bücket, und einen Stein aufheben will, da ist dir nicht lang zu bleiben." -- "Wahr ists, sagt der Sohn; wenn aber einer zuvor einen Wand oder Handstein im Busen oder Tasche trüge?" -- "Wo hast du dies gesehn?" -- Bei'n Bergleuten, lieber Vater, wenn sie aus- fahren führen sie gemeinlich Handstein bei sich." -- "Bergleut, Werkleut, anschlägige Leut, bist du um Bergburschen gewesen, so hast du was gesehen und erfahren."
"Fahr hin und nimm deiner Sachen gleichwohl gut Acht, Bergbuben haben manchen Sperling mit Kobold umbracht."
Endlich kommt der Vater an jüngsten Sohn: "Du mein liebes Gackennestle, du warest allzeit der alberst und schwächest, bleib du bei mir, die Welt hat viel grober und bö- ser Vögel, die krumme Schnäbel und lange Krallen haben, und nur auf arme Vöglein lauern, und sie verschlucken, halt dich zu dei- nesgleichen, und lies die Spinnlein und Räup- lein von den Bäumen, oder Häuslein, so bleibst du lang zufrieden." -- "Du, mein lieber Va- ter, wer sich nährt ohn' ander Leut Schaden, der kommt lang hin, und kein Sperber, Ha- bicht, Aar oder Weih wird ihm nicht schaden, wenn er zumal sich und seine ehrliche Nahrung dem lieben Gott all Abend und Morgen treu-
buͤcket, und einen Stein aufheben will, da iſt dir nicht lang zu bleiben.“ — „Wahr iſts, ſagt der Sohn; wenn aber einer zuvor einen Wand oder Handſtein im Buſen oder Taſche truͤge?“ — „Wo haſt du dies geſehn?“ — Bei'n Bergleuten, lieber Vater, wenn ſie aus- fahren fuͤhren ſie gemeinlich Handſtein bei ſich.“ — „Bergleut, Werkleut, anſchlaͤgige Leut, biſt du um Bergburſchen geweſen, ſo haſt du was geſehen und erfahren.“
„Fahr hin und nimm deiner Sachen gleichwohl gut Acht, Bergbuben haben manchen Sperling mit Kobold umbracht.“
Endlich kommt der Vater an juͤngſten Sohn: „Du mein liebes Gackenneſtle, du wareſt allzeit der alberſt und ſchwaͤcheſt, bleib du bei mir, die Welt hat viel grober und boͤ- ſer Voͤgel, die krumme Schnaͤbel und lange Krallen haben, und nur auf arme Voͤglein lauern, und ſie verſchlucken, halt dich zu dei- nesgleichen, und lies die Spinnlein und Raͤup- lein von den Baͤumen, oder Haͤuslein, ſo bleibſt du lang zufrieden.“ — „Du, mein lieber Va- ter, wer ſich naͤhrt ohn' ander Leut Schaden, der kommt lang hin, und kein Sperber, Ha- bicht, Aar oder Weih wird ihm nicht ſchaden, wenn er zumal ſich und ſeine ehrliche Nahrung dem lieben Gott all Abend und Morgen treu-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0193"n="159"/>
buͤcket, und einen Stein aufheben will, da iſt<lb/>
dir nicht lang zu bleiben.“—„Wahr iſts,<lb/>ſagt der Sohn; wenn aber einer zuvor einen<lb/>
Wand oder Handſtein im Buſen oder Taſche<lb/>
truͤge?“—„Wo haſt du dies geſehn?“—<lb/>
Bei'n Bergleuten, lieber Vater, wenn ſie aus-<lb/>
fahren fuͤhren ſie gemeinlich Handſtein bei ſich.“<lb/>—„Bergleut, Werkleut, anſchlaͤgige Leut, biſt<lb/>
du um Bergburſchen geweſen, ſo haſt du was<lb/>
geſehen und erfahren.“</p><lb/><lgtype="poem"><l>„Fahr hin und nimm deiner Sachen gleichwohl</l><lb/><l>gut Acht,</l><lb/><l>Bergbuben haben manchen Sperling mit Kobold</l><lb/><l>umbracht.“</l></lg><lb/><p>Endlich kommt der Vater an juͤngſten<lb/>
Sohn: „Du mein liebes Gackenneſtle, du<lb/>
wareſt allzeit der alberſt und ſchwaͤcheſt, bleib<lb/>
du bei mir, die Welt hat viel grober und boͤ-<lb/>ſer Voͤgel, die krumme Schnaͤbel und lange<lb/>
Krallen haben, und nur auf arme Voͤglein<lb/>
lauern, und ſie verſchlucken, halt dich zu dei-<lb/>
nesgleichen, und lies die Spinnlein und Raͤup-<lb/>
lein von den Baͤumen, oder Haͤuslein, ſo bleibſt<lb/>
du lang zufrieden.“—„Du, mein lieber Va-<lb/>
ter, wer ſich naͤhrt ohn' ander Leut Schaden,<lb/>
der kommt lang hin, und kein Sperber, Ha-<lb/>
bicht, Aar oder Weih wird ihm nicht ſchaden,<lb/>
wenn er zumal ſich und ſeine ehrliche Nahrung<lb/>
dem lieben Gott all Abend und Morgen treu-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[159/0193]
buͤcket, und einen Stein aufheben will, da iſt
dir nicht lang zu bleiben.“ — „Wahr iſts,
ſagt der Sohn; wenn aber einer zuvor einen
Wand oder Handſtein im Buſen oder Taſche
truͤge?“ — „Wo haſt du dies geſehn?“ —
Bei'n Bergleuten, lieber Vater, wenn ſie aus-
fahren fuͤhren ſie gemeinlich Handſtein bei ſich.“
— „Bergleut, Werkleut, anſchlaͤgige Leut, biſt
du um Bergburſchen geweſen, ſo haſt du was
geſehen und erfahren.“
„Fahr hin und nimm deiner Sachen gleichwohl
gut Acht,
Bergbuben haben manchen Sperling mit Kobold
umbracht.“
Endlich kommt der Vater an juͤngſten
Sohn: „Du mein liebes Gackenneſtle, du
wareſt allzeit der alberſt und ſchwaͤcheſt, bleib
du bei mir, die Welt hat viel grober und boͤ-
ſer Voͤgel, die krumme Schnaͤbel und lange
Krallen haben, und nur auf arme Voͤglein
lauern, und ſie verſchlucken, halt dich zu dei-
nesgleichen, und lies die Spinnlein und Raͤup-
lein von den Baͤumen, oder Haͤuslein, ſo bleibſt
du lang zufrieden.“ — „Du, mein lieber Va-
ter, wer ſich naͤhrt ohn' ander Leut Schaden,
der kommt lang hin, und kein Sperber, Ha-
bicht, Aar oder Weih wird ihm nicht ſchaden,
wenn er zumal ſich und ſeine ehrliche Nahrung
dem lieben Gott all Abend und Morgen treu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/193>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.