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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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aber verschlossen. Und wie es das Beinchen
hervorholen wollte, da hatte es das Beinchen
unterweges verloren. Da wußte es sich gar
nicht zu helfen, weil es gar keinen Schlüssel
fand, nahm ein Messer und schnitt sich das
kleine Fingerchen ab, steckte es in das Thor
und schloß glücklich auf. Da kam ein Zwerg-
lein entgegen und sagte: mein Kind, was suchst
du hier? "ich suche meine Brüder, die drei
Raben." Die Herren Raben sind nicht zu Haus,
sprach das Zwerglein, willst du aber hierinnen
warten, so tritt ein, und das Zwerglein brachte
drei Tellerchen getragen und drei Becherchen,
und von jedem Tellerchen aß Schwesterchen ein
Bischen und aus jedem Becherchen trank es
ein Schlückchen und in das letzte Becherchen
ließ es das Ringlein fallen. Auf einmal hörte
es in der Luft ein Geschwirr und ein Geweh,
da sagte das Zwerglein: die Herren Raben
kommen heim geflogen. Und die Raben fingen
jeder an und sprachen: wer hat von meinem
Tellerchen gegessen?

Wer hat aus meinem Becherchen getrunken?
wie der dritte Rab aber seinem Becherchen auf
den Grund kam, da fand er den Ring, und sah
wohl, daß Schwesterchen angekommen war. Da
erkannten sie es am Ring, und da waren sie
alle wieder erlöst und gingen frölich heim.


26.

aber verſchloſſen. Und wie es das Beinchen
hervorholen wollte, da hatte es das Beinchen
unterweges verloren. Da wußte es ſich gar
nicht zu helfen, weil es gar keinen Schluͤſſel
fand, nahm ein Meſſer und ſchnitt ſich das
kleine Fingerchen ab, ſteckte es in das Thor
und ſchloß gluͤcklich auf. Da kam ein Zwerg-
lein entgegen und ſagte: mein Kind, was ſuchſt
du hier? „ich ſuche meine Bruͤder, die drei
Raben.“ Die Herren Raben ſind nicht zu Haus,
ſprach das Zwerglein, willſt du aber hierinnen
warten, ſo tritt ein, und das Zwerglein brachte
drei Tellerchen getragen und drei Becherchen,
und von jedem Tellerchen aß Schweſterchen ein
Bischen und aus jedem Becherchen trank es
ein Schluͤckchen und in das letzte Becherchen
ließ es das Ringlein fallen. Auf einmal hoͤrte
es in der Luft ein Geſchwirr und ein Geweh,
da ſagte das Zwerglein: die Herren Raben
kommen heim geflogen. Und die Raben fingen
jeder an und ſprachen: wer hat von meinem
Tellerchen gegeſſen?

Wer hat aus meinem Becherchen getrunken?
wie der dritte Rab aber ſeinem Becherchen auf
den Grund kam, da fand er den Ring, und ſah
wohl, daß Schweſterchen angekommen war. Da
erkannten ſie es am Ring, und da waren ſie
alle wieder erloͤſt und gingen froͤlich heim.


26.
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[112/0146] aber verſchloſſen. Und wie es das Beinchen hervorholen wollte, da hatte es das Beinchen unterweges verloren. Da wußte es ſich gar nicht zu helfen, weil es gar keinen Schluͤſſel fand, nahm ein Meſſer und ſchnitt ſich das kleine Fingerchen ab, ſteckte es in das Thor und ſchloß gluͤcklich auf. Da kam ein Zwerg- lein entgegen und ſagte: mein Kind, was ſuchſt du hier? „ich ſuche meine Bruͤder, die drei Raben.“ Die Herren Raben ſind nicht zu Haus, ſprach das Zwerglein, willſt du aber hierinnen warten, ſo tritt ein, und das Zwerglein brachte drei Tellerchen getragen und drei Becherchen, und von jedem Tellerchen aß Schweſterchen ein Bischen und aus jedem Becherchen trank es ein Schluͤckchen und in das letzte Becherchen ließ es das Ringlein fallen. Auf einmal hoͤrte es in der Luft ein Geſchwirr und ein Geweh, da ſagte das Zwerglein: die Herren Raben kommen heim geflogen. Und die Raben fingen jeder an und ſprachen: wer hat von meinem Tellerchen gegeſſen? Wer hat aus meinem Becherchen getrunken? wie der dritte Rab aber ſeinem Becherchen auf den Grund kam, da fand er den Ring, und ſah wohl, daß Schweſterchen angekommen war. Da erkannten ſie es am Ring, und da waren ſie alle wieder erloͤſt und gingen froͤlich heim. 26.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/146>, abgerufen am 21.11.2024.