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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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und sein Sohn, der Prinz, sollte sich eine Ge-
mahlin aussuchen; dazu wurden die zwei stol-
zen Schwestern auch eingeladen. "Aschenput-
tel riefen sie, komm herauf, kämme uns die
Haare, bürst uns die Schuhe und schnalle sie
fest, wir gehen auf den Ball zu dem Prinzen."
Aschenputtel gab sich alle Mühe und putzte sie
so gut es konnte, sie gaben ihm aber nur
Scheltworte dazwischen, und als sie fertig wa-
ren, fragten sie spöttisch: "Aschenputtel, du
gingst wohl gern mit auf den Ball?" -- "Ach
ja, wie kann ich aber hingehen, ich habe keine
Kleider." -- "Nein, sagte die älteste, das wär
mir recht, daß du dich dort sehen ließest, wir
müßten uns schämen, wenn die Leute hörten,
daß du unsere Schwester wärest; du gehörst in
die Küche, da hast du eine Schüssel voll Linsen,
wann wir wieder kommen muß sie gelesen seyn,
und hüt dich, daß keine böse darunter ist, sonst
hast du nichts Gutes zu erwarten."

Damit gingen sie fort, und Aschenputtel
stand und sah ihnen nach, und als es nichts
mehr sehen konnte, ging es traurig in die Kü-
che, und schüttete die Linsen auf den Heerd,
da war es ein großer, großer Haufen. "Ach,
sagte es und seufzte dabei, da muß ich dran
lesen bis Mitternacht und darf die Augen nicht
zufallen lassen, und wenn sie mir noch so weh
thun, wenn das meine Mutter wüßte!" Da

und ſein Sohn, der Prinz, ſollte ſich eine Ge-
mahlin ausſuchen; dazu wurden die zwei ſtol-
zen Schweſtern auch eingeladen. „Aſchenput-
tel riefen ſie, komm herauf, kaͤmme uns die
Haare, buͤrſt uns die Schuhe und ſchnalle ſie
feſt, wir gehen auf den Ball zu dem Prinzen.“
Aſchenputtel gab ſich alle Muͤhe und putzte ſie
ſo gut es konnte, ſie gaben ihm aber nur
Scheltworte dazwiſchen, und als ſie fertig wa-
ren, fragten ſie ſpoͤttiſch: „Aſchenputtel, du
gingſt wohl gern mit auf den Ball?“ — „Ach
ja, wie kann ich aber hingehen, ich habe keine
Kleider.“ — „Nein, ſagte die aͤlteſte, das waͤr
mir recht, daß du dich dort ſehen ließeſt, wir
muͤßten uns ſchaͤmen, wenn die Leute hoͤrten,
daß du unſere Schweſter waͤreſt; du gehoͤrſt in
die Kuͤche, da haſt du eine Schuͤſſel voll Linſen,
wann wir wieder kommen muß ſie geleſen ſeyn,
und huͤt dich, daß keine boͤſe darunter iſt, ſonſt
haſt du nichts Gutes zu erwarten.“

Damit gingen ſie fort, und Aſchenputtel
ſtand und ſah ihnen nach, und als es nichts
mehr ſehen konnte, ging es traurig in die Kuͤ-
che, und ſchuͤttete die Linſen auf den Heerd,
da war es ein großer, großer Haufen. „Ach,
ſagte es und ſeufzte dabei, da muß ich dran
leſen bis Mitternacht und darf die Augen nicht
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[90/0124] und ſein Sohn, der Prinz, ſollte ſich eine Ge- mahlin ausſuchen; dazu wurden die zwei ſtol- zen Schweſtern auch eingeladen. „Aſchenput- tel riefen ſie, komm herauf, kaͤmme uns die Haare, buͤrſt uns die Schuhe und ſchnalle ſie feſt, wir gehen auf den Ball zu dem Prinzen.“ Aſchenputtel gab ſich alle Muͤhe und putzte ſie ſo gut es konnte, ſie gaben ihm aber nur Scheltworte dazwiſchen, und als ſie fertig wa- ren, fragten ſie ſpoͤttiſch: „Aſchenputtel, du gingſt wohl gern mit auf den Ball?“ — „Ach ja, wie kann ich aber hingehen, ich habe keine Kleider.“ — „Nein, ſagte die aͤlteſte, das waͤr mir recht, daß du dich dort ſehen ließeſt, wir muͤßten uns ſchaͤmen, wenn die Leute hoͤrten, daß du unſere Schweſter waͤreſt; du gehoͤrſt in die Kuͤche, da haſt du eine Schuͤſſel voll Linſen, wann wir wieder kommen muß ſie geleſen ſeyn, und huͤt dich, daß keine boͤſe darunter iſt, ſonſt haſt du nichts Gutes zu erwarten.“ Damit gingen ſie fort, und Aſchenputtel ſtand und ſah ihnen nach, und als es nichts mehr ſehen konnte, ging es traurig in die Kuͤ- che, und ſchuͤttete die Linſen auf den Heerd, da war es ein großer, großer Haufen. „Ach, ſagte es und ſeufzte dabei, da muß ich dran leſen bis Mitternacht und darf die Augen nicht zufallen laſſen, und wenn ſie mir noch ſo weh thun, wenn das meine Mutter wuͤßte!“ Da

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/124>, abgerufen am 21.11.2024.