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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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"Nun so komm nach Haus" damit zog er
sie in den Stall und versicherte den Vater, daß
sie sich satt gefressen. Der Alte aber ging wie-
der hin: "Ziege, bist du satt?"

"Wie sollt ich satt seyn?
ich sprang nur über Gräbelein
und fand kein einzig Blättelein meh! meh!"

Da jagte er auch seinen dritten Sohn mit
Schlägen zum Haus hinaus.

Der Schuster wollte nun selber seine Ziege
auf die Weide treiben, band sie an ein Seil
und führte sie mitten unter die besten Kräuter;
die Ziege aber fraß darin den ganzen Tag.
Abends fragte er: Ziege, bist du satt?"

"Ich bin so satt,
ich mag kein Blatt meh! meh!"

"Nun so komm nach Haus" sagte er und
zog sie in den Stall, als er sie festgeknüpft
hatte, fragte er noch einmal: "Ziege, du bist
doch satt?" Die Ziege aber antwortete ihm,
nun auch:

"Wie sollt ich satt seyn?
ich sprang nur über Gräbelein
und fand kein einzig Blättelein, meh! meh!"

Wie der Schuster das hörte, da sah er
das er seine drei Söhne unschuldig fortgejagt
hatte, und ward über die boshafte Ziege so zor-
nig, daß er sein Rasirmesser holte, ihr den gan-
zen Kopf kahl scheerte und sie fortpeitschte.


L 2

„Nun ſo komm nach Haus“ damit zog er
ſie in den Stall und verſicherte den Vater, daß
ſie ſich ſatt gefreſſen. Der Alte aber ging wie-
der hin: „Ziege, biſt du ſatt?“

„Wie ſollt ich ſatt ſeyn?
ich ſprang nur uͤber Graͤbelein
und fand kein einzig Blaͤttelein meh! meh!“

Da jagte er auch ſeinen dritten Sohn mit
Schlaͤgen zum Haus hinaus.

Der Schuſter wollte nun ſelber ſeine Ziege
auf die Weide treiben, band ſie an ein Seil
und fuͤhrte ſie mitten unter die beſten Kraͤuter;
die Ziege aber fraß darin den ganzen Tag.
Abends fragte er: Ziege, biſt du ſatt?“

„Ich bin ſo ſatt,
ich mag kein Blatt meh! meh!“

„Nun ſo komm nach Haus“ ſagte er und
zog ſie in den Stall, als er ſie feſtgeknuͤpft
hatte, fragte er noch einmal: „Ziege, du biſt
doch ſatt?“ Die Ziege aber antwortete ihm,
nun auch:

„Wie ſollt ich ſatt ſeyn?
ich ſprang nur uͤber Graͤbelein
und fand kein einzig Blaͤttelein, meh! meh!“

Wie der Schuſter das hoͤrte, da ſah er
das er ſeine drei Soͤhne unſchuldig fortgejagt
hatte, und ward uͤber die boshafte Ziege ſo zor-
nig, daß er ſein Raſirmeſſer holte, ihr den gan-
zen Kopf kahl ſcheerte und ſie fortpeitſchte.


L 2
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[163/0197] „Nun ſo komm nach Haus“ damit zog er ſie in den Stall und verſicherte den Vater, daß ſie ſich ſatt gefreſſen. Der Alte aber ging wie- der hin: „Ziege, biſt du ſatt?“ „Wie ſollt ich ſatt ſeyn? ich ſprang nur uͤber Graͤbelein und fand kein einzig Blaͤttelein meh! meh!“ Da jagte er auch ſeinen dritten Sohn mit Schlaͤgen zum Haus hinaus. Der Schuſter wollte nun ſelber ſeine Ziege auf die Weide treiben, band ſie an ein Seil und fuͤhrte ſie mitten unter die beſten Kraͤuter; die Ziege aber fraß darin den ganzen Tag. Abends fragte er: Ziege, biſt du ſatt?“ „Ich bin ſo ſatt, ich mag kein Blatt meh! meh!“ „Nun ſo komm nach Haus“ ſagte er und zog ſie in den Stall, als er ſie feſtgeknuͤpft hatte, fragte er noch einmal: „Ziege, du biſt doch ſatt?“ Die Ziege aber antwortete ihm, nun auch: „Wie ſollt ich ſatt ſeyn? ich ſprang nur uͤber Graͤbelein und fand kein einzig Blaͤttelein, meh! meh!“ Wie der Schuſter das hoͤrte, da ſah er das er ſeine drei Soͤhne unſchuldig fortgejagt hatte, und ward uͤber die boshafte Ziege ſo zor- nig, daß er ſein Raſirmeſſer holte, ihr den gan- zen Kopf kahl ſcheerte und ſie fortpeitſchte. L 2

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/197>, abgerufen am 21.11.2024.