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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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ter kriegen, so viel sie auch wischte und schabte.
Als der Mann wieder kam, verlangte er das
Ei und den Schlüssel, sah beide an, und da
sah er, daß sie in der Blutkammer gewesen
war. "Hast du auf meine Worte nicht geach-
tet, sagte er zornig, so sollst du nun gegen dei-
nen Willen in die Kammer kommen;" damit
ergriff er sie, führte sie hin und zerhackte sie,
und warf sie zu den andern ins Becken. Nach
einiger Zeit ging der Mann wieder betteln und
fing die zweite Tochter aus dem Haus; der ge-
schah wie der ersten, sie schloß auch die verbo-
tene Thüre auf, ließ das Ei ins Blut fallen,
und ward zerhackt und zu ihr in das Becken
geworfen. Da wollte der Hexenmeister auch
die dritte Tochter haben, fängt sie auch in sei-
ner Kötze, trägt sie heim, und giebt ihr bei sei-
ner Abreise das Ei und den Schlüssel. Die
dritte Schwester aber war klug und listig; sie
schloß das Ei erst ein und ging dann in die
heimliche Kammer, und wie sie ihre Schwestern
in dem Blutbecken findet, sucht sie und sucht
alles zusammen und legts zurecht, Kopf, Leib,
Arm und Bein; da fangen die Glieder an sich
zu regen, und schließen sich aneinander und die
zwei werden wieder lebendig. Da führte sie
beide heraus und versteckte sie, und als der
Mann heim kam und das Ei ohne Blut fand,
bat er sie, sie mögte seine Braut werden. Sie

ter kriegen, ſo viel ſie auch wiſchte und ſchabte.
Als der Mann wieder kam, verlangte er das
Ei und den Schluͤſſel, ſah beide an, und da
ſah er, daß ſie in der Blutkammer geweſen
war. „Haſt du auf meine Worte nicht geach-
tet, ſagte er zornig, ſo ſollſt du nun gegen dei-
nen Willen in die Kammer kommen;“ damit
ergriff er ſie, fuͤhrte ſie hin und zerhackte ſie,
und warf ſie zu den andern ins Becken. Nach
einiger Zeit ging der Mann wieder betteln und
fing die zweite Tochter aus dem Haus; der ge-
ſchah wie der erſten, ſie ſchloß auch die verbo-
tene Thuͤre auf, ließ das Ei ins Blut fallen,
und ward zerhackt und zu ihr in das Becken
geworfen. Da wollte der Hexenmeiſter auch
die dritte Tochter haben, faͤngt ſie auch in ſei-
ner Koͤtze, traͤgt ſie heim, und giebt ihr bei ſei-
ner Abreiſe das Ei und den Schluͤſſel. Die
dritte Schweſter aber war klug und liſtig; ſie
ſchloß das Ei erſt ein und ging dann in die
heimliche Kammer, und wie ſie ihre Schweſtern
in dem Blutbecken findet, ſucht ſie und ſucht
alles zuſammen und legts zurecht, Kopf, Leib,
Arm und Bein; da fangen die Glieder an ſich
zu regen, und ſchließen ſich aneinander und die
zwei werden wieder lebendig. Da fuͤhrte ſie
beide heraus und verſteckte ſie, und als der
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[201/0235] ter kriegen, ſo viel ſie auch wiſchte und ſchabte. Als der Mann wieder kam, verlangte er das Ei und den Schluͤſſel, ſah beide an, und da ſah er, daß ſie in der Blutkammer geweſen war. „Haſt du auf meine Worte nicht geach- tet, ſagte er zornig, ſo ſollſt du nun gegen dei- nen Willen in die Kammer kommen;“ damit ergriff er ſie, fuͤhrte ſie hin und zerhackte ſie, und warf ſie zu den andern ins Becken. Nach einiger Zeit ging der Mann wieder betteln und fing die zweite Tochter aus dem Haus; der ge- ſchah wie der erſten, ſie ſchloß auch die verbo- tene Thuͤre auf, ließ das Ei ins Blut fallen, und ward zerhackt und zu ihr in das Becken geworfen. Da wollte der Hexenmeiſter auch die dritte Tochter haben, faͤngt ſie auch in ſei- ner Koͤtze, traͤgt ſie heim, und giebt ihr bei ſei- ner Abreiſe das Ei und den Schluͤſſel. Die dritte Schweſter aber war klug und liſtig; ſie ſchloß das Ei erſt ein und ging dann in die heimliche Kammer, und wie ſie ihre Schweſtern in dem Blutbecken findet, ſucht ſie und ſucht alles zuſammen und legts zurecht, Kopf, Leib, Arm und Bein; da fangen die Glieder an ſich zu regen, und ſchließen ſich aneinander und die zwei werden wieder lebendig. Da fuͤhrte ſie beide heraus und verſteckte ſie, und als der Mann heim kam und das Ei ohne Blut fand, bat er ſie, ſie moͤgte ſeine Braut werden. Sie

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/235>, abgerufen am 21.11.2024.