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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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noch einmal kommen, und gewaltige Schritte
macht sie. Das Mädchen nahm zum dritten-
mal den Wünschelstab und verwandelte sich in
einen Rosenstock und den Prinzen in eine Bie-
ne, da kam die alte Menschenfresserin, erkannte
sie in dieser Verwandelung nicht und ging wie-
der heim.

Allein nun konnten die zwei ihre menschliche
Gestalt nicht wieder annehmen, weil das Mäd-
chen das letztemal in der Angst den Zauberstab
zu weit weggeworfen; sie waren aber schon so
weit gegangen, daß der Rosenstock in einem
Garten stand, der gehörte der Mutter des Mäd-
chens. Die Biene saß auf der Rose, und wer
sie abbrechen wollte, den stach sie mit ihrem
Stachel. Einmal geschah es, daß die Königin
selber in ihren Garten ging und die schöne
Blume sah, worüber sie sich so verwunderte,
daß sie sie abbrechen wollte. Aber Bienchen
kam und stach sie so stark in die Hand, daß sie
die Rose mußte fahren lassen, doch hatte sie
schon ein wenig eingerissen. Da sah sie, daß
Blut aus dem Stengel quoll, ließ eine Fee
kommen, damit sie die Blume entzauberte. Da
erkannte die Königin ihre Tochter wieder, und
war von Herzen froh und vergnügt. Es wurde
aber eine große Hochzeit angestellt, eine Men-
ge Gäste gebeten, die kamen in prächtigen Klei-
dern, tausend Lichter flimmerten im Saal, und

noch einmal kommen, und gewaltige Schritte
macht ſie. Das Maͤdchen nahm zum dritten-
mal den Wuͤnſchelſtab und verwandelte ſich in
einen Roſenſtock und den Prinzen in eine Bie-
ne, da kam die alte Menſchenfreſſerin, erkannte
ſie in dieſer Verwandelung nicht und ging wie-
der heim.

Allein nun konnten die zwei ihre menſchliche
Geſtalt nicht wieder annehmen, weil das Maͤd-
chen das letztemal in der Angſt den Zauberſtab
zu weit weggeworfen; ſie waren aber ſchon ſo
weit gegangen, daß der Roſenſtock in einem
Garten ſtand, der gehoͤrte der Mutter des Maͤd-
chens. Die Biene ſaß auf der Roſe, und wer
ſie abbrechen wollte, den ſtach ſie mit ihrem
Stachel. Einmal geſchah es, daß die Koͤnigin
ſelber in ihren Garten ging und die ſchoͤne
Blume ſah, woruͤber ſie ſich ſo verwunderte,
daß ſie ſie abbrechen wollte. Aber Bienchen
kam und ſtach ſie ſo ſtark in die Hand, daß ſie
die Roſe mußte fahren laſſen, doch hatte ſie
ſchon ein wenig eingeriſſen. Da ſah ſie, daß
Blut aus dem Stengel quoll, ließ eine Fee
kommen, damit ſie die Blume entzauberte. Da
erkannte die Koͤnigin ihre Tochter wieder, und
war von Herzen froh und vergnuͤgt. Es wurde
aber eine große Hochzeit angeſtellt, eine Men-
ge Gaͤſte gebeten, die kamen in praͤchtigen Klei-
dern, tauſend Lichter flimmerten im Saal, und

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[335/0369] noch einmal kommen, und gewaltige Schritte macht ſie. Das Maͤdchen nahm zum dritten- mal den Wuͤnſchelſtab und verwandelte ſich in einen Roſenſtock und den Prinzen in eine Bie- ne, da kam die alte Menſchenfreſſerin, erkannte ſie in dieſer Verwandelung nicht und ging wie- der heim. Allein nun konnten die zwei ihre menſchliche Geſtalt nicht wieder annehmen, weil das Maͤd- chen das letztemal in der Angſt den Zauberſtab zu weit weggeworfen; ſie waren aber ſchon ſo weit gegangen, daß der Roſenſtock in einem Garten ſtand, der gehoͤrte der Mutter des Maͤd- chens. Die Biene ſaß auf der Roſe, und wer ſie abbrechen wollte, den ſtach ſie mit ihrem Stachel. Einmal geſchah es, daß die Koͤnigin ſelber in ihren Garten ging und die ſchoͤne Blume ſah, woruͤber ſie ſich ſo verwunderte, daß ſie ſie abbrechen wollte. Aber Bienchen kam und ſtach ſie ſo ſtark in die Hand, daß ſie die Roſe mußte fahren laſſen, doch hatte ſie ſchon ein wenig eingeriſſen. Da ſah ſie, daß Blut aus dem Stengel quoll, ließ eine Fee kommen, damit ſie die Blume entzauberte. Da erkannte die Koͤnigin ihre Tochter wieder, und war von Herzen froh und vergnuͤgt. Es wurde aber eine große Hochzeit angeſtellt, eine Men- ge Gaͤſte gebeten, die kamen in praͤchtigen Klei- dern, tauſend Lichter flimmerten im Saal, und

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/369>, abgerufen am 24.11.2024.