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Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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werden. Man logirte bei einer reichen alten Tante, einer Schwester des Vaters. Am letzten Abend erklärte Therese, sie werde bei ihr zurückbleiben. Eine Revolte entstand. Des Vaters Gegengründe besiegte sie, Albert's Bitten wich sie aus, Emma's Thränen überwand sie, freilich mit schwerem Herzen, und am andern Tage, als der Zug abbraus'te, sah sie ihm einige Minuten nach und rollte dann neben ihrer Tante allein vom Bahnhofe in die Stadt zurück, saß Abends hinter der großen silbernen Theemaschine und sprach mit all den alten und jungen Herrn, welche der geistreichen alten Frau allabendlich die Cour zu machen pflegten, so behaglich und lebhaft, daß ein jeder von ihnen, wenn er sie das nächste Mal nicht wieder gefunden hätte, der Meinung gewesen wäre, es sei Alles anders geworden und fehle etwas Langgewohntes, Unmuthiges und Unentbehrliches im Hause.

Als Emil an jenem Abende von seinem Streifzuge zurückkehrte, war es tiefe Nacht. Er hatte Umwege gemacht, er war noch einmal in den Garten gedrungen und hatte den Fleck aufgesucht, wo Emma gestanden, sich da auf den Boden gesetzt und denken wollen. Er wollte fort, es zog ihn wieder zurück; oft meinte er, sie riefe seinen Namen, er stand dann und lauschte, aber es war der Wind, der durch die Gebüsche zur Seite des Weges fuhr, die aufrauschten und dann wieder schwiegen, wie geheimnißvolle Wesen, die wohl sprechen könnten, wenn sie wollten, aber sie woll-

werden. Man logirte bei einer reichen alten Tante, einer Schwester des Vaters. Am letzten Abend erklärte Therese, sie werde bei ihr zurückbleiben. Eine Revolte entstand. Des Vaters Gegengründe besiegte sie, Albert's Bitten wich sie aus, Emma's Thränen überwand sie, freilich mit schwerem Herzen, und am andern Tage, als der Zug abbraus'te, sah sie ihm einige Minuten nach und rollte dann neben ihrer Tante allein vom Bahnhofe in die Stadt zurück, saß Abends hinter der großen silbernen Theemaschine und sprach mit all den alten und jungen Herrn, welche der geistreichen alten Frau allabendlich die Cour zu machen pflegten, so behaglich und lebhaft, daß ein jeder von ihnen, wenn er sie das nächste Mal nicht wieder gefunden hätte, der Meinung gewesen wäre, es sei Alles anders geworden und fehle etwas Langgewohntes, Unmuthiges und Unentbehrliches im Hause.

Als Emil an jenem Abende von seinem Streifzuge zurückkehrte, war es tiefe Nacht. Er hatte Umwege gemacht, er war noch einmal in den Garten gedrungen und hatte den Fleck aufgesucht, wo Emma gestanden, sich da auf den Boden gesetzt und denken wollen. Er wollte fort, es zog ihn wieder zurück; oft meinte er, sie riefe seinen Namen, er stand dann und lauschte, aber es war der Wind, der durch die Gebüsche zur Seite des Weges fuhr, die aufrauschten und dann wieder schwiegen, wie geheimnißvolle Wesen, die wohl sprechen könnten, wenn sie wollten, aber sie woll-

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[0042] werden. Man logirte bei einer reichen alten Tante, einer Schwester des Vaters. Am letzten Abend erklärte Therese, sie werde bei ihr zurückbleiben. Eine Revolte entstand. Des Vaters Gegengründe besiegte sie, Albert's Bitten wich sie aus, Emma's Thränen überwand sie, freilich mit schwerem Herzen, und am andern Tage, als der Zug abbraus'te, sah sie ihm einige Minuten nach und rollte dann neben ihrer Tante allein vom Bahnhofe in die Stadt zurück, saß Abends hinter der großen silbernen Theemaschine und sprach mit all den alten und jungen Herrn, welche der geistreichen alten Frau allabendlich die Cour zu machen pflegten, so behaglich und lebhaft, daß ein jeder von ihnen, wenn er sie das nächste Mal nicht wieder gefunden hätte, der Meinung gewesen wäre, es sei Alles anders geworden und fehle etwas Langgewohntes, Unmuthiges und Unentbehrliches im Hause. Als Emil an jenem Abende von seinem Streifzuge zurückkehrte, war es tiefe Nacht. Er hatte Umwege gemacht, er war noch einmal in den Garten gedrungen und hatte den Fleck aufgesucht, wo Emma gestanden, sich da auf den Boden gesetzt und denken wollen. Er wollte fort, es zog ihn wieder zurück; oft meinte er, sie riefe seinen Namen, er stand dann und lauschte, aber es war der Wind, der durch die Gebüsche zur Seite des Weges fuhr, die aufrauschten und dann wieder schwiegen, wie geheimnißvolle Wesen, die wohl sprechen könnten, wenn sie wollten, aber sie woll-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:24:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:24:04Z)

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Zitationshilfe: Grimm, Herman: Das Kind. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 275–356. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_kind_1910/42>, abgerufen am 21.11.2024.