reichthum von ab-
leitungen. In den deutschen verhält es sich nahe umgedreht.

e) was die uneigentliche composition der lat. griech.
slav. und romanischen sprachen betrifft, so versteht es
sich, daß ihnen allen die mit partikeln überaus geläufig
ist. Es könnte aber nur aus umständlicher darstellung
aller verhältnisse, wozu hier nicht der ort ist, fruchthare
vergleichung mit den abgehandelten deutschen zus. setzun-
gen hervorgehen. Ich laße es also, da die wichtigste ab-
weichung und einstimmung des fremden partikelgebrauchs
s. 920. 921. angegeben worden ist, bei folgenden bemer-
kungen uber die sonstigen uneigentlichen compositionsar-
ten bewenden.

1) angerückte genitive sind im latein. selten, beispiele:
legis-lator, trium-vir, duum-vir; weniger schon pignoris
capio, negotiorum gestor. Meistentheils folgt der gen.
nach. Häufiger im griech., besonders bei eigennamen:
dios-koroi; dios-polis, elles-pontos; alos-akhne (meeres-

III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
thig ſein) ſerb. bogo-raditi betteln) u. a. m. 3) die ſlav.
ſprachen ſind ungleich ärmer an eigentlichen zuſammen-
ſetzungen, als die deutſchen, aber reicher, wie Dobrowſky
längſt eingeſehen hat, an einfachen wörtern und deriva-
tionsmitteln für viele begriffe, welche wir componieren.

d) die romaniſchen ſprachen haben das vermögen ei-
gentlich zuſammenſetzen eingebüßt. Zwar führen fie
noch einige lateiniſche compolita fort, z. b. ital. arti-ficio,
edi-ficio, frutti-fico, multi-plice, mani-feſto, magni-loquo,
grandi-loquo, nau-fragio etc. ſpan. agri-cultura, ampli-ficar,
edi-ficio, boqui-tuerto, boqui-ſeco, cuelli-erguido, cuelli-corto
(? colli-curtus) nau-fragio, veri-dico etc. franz. mani-feſte,
magni-fique, veri-dique, edi-fice, arti-fice, edi-fier, multi-
plier, nau-frage u. dgl. aber wie einfache wörter, ohne die
compoſition zu fühlen, noch für neue bildungen anwenden zu
dürfen. In den meiſten fällen ſind die erſten wörter ver-
loren gegangen oder entſtellt worden. Im altfranzöſ.
ſcheinen gleichwohl hin und wieder einzelne neuge-
ſchaffne compoſita und vorzüglich in den kerlingiſchen
gedichten, auf deutſche weiſe ohne bindungslaut gebildet,
vorzukommen, z. b. fer-armé (eiſen-gewafnet) fer-lié
(eiſen-gebunden) fer-veſti (eiſen-gekleidet) pié-coupé (fuß-
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beſtäubt) ſoi-menti (ahd. triu-logo) Roquef. 614b, dieu-anemi
(ahd. gota-leido). Meiſt alſo mit part. praet. Die falle ver-
dienen ſorgfältige ſammlung. Den mangel an zuſ. ſetzungen
vergütet allen romaniſchen ſprachen ein reichthum von ab-
leitungen. In den deutſchen verhält es ſich nahe umgedreht.

e) was die uneigentliche compoſition der lat. griech.
ſlav. und romaniſchen ſprachen betrifft, ſo verſteht es
ſich, daß ihnen allen die mit partikeln überaus geläufig
iſt. Es könnte aber nur aus umſtändlicher darſtellung
aller verhältniſſe, wozu hier nicht der ort iſt, fruchthare
vergleichung mit den abgehandelten deutſchen zuſ. ſetzun-
gen hervorgehen. Ich laße es alſo, da die wichtigſte ab-
weichung und einſtimmung des fremden partikelgebrauchs
ſ. 920. 921. angegeben worden iſt, bei folgenden bemer-
kungen uber die ſonſtigen uneigentlichen compoſitionsar-
ten bewenden.

1) angerückte genitive ſind im latein. ſelten, beiſpiele:
legis-lator, trium-vir, duum-vir; weniger ſchon pignoris
capio, negotiorum geſtor. Meiſtentheils folgt der gen.
nach. Häufiger im griech., beſonders bei eigennamen:
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[973/0991] III. compoſition. ſchlußbemerkungen. thig ſein) ſerb. bogo-raditi betteln) u. a. m. 3) die ſlav. ſprachen ſind ungleich ärmer an eigentlichen zuſammen- ſetzungen, als die deutſchen, aber reicher, wie Dobrowſky längſt eingeſehen hat, an einfachen wörtern und deriva- tionsmitteln für viele begriffe, welche wir componieren. d) die romaniſchen ſprachen haben das vermögen ei- gentlich zuſammenſetzen eingebüßt. Zwar führen fie noch einige lateiniſche compolita fort, z. b. ital. arti-ficio, edi-ficio, frutti-fico, multi-plice, mani-feſto, magni-loquo, grandi-loquo, nau-fragio etc. ſpan. agri-cultura, ampli-ficar, edi-ficio, boqui-tuerto, boqui-ſeco, cuelli-erguido, cuelli-corto (? colli-curtus) nau-fragio, veri-dico etc. franz. mani-feſte, magni-fique, veri-dique, edi-fice, arti-fice, edi-fier, multi- plier, nau-frage u. dgl. aber wie einfache wörter, ohne die compoſition zu fühlen, noch für neue bildungen anwenden zu dürfen. In den meiſten fällen ſind die erſten wörter ver- loren gegangen oder entſtellt worden. Im altfranzöſ. ſcheinen gleichwohl hin und wieder einzelne neuge- ſchaffne compoſita und vorzüglich in den kerlingiſchen gedichten, auf deutſche weiſe ohne bindungslaut gebildet, vorzukommen, z. b. fer-armé (eiſen-gewafnet) fer-lié (eiſen-gebunden) fer-veſti (eiſen-gekleidet) pié-coupé (fuß- beſchnitten) pié-taillé (fuß-behauen) pié-poudreux (fuß- beſtäubt) ſoi-menti (ahd. triu-logo) Roquef. 614b, dieu-anemi (ahd. gota-leido). Meiſt alſo mit part. praet. Die falle ver- dienen ſorgfältige ſammlung. Den mangel an zuſ. ſetzungen vergütet allen romaniſchen ſprachen ein reichthum von ab- leitungen. In den deutſchen verhält es ſich nahe umgedreht. e) was die uneigentliche compoſition der lat. griech. ſlav. und romaniſchen ſprachen betrifft, ſo verſteht es ſich, daß ihnen allen die mit partikeln überaus geläufig iſt. Es könnte aber nur aus umſtändlicher darſtellung aller verhältniſſe, wozu hier nicht der ort iſt, fruchthare vergleichung mit den abgehandelten deutſchen zuſ. ſetzun- gen hervorgehen. Ich laße es alſo, da die wichtigſte ab- weichung und einſtimmung des fremden partikelgebrauchs ſ. 920. 921. angegeben worden iſt, bei folgenden bemer- kungen uber die ſonſtigen uneigentlichen compoſitionsar- ten bewenden. 1) angerückte genitive ſind im latein. ſelten, beiſpiele: legis-lator, trium-vir, duum-vir; weniger ſchon pignoris capio, negotiorum geſtor. Meiſtentheils folgt der gen. nach. Häufiger im griech., beſonders bei eigennamen: διός-κοροι; διός-πολις, ἑλλής-ποντος; ἁλος-άχνη (meeres-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 973. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/991>, abgerufen am 22.11.2024.