Ställchen unter der Treppe, wohin kein Tags- licht kam: "da kannst du wohnen und schla- fen." Nun mußte es in die Küche, da half es dem Koch, rupfte die Hüner, schürte das Feuer, belas das Gemüs, und that alle schlech- te Arbeit. Weil es alles so ordentlich machte, war ihm der Koch gut und rief manchmal Al- lerlei-Rauh Abends und gab ihm etwas von den Ueberbleibseln zu essen. Ehe der König aber zu Bett ging mußte es hinauf und ihm die Stiefel ausziehen, und wenn es einen aus- gezogen hatte, warf er ihn allemal ihm an den Kopf.
So lebte Allerlei-Rauh lange Zeit recht armselig: ach, du schöne Jungfrau, wie solls mit dir noch werden? Da war ein Ball in dem Schloß, Allerlei-Rauh dachte, nun könnt' ich einmal wieder meinen lieben Bräutigam recht sehen, ging zum Koch und bat ihn, er möge ihr doch erlauben, nur ein wenig hinauf- zugehen, um vor der Thüre die Pracht mit an- zusehen." Geh hin, sagte der Koch, aber län- ger als eine halbe Stunde darfst du nicht aus- bleiben, du mußt noch die Asche heut Abend zusammenkehren." Da nahm Allerlei-Rauh sein Oehllämpchen und ging in sein Ställchen, und wusch sich den Ruß ab, da kam seine Schönheit hervor, recht wie die Blumen im Frühjahr; dann thät es den Pelzmantel ab,
Staͤllchen unter der Treppe, wohin kein Tags- licht kam: „da kannſt du wohnen und ſchla- fen.“ Nun mußte es in die Kuͤche, da half es dem Koch, rupfte die Huͤner, ſchuͤrte das Feuer, belas das Gemuͤs, und that alle ſchlech- te Arbeit. Weil es alles ſo ordentlich machte, war ihm der Koch gut und rief manchmal Al- lerlei-Rauh Abends und gab ihm etwas von den Ueberbleibſeln zu eſſen. Ehe der Koͤnig aber zu Bett ging mußte es hinauf und ihm die Stiefel ausziehen, und wenn es einen aus- gezogen hatte, warf er ihn allemal ihm an den Kopf.
So lebte Allerlei-Rauh lange Zeit recht armſelig: ach, du ſchoͤne Jungfrau, wie ſolls mit dir noch werden? Da war ein Ball in dem Schloß, Allerlei-Rauh dachte, nun koͤnnt' ich einmal wieder meinen lieben Braͤutigam recht ſehen, ging zum Koch und bat ihn, er moͤge ihr doch erlauben, nur ein wenig hinauf- zugehen, um vor der Thuͤre die Pracht mit an- zuſehen.“ Geh hin, ſagte der Koch, aber laͤn- ger als eine halbe Stunde darfſt du nicht aus- bleiben, du mußt noch die Aſche heut Abend zuſammenkehren.“ Da nahm Allerlei-Rauh ſein Oehllaͤmpchen und ging in ſein Staͤllchen, und wuſch ſich den Ruß ab, da kam ſeine Schoͤnheit hervor, recht wie die Blumen im Fruͤhjahr; dann thaͤt es den Pelzmantel ab,
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Staͤllchen unter der Treppe, wohin kein Tags-
licht kam: „da kannſt du wohnen und ſchla-
fen.“ Nun mußte es in die Kuͤche, da half
es dem Koch, rupfte die Huͤner, ſchuͤrte das
Feuer, belas das Gemuͤs, und that alle ſchlech-
te Arbeit. Weil es alles ſo ordentlich machte,
war ihm der Koch gut und rief manchmal Al-
lerlei-Rauh Abends und gab ihm etwas von
den Ueberbleibſeln zu eſſen. Ehe der Koͤnig
aber zu Bett ging mußte es hinauf und ihm
die Stiefel ausziehen, und wenn es einen aus-
gezogen hatte, warf er ihn allemal ihm an
den Kopf.
So lebte Allerlei-Rauh lange Zeit recht
armſelig: ach, du ſchoͤne Jungfrau, wie ſolls
mit dir noch werden? Da war ein Ball in
dem Schloß, Allerlei-Rauh dachte, nun koͤnnt'
ich einmal wieder meinen lieben Braͤutigam
recht ſehen, ging zum Koch und bat ihn, er
moͤge ihr doch erlauben, nur ein wenig hinauf-
zugehen, um vor der Thuͤre die Pracht mit an-
zuſehen.“ Geh hin, ſagte der Koch, aber laͤn-
ger als eine halbe Stunde darfſt du nicht aus-
bleiben, du mußt noch die Aſche heut Abend
zuſammenkehren.“ Da nahm Allerlei-Rauh
ſein Oehllaͤmpchen und ging in ſein Staͤllchen,
und wuſch ſich den Ruß ab, da kam ſeine
Schoͤnheit hervor, recht wie die Blumen im
Fruͤhjahr; dann thaͤt es den Pelzmantel ab,
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/345>, abgerufen am 24.11.2024.
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