Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

men wie an dem vorigen Abend und sagten:
"Aschenputtel, sollen wir dir die Erbsen le-
sen?" -- "Ja,

die schlechten ins Kröpfchen,
die guten ins Töpfchen."

Die Tauben pickten wieder die bösen heraus,
und waren bald damit fertig, dann sagten sie:
"Aschenputtel, schüttele das Bäumlein, das
wird dir noch schönere Kleider herunter werfen,
geh auf den Ball, aber hüte dich, daß du vor
Mitternacht wieder kommst." Aschenputtel
ging hin:
"Bäumlein rüttel dich und schüttel dich,
wirf schöne Kleider herab für mich."

Da fiel ein Kleid herab noch viel herrlicher und
prächtiger als das vorige, ganz von Gold und
Edelgesteinen, dabei goldgezwickelte Strümpfe
und goldene Pantoffel; und als Aschenputtel
damit angekleidet war, da glänzte es recht, wie
die Sonne am Mittag. Vor der Thüre hielt
ein Wagen mit sechs Schimmeln, die hatten
hohe weiße Federbüsche auf dem Kopf, und die
Bedienten waren in Roth und Gold gekleidet.
Als Aschenputtel ankam, stand schon der Prinz
auf der Treppe und führte sie in den Saal.
Und waren gestern alle über ihre Schönheit er-
staunt, so erstaunten sie heute noch mehr und

die

men wie an dem vorigen Abend und ſagten:
„Aſchenputtel, ſollen wir dir die Erbſen le-
ſen?“ — „Ja,

die ſchlechten ins Kroͤpfchen,
die guten ins Toͤpfchen.“

Die Tauben pickten wieder die boͤſen heraus,
und waren bald damit fertig, dann ſagten ſie:
„Aſchenputtel, ſchuͤttele das Baͤumlein, das
wird dir noch ſchoͤnere Kleider herunter werfen,
geh auf den Ball, aber huͤte dich, daß du vor
Mitternacht wieder kommſt.“ Aſchenputtel
ging hin:
„Baͤumlein ruͤttel dich und ſchuͤttel dich,
wirf ſchoͤne Kleider herab fuͤr mich.“

Da fiel ein Kleid herab noch viel herrlicher und
praͤchtiger als das vorige, ganz von Gold und
Edelgeſteinen, dabei goldgezwickelte Struͤmpfe
und goldene Pantoffel; und als Aſchenputtel
damit angekleidet war, da glaͤnzte es recht, wie
die Sonne am Mittag. Vor der Thuͤre hielt
ein Wagen mit ſechs Schimmeln, die hatten
hohe weiße Federbuͤſche auf dem Kopf, und die
Bedienten waren in Roth und Gold gekleidet.
Als Aſchenputtel ankam, ſtand ſchon der Prinz
auf der Treppe und fuͤhrte ſie in den Saal.
Und waren geſtern alle uͤber ihre Schoͤnheit er-
ſtaunt, ſo erſtaunten ſie heute noch mehr und

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0130" n="96"/>
men wie an dem vorigen Abend und &#x017F;agten:<lb/>
&#x201E;A&#x017F;chenputtel, &#x017F;ollen wir dir die Erb&#x017F;en le-<lb/>
&#x017F;en?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Ja,<lb/><lg type="poem"><l>die &#x017F;chlechten ins Kro&#x0364;pfchen,</l><lb/><l>die guten ins To&#x0364;pfchen.&#x201C;</l></lg><lb/>
Die Tauben pickten wieder die bo&#x0364;&#x017F;en heraus,<lb/>
und waren bald damit fertig, dann &#x017F;agten &#x017F;ie:<lb/>
&#x201E;A&#x017F;chenputtel, &#x017F;chu&#x0364;ttele das Ba&#x0364;umlein, das<lb/>
wird dir noch &#x017F;cho&#x0364;nere Kleider herunter werfen,<lb/>
geh auf den Ball, aber hu&#x0364;te dich, daß du vor<lb/>
Mitternacht wieder komm&#x017F;t.&#x201C; A&#x017F;chenputtel<lb/>
ging hin:<lb/><lg type="poem"><l>&#x201E;Ba&#x0364;umlein ru&#x0364;ttel dich und &#x017F;chu&#x0364;ttel dich,</l><lb/><l>wirf &#x017F;cho&#x0364;ne Kleider herab fu&#x0364;r mich.&#x201C;</l></lg><lb/>
Da fiel ein Kleid herab noch viel herrlicher und<lb/>
pra&#x0364;chtiger als das vorige, ganz von Gold und<lb/>
Edelge&#x017F;teinen, dabei goldgezwickelte Stru&#x0364;mpfe<lb/>
und goldene Pantoffel; und als A&#x017F;chenputtel<lb/>
damit angekleidet war, da gla&#x0364;nzte es recht, wie<lb/>
die Sonne am Mittag. Vor der Thu&#x0364;re hielt<lb/>
ein Wagen mit &#x017F;echs Schimmeln, die hatten<lb/>
hohe weiße Federbu&#x0364;&#x017F;che auf dem Kopf, und die<lb/>
Bedienten waren in Roth und Gold gekleidet.<lb/>
Als A&#x017F;chenputtel ankam, &#x017F;tand &#x017F;chon der Prinz<lb/>
auf der Treppe und fu&#x0364;hrte &#x017F;ie in den Saal.<lb/>
Und waren ge&#x017F;tern alle u&#x0364;ber ihre Scho&#x0364;nheit er-<lb/>
&#x017F;taunt, &#x017F;o er&#x017F;taunten &#x017F;ie heute noch mehr und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0130] men wie an dem vorigen Abend und ſagten: „Aſchenputtel, ſollen wir dir die Erbſen le- ſen?“ — „Ja, die ſchlechten ins Kroͤpfchen, die guten ins Toͤpfchen.“ Die Tauben pickten wieder die boͤſen heraus, und waren bald damit fertig, dann ſagten ſie: „Aſchenputtel, ſchuͤttele das Baͤumlein, das wird dir noch ſchoͤnere Kleider herunter werfen, geh auf den Ball, aber huͤte dich, daß du vor Mitternacht wieder kommſt.“ Aſchenputtel ging hin: „Baͤumlein ruͤttel dich und ſchuͤttel dich, wirf ſchoͤne Kleider herab fuͤr mich.“ Da fiel ein Kleid herab noch viel herrlicher und praͤchtiger als das vorige, ganz von Gold und Edelgeſteinen, dabei goldgezwickelte Struͤmpfe und goldene Pantoffel; und als Aſchenputtel damit angekleidet war, da glaͤnzte es recht, wie die Sonne am Mittag. Vor der Thuͤre hielt ein Wagen mit ſechs Schimmeln, die hatten hohe weiße Federbuͤſche auf dem Kopf, und die Bedienten waren in Roth und Gold gekleidet. Als Aſchenputtel ankam, ſtand ſchon der Prinz auf der Treppe und fuͤhrte ſie in den Saal. Und waren geſtern alle uͤber ihre Schoͤnheit er- ſtaunt, ſo erſtaunten ſie heute noch mehr und die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/130
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/130>, abgerufen am 21.11.2024.