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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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doch nicht getödtet haben, er sagte auch, er wolle
mit ihr gehen, und ganz nach ihren Befehlen
thun. Die Prinzessin verlangte aber nichts,
als ein Kleid von Mausehaut, und als er ihr
das geholt, wickelte sie sich hinein und ging fort.
Sie ging geradezu an den Hof eines benach-
barten Königs, gab sich für einen Mann aus,
und bat den König, daß er sie in seine Dienste
nehme. Der König sagte es zu, und sie solle
bei ihm die Aufwartung haben: Abends mußte
sie ihm die Stiefel ausziehen, die warf er ihr
allemal an den Kopf. Einmal fragte er, wo-
her sie sey? -- "Aus dem Lande, wo man den
Leuten die Stiefel nicht um den Kopf wirft."
Der König ward da aufmerksam, endlich brach-
ten ihm die andern Diener einen Ring; Mau-
sehaut habe ihn verloren, der sey zu kostbar,
den müsse er gestohlen haben. Der König ließ
Mausehaut vor sich kommen und fragte, woher
der Ring sey? da konnte sich Mausehaut nicht
länger verbergen, sie wickelte sich von der Mau-
sehaut los, ihre goldgelben Haare quollen her-
vor, und sie trat heraus so schön, aber auch so
schön, daß der König gleich die Krone von sei-
nem Kopf abnahm und ihr aufsetzte, und sie
für seine Gemahlin erklärte.

Zu der Hochzeit wurde auch der Vater der
Mausehaut eingeladen, der glaubte seine Toch-
ter sey schon längst todt, und erkannte sie nicht

Kindermärchen. Y

doch nicht getoͤdtet haben, er ſagte auch, er wolle
mit ihr gehen, und ganz nach ihren Befehlen
thun. Die Prinzeſſin verlangte aber nichts,
als ein Kleid von Mauſehaut, und als er ihr
das geholt, wickelte ſie ſich hinein und ging fort.
Sie ging geradezu an den Hof eines benach-
barten Koͤnigs, gab ſich fuͤr einen Mann aus,
und bat den Koͤnig, daß er ſie in ſeine Dienſte
nehme. Der Koͤnig ſagte es zu, und ſie ſolle
bei ihm die Aufwartung haben: Abends mußte
ſie ihm die Stiefel ausziehen, die warf er ihr
allemal an den Kopf. Einmal fragte er, wo-
her ſie ſey? — „Aus dem Lande, wo man den
Leuten die Stiefel nicht um den Kopf wirft.“
Der Koͤnig ward da aufmerkſam, endlich brach-
ten ihm die andern Diener einen Ring; Mau-
ſehaut habe ihn verloren, der ſey zu koſtbar,
den muͤſſe er geſtohlen haben. Der Koͤnig ließ
Mauſehaut vor ſich kommen und fragte, woher
der Ring ſey? da konnte ſich Mauſehaut nicht
laͤnger verbergen, ſie wickelte ſich von der Mau-
ſehaut los, ihre goldgelben Haare quollen her-
vor, und ſie trat heraus ſo ſchoͤn, aber auch ſo
ſchoͤn, daß der Koͤnig gleich die Krone von ſei-
nem Kopf abnahm und ihr aufſetzte, und ſie
fuͤr ſeine Gemahlin erklaͤrte.

Zu der Hochzeit wurde auch der Vater der
Mauſehaut eingeladen, der glaubte ſeine Toch-
ter ſey ſchon laͤngſt todt, und erkannte ſie nicht

Kindermärchen. Y
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[337/0371] doch nicht getoͤdtet haben, er ſagte auch, er wolle mit ihr gehen, und ganz nach ihren Befehlen thun. Die Prinzeſſin verlangte aber nichts, als ein Kleid von Mauſehaut, und als er ihr das geholt, wickelte ſie ſich hinein und ging fort. Sie ging geradezu an den Hof eines benach- barten Koͤnigs, gab ſich fuͤr einen Mann aus, und bat den Koͤnig, daß er ſie in ſeine Dienſte nehme. Der Koͤnig ſagte es zu, und ſie ſolle bei ihm die Aufwartung haben: Abends mußte ſie ihm die Stiefel ausziehen, die warf er ihr allemal an den Kopf. Einmal fragte er, wo- her ſie ſey? — „Aus dem Lande, wo man den Leuten die Stiefel nicht um den Kopf wirft.“ Der Koͤnig ward da aufmerkſam, endlich brach- ten ihm die andern Diener einen Ring; Mau- ſehaut habe ihn verloren, der ſey zu koſtbar, den muͤſſe er geſtohlen haben. Der Koͤnig ließ Mauſehaut vor ſich kommen und fragte, woher der Ring ſey? da konnte ſich Mauſehaut nicht laͤnger verbergen, ſie wickelte ſich von der Mau- ſehaut los, ihre goldgelben Haare quollen her- vor, und ſie trat heraus ſo ſchoͤn, aber auch ſo ſchoͤn, daß der Koͤnig gleich die Krone von ſei- nem Kopf abnahm und ihr aufſetzte, und ſie fuͤr ſeine Gemahlin erklaͤrte. Zu der Hochzeit wurde auch der Vater der Mauſehaut eingeladen, der glaubte ſeine Toch- ter ſey ſchon laͤngſt todt, und erkannte ſie nicht Kindermärchen. Y

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/371>, abgerufen am 24.11.2024.