Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Fundevogel: "nun und nimmermehr." So
sprach Lehnchen: "werde du zum Teich und ich
die Ente drauf!" Die Köchin aber kam herzu
und als sie den Teich sahe, legte sie sich drüber
hin und wollte ihn aussaufen. Aber die Ente
kam schnell geschwommen, faßte sie mit ihrem
Schnabel beim Kopf und zog sie ins Wasser
hinein, da mußte die alte Hexe ertrinken. Da
gingen die Kinder zusammen nach Haus, und
waren herzlich froh, und wenn sie nicht gestor-
ben sind, leben sie noch.

52.
König Droßelbart.

Ein König hatte eine Tochter, die war
wunderschön, aber so stolz und übermüthig, daß
sie aus Eigensinn einen Freier nach dem andern
abwies und Spott mit ihnen trieb. Der König
ließ einmal ein großes Fest anstellen, und lud da-
zu alle heirathslustigen Männer ein, die wurden
in eine Reihe, nach ihrem Rang und Stand
geordnet, erst kamen die Könige, dann die Her-
zogen, Fürsten, Grafen und Barone, zuletzt
die Edelleute, da wurde die Königstochter durch
die Reihen geführt, aber an jedem hatte sie im-
mer etwas auszusetzen. Besonders machte sie sich
über einen guten König lustig, der ganz oben
an stand und dem das Kinn krumm gewachsen

Fundevogel: „nun und nimmermehr.“ So
ſprach Lehnchen: „werde du zum Teich und ich
die Ente drauf!“ Die Koͤchin aber kam herzu
und als ſie den Teich ſahe, legte ſie ſich druͤber
hin und wollte ihn ausſaufen. Aber die Ente
kam ſchnell geſchwommen, faßte ſie mit ihrem
Schnabel beim Kopf und zog ſie ins Waſſer
hinein, da mußte die alte Hexe ertrinken. Da
gingen die Kinder zuſammen nach Haus, und
waren herzlich froh, und wenn ſie nicht geſtor-
ben ſind, leben ſie noch.

52.
Koͤnig Droßelbart.

Ein Koͤnig hatte eine Tochter, die war
wunderſchoͤn, aber ſo ſtolz und uͤbermuͤthig, daß
ſie aus Eigenſinn einen Freier nach dem andern
abwies und Spott mit ihnen trieb. Der Koͤnig
ließ einmal ein großes Feſt anſtellen, und lud da-
zu alle heirathsluſtigen Maͤnner ein, die wurden
in eine Reihe, nach ihrem Rang und Stand
geordnet, erſt kamen die Koͤnige, dann die Her-
zogen, Fuͤrſten, Grafen und Barone, zuletzt
die Edelleute, da wurde die Koͤnigstochter durch
die Reihen gefuͤhrt, aber an jedem hatte ſie im-
mer etwas auszuſetzen. Beſonders machte ſie ſich
uͤber einen guten Koͤnig luſtig, der ganz oben
an ſtand und dem das Kinn krumm gewachſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0267" n="233"/>
Fundevogel: &#x201E;nun und nimmermehr.&#x201C; So<lb/>
&#x017F;prach Lehnchen: &#x201E;werde du zum Teich und ich<lb/>
die Ente drauf!&#x201C; Die Ko&#x0364;chin aber kam herzu<lb/>
und als &#x017F;ie den Teich &#x017F;ahe, legte &#x017F;ie &#x017F;ich dru&#x0364;ber<lb/>
hin und wollte ihn aus&#x017F;aufen. Aber die Ente<lb/>
kam &#x017F;chnell ge&#x017F;chwommen, faßte &#x017F;ie mit ihrem<lb/>
Schnabel beim Kopf und zog &#x017F;ie ins Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
hinein, da mußte die alte Hexe ertrinken. Da<lb/>
gingen die Kinder zu&#x017F;ammen nach Haus, und<lb/>
waren herzlich froh, und wenn &#x017F;ie nicht ge&#x017F;tor-<lb/>
ben &#x017F;ind, leben &#x017F;ie noch.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>52.<lb/><hi rendition="#g">Ko&#x0364;nig Droßelbart</hi>.</head><lb/>
        <p>Ein Ko&#x0364;nig hatte eine Tochter, die war<lb/>
wunder&#x017F;cho&#x0364;n, aber &#x017F;o &#x017F;tolz und u&#x0364;bermu&#x0364;thig, daß<lb/>
&#x017F;ie aus Eigen&#x017F;inn einen Freier nach dem andern<lb/>
abwies und Spott mit ihnen trieb. Der Ko&#x0364;nig<lb/>
ließ einmal ein großes Fe&#x017F;t an&#x017F;tellen, und lud da-<lb/>
zu alle heirathslu&#x017F;tigen Ma&#x0364;nner ein, die wurden<lb/>
in eine Reihe, nach ihrem Rang und Stand<lb/>
geordnet, er&#x017F;t kamen die Ko&#x0364;nige, dann die Her-<lb/>
zogen, Fu&#x0364;r&#x017F;ten, Grafen und Barone, zuletzt<lb/>
die Edelleute, da wurde die Ko&#x0364;nigstochter durch<lb/>
die Reihen gefu&#x0364;hrt, aber an jedem hatte &#x017F;ie im-<lb/>
mer etwas auszu&#x017F;etzen. Be&#x017F;onders machte &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
u&#x0364;ber einen guten Ko&#x0364;nig lu&#x017F;tig, der ganz oben<lb/>
an &#x017F;tand und dem das Kinn krumm gewach&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0267] Fundevogel: „nun und nimmermehr.“ So ſprach Lehnchen: „werde du zum Teich und ich die Ente drauf!“ Die Koͤchin aber kam herzu und als ſie den Teich ſahe, legte ſie ſich druͤber hin und wollte ihn ausſaufen. Aber die Ente kam ſchnell geſchwommen, faßte ſie mit ihrem Schnabel beim Kopf und zog ſie ins Waſſer hinein, da mußte die alte Hexe ertrinken. Da gingen die Kinder zuſammen nach Haus, und waren herzlich froh, und wenn ſie nicht geſtor- ben ſind, leben ſie noch. 52. Koͤnig Droßelbart. Ein Koͤnig hatte eine Tochter, die war wunderſchoͤn, aber ſo ſtolz und uͤbermuͤthig, daß ſie aus Eigenſinn einen Freier nach dem andern abwies und Spott mit ihnen trieb. Der Koͤnig ließ einmal ein großes Feſt anſtellen, und lud da- zu alle heirathsluſtigen Maͤnner ein, die wurden in eine Reihe, nach ihrem Rang und Stand geordnet, erſt kamen die Koͤnige, dann die Her- zogen, Fuͤrſten, Grafen und Barone, zuletzt die Edelleute, da wurde die Koͤnigstochter durch die Reihen gefuͤhrt, aber an jedem hatte ſie im- mer etwas auszuſetzen. Beſonders machte ſie ſich uͤber einen guten Koͤnig luſtig, der ganz oben an ſtand und dem das Kinn krumm gewachſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/267
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/267>, abgerufen am 22.11.2024.