der Mann eine andere Frau. Die Stiefmut- ter aber hatte schon zwei Töchter, von ihrem ersten Mann, die waren von Angesicht schön, von Herzen aber stolz und hoffährtig und bös. Wie nun die Hochzeit gewesen, und alle drei in das Haus gefahren kamen, da ging schlim- me Zeit für das arme Kind an. "Was macht der garstige Unnütz in den Stuben, sagte die Stiefmutter, fort mit ihr in die Küche, wenn sie Brod essen will, muß sies erst verdient ha- ben, sie kann unsere Magd seyn." Da nah- men ihm die Stiefschwestern die Kleider weg, und zogen ihm einen alten grauen Rock an: "der ist gut für dich!" sagten sie, lachten es aus und führten es in die Küche. Da mußte das arme Kind so schwere Arbeit thun: früh vor Tag aufstehen, Wasser tragen, Feuer an- machen, kochen und waschen und die Stief- schwestern thaten ihm noch alles gebrannte Her- zeleid an, spotteten es, schütteten ihm Erbsen und Linsen in die Asche, da mußte es den gan- zen Tag sitzen und sie wieder auslesen. Wenn es müd war Abends kam es in kein Bett, son- dern mußte sich neben dem Heerd in die Asche legen. Und weil es da immer in Asche und Staub herumwühlte und schmutzig aussah, ga- ben sie ihm den Namen Aschenputtel.
Auf eine Zeit stellte der König einen Ball an, der sollte in aller Pracht drei Tage dauern,
der Mann eine andere Frau. Die Stiefmut- ter aber hatte ſchon zwei Toͤchter, von ihrem erſten Mann, die waren von Angeſicht ſchoͤn, von Herzen aber ſtolz und hoffaͤhrtig und boͤs. Wie nun die Hochzeit geweſen, und alle drei in das Haus gefahren kamen, da ging ſchlim- me Zeit fuͤr das arme Kind an. „Was macht der garſtige Unnuͤtz in den Stuben, ſagte die Stiefmutter, fort mit ihr in die Kuͤche, wenn ſie Brod eſſen will, muß ſies erſt verdient ha- ben, ſie kann unſere Magd ſeyn.“ Da nah- men ihm die Stiefſchweſtern die Kleider weg, und zogen ihm einen alten grauen Rock an: „der iſt gut fuͤr dich!“ ſagten ſie, lachten es aus und fuͤhrten es in die Kuͤche. Da mußte das arme Kind ſo ſchwere Arbeit thun: fruͤh vor Tag aufſtehen, Waſſer tragen, Feuer an- machen, kochen und waſchen und die Stief- ſchweſtern thaten ihm noch alles gebrannte Her- zeleid an, ſpotteten es, ſchuͤtteten ihm Erbſen und Linſen in die Aſche, da mußte es den gan- zen Tag ſitzen und ſie wieder ausleſen. Wenn es muͤd war Abends kam es in kein Bett, ſon- dern mußte ſich neben dem Heerd in die Aſche legen. Und weil es da immer in Aſche und Staub herumwuͤhlte und ſchmutzig ausſah, ga- ben ſie ihm den Namen Aſchenputtel.
Auf eine Zeit ſtellte der Koͤnig einen Ball an, der ſollte in aller Pracht drei Tage dauern,
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der Mann eine andere Frau. Die Stiefmut-
ter aber hatte ſchon zwei Toͤchter, von ihrem
erſten Mann, die waren von Angeſicht ſchoͤn,
von Herzen aber ſtolz und hoffaͤhrtig und boͤs.
Wie nun die Hochzeit geweſen, und alle drei
in das Haus gefahren kamen, da ging ſchlim-
me Zeit fuͤr das arme Kind an. „Was macht
der garſtige Unnuͤtz in den Stuben, ſagte die
Stiefmutter, fort mit ihr in die Kuͤche, wenn
ſie Brod eſſen will, muß ſies erſt verdient ha-
ben, ſie kann unſere Magd ſeyn.“ Da nah-
men ihm die Stiefſchweſtern die Kleider weg,
und zogen ihm einen alten grauen Rock an:
„der iſt gut fuͤr dich!“ ſagten ſie, lachten es
aus und fuͤhrten es in die Kuͤche. Da mußte
das arme Kind ſo ſchwere Arbeit thun: fruͤh
vor Tag aufſtehen, Waſſer tragen, Feuer an-
machen, kochen und waſchen und die Stief-
ſchweſtern thaten ihm noch alles gebrannte Her-
zeleid an, ſpotteten es, ſchuͤtteten ihm Erbſen
und Linſen in die Aſche, da mußte es den gan-
zen Tag ſitzen und ſie wieder ausleſen. Wenn
es muͤd war Abends kam es in kein Bett, ſon-
dern mußte ſich neben dem Heerd in die Aſche
legen. Und weil es da immer in Aſche und
Staub herumwuͤhlte und ſchmutzig ausſah, ga-
ben ſie ihm den Namen Aſchenputtel.
Auf eine Zeit ſtellte der Koͤnig einen Ball
an, der ſollte in aller Pracht drei Tage dauern,
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/123>, abgerufen am 21.11.2024.
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