Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

es wurde gespielt und getanzt bis zum hellen
Tag.

"Bist du auch auf der Hochzeit gewesen?"
-- "ja wohl bin drauf gewesen:

mein Kopfputz war von Butter, da kam ich
in die Sonne, und er ist mir abgeschmol-
zen;

mein Kleid war von Spinnweb, da kam ich
durch Dornen, die rissen es mir ab;

meine Pantoffel waren von Glas, da trat
ich auf einen Stein, da sprangen sie ent-
zwei."

71.
Prinzessin Mäusehaut.

Ein König hatte drei Töchter; da wollte er
wissen, welche ihn am liebsten hätte, ließ sie
vor sich kommen und fragte sie. Die älteste
sprach, sie habe ihn lieber, als das ganze Kö-
nigreich; die zweite, als alle Edelsteine und Per-
len auf der Welt; die dritte aber sagte, sie ha-
be ihn lieber als das Salz. Der König ward
aufgebracht, daß sie ihre Liebe zu ihm mit ei-
ner so geringen Sache vergleiche, übergab sie
einem Diener und befahl, er solle sie in den
Wald führen und todten. Wie sie in den Wald
gekommen waren, bat die Prinzessin den Diener
um ihr Leben; dieser war ihr treu, und würde sie

doch

es wurde geſpielt und getanzt bis zum hellen
Tag.

„Biſt du auch auf der Hochzeit geweſen?“
— „ja wohl bin drauf geweſen:

mein Kopfputz war von Butter, da kam ich
in die Sonne, und er iſt mir abgeſchmol-
zen;

mein Kleid war von Spinnweb, da kam ich
durch Dornen, die riſſen es mir ab;

meine Pantoffel waren von Glas, da trat
ich auf einen Stein, da ſprangen ſie ent-
zwei.“

71.
Prinzeſſin Maͤuſehaut.

Ein Koͤnig hatte drei Toͤchter; da wollte er
wiſſen, welche ihn am liebſten haͤtte, ließ ſie
vor ſich kommen und fragte ſie. Die aͤlteſte
ſprach, ſie habe ihn lieber, als das ganze Koͤ-
nigreich; die zweite, als alle Edelſteine und Per-
len auf der Welt; die dritte aber ſagte, ſie ha-
be ihn lieber als das Salz. Der Koͤnig ward
aufgebracht, daß ſie ihre Liebe zu ihm mit ei-
ner ſo geringen Sache vergleiche, uͤbergab ſie
einem Diener und befahl, er ſolle ſie in den
Wald fuͤhren und todten. Wie ſie in den Wald
gekommen waren, bat die Prinzeſſin den Diener
um ihr Leben; dieſer war ihr treu, und wuͤrde ſie

doch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0370" n="336"/>
es wurde ge&#x017F;pielt und getanzt bis zum hellen<lb/>
Tag.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bi&#x017F;t du auch auf der Hochzeit gewe&#x017F;en?&#x201C;<lb/>
&#x2014; &#x201E;ja wohl bin drauf gewe&#x017F;en:</p><lb/>
        <p>mein Kopfputz war von Butter, da kam ich<lb/>
in die Sonne, und er i&#x017F;t mir abge&#x017F;chmol-<lb/>
zen;</p><lb/>
        <p>mein Kleid war von Spinnweb, da kam ich<lb/>
durch Dornen, die ri&#x017F;&#x017F;en es mir ab;</p><lb/>
        <p>meine Pantoffel waren von Glas, da trat<lb/>
ich auf einen Stein, da &#x017F;prangen &#x017F;ie ent-<lb/>
zwei.&#x201C;</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>71.<lb/><hi rendition="#g">Prinze&#x017F;&#x017F;in Ma&#x0364;u&#x017F;ehaut</hi>.</head><lb/>
        <p>Ein Ko&#x0364;nig hatte drei To&#x0364;chter; da wollte er<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, welche ihn am lieb&#x017F;ten ha&#x0364;tte, ließ &#x017F;ie<lb/>
vor &#x017F;ich kommen und fragte &#x017F;ie. Die a&#x0364;lte&#x017F;te<lb/>
&#x017F;prach, &#x017F;ie habe ihn lieber, als das ganze Ko&#x0364;-<lb/>
nigreich; die zweite, als alle Edel&#x017F;teine und Per-<lb/>
len auf der Welt; die dritte aber &#x017F;agte, &#x017F;ie ha-<lb/>
be ihn lieber als das Salz. Der Ko&#x0364;nig ward<lb/>
aufgebracht, daß &#x017F;ie ihre Liebe zu ihm mit ei-<lb/>
ner &#x017F;o geringen Sache vergleiche, u&#x0364;bergab &#x017F;ie<lb/>
einem Diener und befahl, er &#x017F;olle &#x017F;ie in den<lb/>
Wald fu&#x0364;hren und todten. Wie &#x017F;ie in den Wald<lb/>
gekommen waren, bat die Prinze&#x017F;&#x017F;in den Diener<lb/>
um ihr Leben; die&#x017F;er war ihr treu, und wu&#x0364;rde &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">doch</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0370] es wurde geſpielt und getanzt bis zum hellen Tag. „Biſt du auch auf der Hochzeit geweſen?“ — „ja wohl bin drauf geweſen: mein Kopfputz war von Butter, da kam ich in die Sonne, und er iſt mir abgeſchmol- zen; mein Kleid war von Spinnweb, da kam ich durch Dornen, die riſſen es mir ab; meine Pantoffel waren von Glas, da trat ich auf einen Stein, da ſprangen ſie ent- zwei.“ 71. Prinzeſſin Maͤuſehaut. Ein Koͤnig hatte drei Toͤchter; da wollte er wiſſen, welche ihn am liebſten haͤtte, ließ ſie vor ſich kommen und fragte ſie. Die aͤlteſte ſprach, ſie habe ihn lieber, als das ganze Koͤ- nigreich; die zweite, als alle Edelſteine und Per- len auf der Welt; die dritte aber ſagte, ſie ha- be ihn lieber als das Salz. Der Koͤnig ward aufgebracht, daß ſie ihre Liebe zu ihm mit ei- ner ſo geringen Sache vergleiche, uͤbergab ſie einem Diener und befahl, er ſolle ſie in den Wald fuͤhren und todten. Wie ſie in den Wald gekommen waren, bat die Prinzeſſin den Diener um ihr Leben; dieſer war ihr treu, und wuͤrde ſie doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/370
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/370>, abgerufen am 24.11.2024.