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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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ab, das war das allerfeinste Linnengarn und
hieß ihn das hinauf zu seinem Vater bringen.
Wie er nun hinaufkam, war er lange Zeit weg-
gewesen, und seine Brüder waren eben zurück-
gekommen und glaubten gewiß, sie hätten das
feinste mitgebracht. Als aber ein jeder das sei-
nige vorzeigte, da hatte der Dummling noch
einmal so feines, und das Reich wär sein ge-
wesen; aber die zwei andern gaben sich nicht
zufrieden, und verlangten von dem Vater, er
solle noch eine Bedingung machen. Der Kö-
nig verlangte nun den schönsten Teppich, und
blies die drei Federn wieder in die Luft, und
die dritte fiel wieder auf den Stein, und der
Dummling durfte nicht weiter gehen, die an-
dern aber zogen nach Osten und Westen. Er
hob den Stein auf und ging wieder hinab,
und fand das Mädchen geschäftig, einen wun-
derschönen Teppich aus den brennendsten Farben
zu weben, und als er fertig war, sprach es:
"der ist für dich gewirkt, den trag hinauf, kein
Mensch auf der Welt wird einen so prächtigen
haben." Er ging damit vor seinen Vater,
und übertraf wieder seine Brüder, die die schön-
sten Teppiche aus allen Ländern zusammenge-
bracht hatten, aber diese brachten den König
doch dahin, daß er die neue Bedingung mach-
te, wer das Reich erben wolle, müsse die schön-
ste Frau mit nach Haus bringen. Die Federn

ab, das war das allerfeinſte Linnengarn und
hieß ihn das hinauf zu ſeinem Vater bringen.
Wie er nun hinaufkam, war er lange Zeit weg-
geweſen, und ſeine Bruͤder waren eben zuruͤck-
gekommen und glaubten gewiß, ſie haͤtten das
feinſte mitgebracht. Als aber ein jeder das ſei-
nige vorzeigte, da hatte der Dummling noch
einmal ſo feines, und das Reich waͤr ſein ge-
weſen; aber die zwei andern gaben ſich nicht
zufrieden, und verlangten von dem Vater, er
ſolle noch eine Bedingung machen. Der Koͤ-
nig verlangte nun den ſchoͤnſten Teppich, und
blies die drei Federn wieder in die Luft, und
die dritte fiel wieder auf den Stein, und der
Dummling durfte nicht weiter gehen, die an-
dern aber zogen nach Oſten und Weſten. Er
hob den Stein auf und ging wieder hinab,
und fand das Maͤdchen geſchaͤftig, einen wun-
derſchoͤnen Teppich aus den brennendſten Farben
zu weben, und als er fertig war, ſprach es:
„der iſt fuͤr dich gewirkt, den trag hinauf, kein
Menſch auf der Welt wird einen ſo praͤchtigen
haben.“ Er ging damit vor ſeinen Vater,
und uͤbertraf wieder ſeine Bruͤder, die die ſchoͤn-
ſten Teppiche aus allen Laͤndern zuſammenge-
bracht hatten, aber dieſe brachten den Koͤnig
doch dahin, daß er die neue Bedingung mach-
te, wer das Reich erben wolle, muͤſſe die ſchoͤn-
ſte Frau mit nach Haus bringen. Die Federn

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[301/0335] ab, das war das allerfeinſte Linnengarn und hieß ihn das hinauf zu ſeinem Vater bringen. Wie er nun hinaufkam, war er lange Zeit weg- geweſen, und ſeine Bruͤder waren eben zuruͤck- gekommen und glaubten gewiß, ſie haͤtten das feinſte mitgebracht. Als aber ein jeder das ſei- nige vorzeigte, da hatte der Dummling noch einmal ſo feines, und das Reich waͤr ſein ge- weſen; aber die zwei andern gaben ſich nicht zufrieden, und verlangten von dem Vater, er ſolle noch eine Bedingung machen. Der Koͤ- nig verlangte nun den ſchoͤnſten Teppich, und blies die drei Federn wieder in die Luft, und die dritte fiel wieder auf den Stein, und der Dummling durfte nicht weiter gehen, die an- dern aber zogen nach Oſten und Weſten. Er hob den Stein auf und ging wieder hinab, und fand das Maͤdchen geſchaͤftig, einen wun- derſchoͤnen Teppich aus den brennendſten Farben zu weben, und als er fertig war, ſprach es: „der iſt fuͤr dich gewirkt, den trag hinauf, kein Menſch auf der Welt wird einen ſo praͤchtigen haben.“ Er ging damit vor ſeinen Vater, und uͤbertraf wieder ſeine Bruͤder, die die ſchoͤn- ſten Teppiche aus allen Laͤndern zuſammenge- bracht hatten, aber dieſe brachten den Koͤnig doch dahin, daß er die neue Bedingung mach- te, wer das Reich erben wolle, muͤſſe die ſchoͤn- ſte Frau mit nach Haus bringen. Die Federn

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/335>, abgerufen am 24.11.2024.