Darauf befragt er den andern: "wo hast du dein Wesen gehabt?" -- "Zu Hofe," spricht der Sohn. -- "Sperling und alberne Vöglein dienen nicht an diesem Ort, da viel Gold, Sammet, Seiden, Wehr, Harnisch, Sperber, Kautzen und Blaufüß sind, halt dich zum Roßstall, da man den Haber schwingt, oder wo man drischet, so kann dirs Glück mit gutem Fried auch dein täglich Körnlein be- scheeren." -- "Ja Vater, sagt dieser Sohn, wenn aber die Stalljungen Hebritzen machen und ihr Maschen und Schlingen ins Stroh binden, da bleibt auch mancher behenken." -- "Wo hast du das gesehn?" sagte der Alte. -- "Zu Hof, beim Roßbuben." -- "O! mein Sohn, Hofbuben, böse Buben, bist du zu Hof und um die Herren gewesen, und hast keine Fe- dern da gelassen, so hast du ziemlich gelernet, du wirst dich in der Welt wohl wissen auszu- reißen, doch siehe dich um und auf; die Wölfe fressen auch oft die gescheidten Hündlein."
Der Vater nimmt den dritten auch vor sich: "wo hast du dein Heil versucht?" -- "Auf den Fahrwegen und Landstraßen hab ich Kübel und Seil eingeworfen und da bisweilen ein Körnlein oder Gräuplein angetroffen." -- "Dies ist ja, sagt der Vater, eine feine Nah- rung, aber merk gleich wohl auf die Schanz, und siehe fleißig auf, sonderlich wenn sich einer
Darauf befragt er den andern: „wo haſt du dein Weſen gehabt?“ — „Zu Hofe,“ ſpricht der Sohn. — „Sperling und alberne Voͤglein dienen nicht an dieſem Ort, da viel Gold, Sammet, Seiden, Wehr, Harniſch, Sperber, Kautzen und Blaufuͤß ſind, halt dich zum Roßſtall, da man den Haber ſchwingt, oder wo man driſchet, ſo kann dirs Gluͤck mit gutem Fried auch dein taͤglich Koͤrnlein be- ſcheeren.“ — „Ja Vater, ſagt dieſer Sohn, wenn aber die Stalljungen Hebritzen machen und ihr Maſchen und Schlingen ins Stroh binden, da bleibt auch mancher behenken.“ — „Wo haſt du das geſehn?“ ſagte der Alte. — „Zu Hof, beim Roßbuben.“ — „O! mein Sohn, Hofbuben, boͤſe Buben, biſt du zu Hof und um die Herren geweſen, und haſt keine Fe- dern da gelaſſen, ſo haſt du ziemlich gelernet, du wirſt dich in der Welt wohl wiſſen auszu- reißen, doch ſiehe dich um und auf; die Woͤlfe freſſen auch oft die geſcheidten Huͤndlein.“
Der Vater nimmt den dritten auch vor ſich: „wo haſt du dein Heil verſucht?“ — „Auf den Fahrwegen und Landſtraßen hab ich Kuͤbel und Seil eingeworfen und da bisweilen ein Koͤrnlein oder Graͤuplein angetroffen.“ — „Dies iſt ja, ſagt der Vater, eine feine Nah- rung, aber merk gleich wohl auf die Schanz, und ſiehe fleißig auf, ſonderlich wenn ſich einer
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Darauf befragt er den andern: „wo haſt
du dein Weſen gehabt?“ — „Zu Hofe,“
ſpricht der Sohn. — „Sperling und alberne
Voͤglein dienen nicht an dieſem Ort, da viel
Gold, Sammet, Seiden, Wehr, Harniſch,
Sperber, Kautzen und Blaufuͤß ſind, halt dich
zum Roßſtall, da man den Haber ſchwingt,
oder wo man driſchet, ſo kann dirs Gluͤck mit
gutem Fried auch dein taͤglich Koͤrnlein be-
ſcheeren.“ — „Ja Vater, ſagt dieſer Sohn,
wenn aber die Stalljungen Hebritzen machen
und ihr Maſchen und Schlingen ins Stroh
binden, da bleibt auch mancher behenken.“ —
„Wo haſt du das geſehn?“ ſagte der Alte. —
„Zu Hof, beim Roßbuben.“ — „O! mein
Sohn, Hofbuben, boͤſe Buben, biſt du zu Hof
und um die Herren geweſen, und haſt keine Fe-
dern da gelaſſen, ſo haſt du ziemlich gelernet,
du wirſt dich in der Welt wohl wiſſen auszu-
reißen, doch ſiehe dich um und auf; die Woͤlfe
freſſen auch oft die geſcheidten Huͤndlein.“
Der Vater nimmt den dritten auch vor
ſich: „wo haſt du dein Heil verſucht?“ —
„Auf den Fahrwegen und Landſtraßen hab ich
Kuͤbel und Seil eingeworfen und da bisweilen
ein Koͤrnlein oder Graͤuplein angetroffen.“ —
„Dies iſt ja, ſagt der Vater, eine feine Nah-
rung, aber merk gleich wohl auf die Schanz,
und ſiehe fleißig auf, ſonderlich wenn ſich einer
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/192>, abgerufen am 16.02.2025.
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