Wäsche bleichte, da fielen ihm die Worte der Wäscherin wieder ein, und es ward nachdenk- sam, und endlich stieg es auf, nahm die zwölf Hemder und ging in den Wald hinein, wo sei- ne Brüder lebten.
Das Schwesterchen kam gerade zu der Höhle, wo sie ihre Wohnung hatten. Die eilf waren auf der Jagd und nur ein ein- ziger daheim, der kochen mußte. Wie der das Mädchen erblickte, faßte er es gleich, und holte sein Schwert: "knie nieder, dein ro- thes Blut muß den Augenblick fließen." Das Mädchen aber bat ihn: "lieber Herr, laßt mich leben, ich will bei euch bleiben und euch redlich dienen, ich will kochen und den Haushalt füh- ren." Es [w]ar gerade der jüngste Bruder, den erbarmte die Schönheit des Mädchens und er schenkte ihr das Leben. Wie die eilfe nach Haus kamen und sich verwunderten, ein Mädchen le- bendig in der Höhle zu finden, sagte er zu ih- nen: "liebe Brüder, dies Mädchen ist in die Höhle gekommen, und wie ich es niederhauen wollte, da bat es so sehr um sein Leben, es wollt uns treu dienen und den Haushalt füh- ren, daß ichs ihm geschenkt habe." Die an- dern gedachten, daß ihnen das vortheilhaft wä- re und daß sie nun alle zwölf auf die Jagd ausgehen könnten, und warens zufrieden. Da zeigte es ihnen die zwölf Hemdlein und sagte,
Waͤſche bleichte, da fielen ihm die Worte der Waͤſcherin wieder ein, und es ward nachdenk- ſam, und endlich ſtieg es auf, nahm die zwoͤlf Hemder und ging in den Wald hinein, wo ſei- ne Bruͤder lebten.
Das Schweſterchen kam gerade zu der Hoͤhle, wo ſie ihre Wohnung hatten. Die eilf waren auf der Jagd und nur ein ein- ziger daheim, der kochen mußte. Wie der das Maͤdchen erblickte, faßte er es gleich, und holte ſein Schwert: „knie nieder, dein ro- thes Blut muß den Augenblick fließen.“ Das Maͤdchen aber bat ihn: „lieber Herr, laßt mich leben, ich will bei euch bleiben und euch redlich dienen, ich will kochen und den Haushalt fuͤh- ren.“ Es [w]ar gerade der juͤngſte Bruder, den erbarmte die Schoͤnheit des Maͤdchens und er ſchenkte ihr das Leben. Wie die eilfe nach Haus kamen und ſich verwunderten, ein Maͤdchen le- bendig in der Hoͤhle zu finden, ſagte er zu ih- nen: „liebe Bruͤder, dies Maͤdchen iſt in die Hoͤhle gekommen, und wie ich es niederhauen wollte, da bat es ſo ſehr um ſein Leben, es wollt uns treu dienen und den Haushalt fuͤh- ren, daß ichs ihm geſchenkt habe.“ Die an- dern gedachten, daß ihnen das vortheilhaft waͤ- re und daß ſie nun alle zwoͤlf auf die Jagd ausgehen koͤnnten, und warens zufrieden. Da zeigte es ihnen die zwoͤlf Hemdlein und ſagte,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0061"n="27"/>
Waͤſche bleichte, da fielen ihm die Worte der<lb/>
Waͤſcherin wieder ein, und es ward nachdenk-<lb/>ſam, und endlich ſtieg es auf, nahm die zwoͤlf<lb/>
Hemder und ging in den Wald hinein, wo ſei-<lb/>
ne Bruͤder lebten.</p><lb/><p>Das Schweſterchen kam gerade zu der<lb/>
Hoͤhle, wo ſie ihre Wohnung hatten. Die<lb/>
eilf waren auf der Jagd und nur ein ein-<lb/>
ziger daheim, der kochen mußte. Wie der das<lb/>
Maͤdchen erblickte, faßte er es gleich, und<lb/>
holte ſein Schwert: „knie nieder, dein ro-<lb/>
thes Blut muß den Augenblick fließen.“ Das<lb/>
Maͤdchen aber bat ihn: „lieber Herr, laßt mich<lb/>
leben, ich will bei euch bleiben und euch redlich<lb/>
dienen, ich will kochen und den Haushalt fuͤh-<lb/>
ren.“ Es <supplied>w</supplied>ar gerade der juͤngſte Bruder, den<lb/>
erbarmte die Schoͤnheit des Maͤdchens und er<lb/>ſchenkte ihr das Leben. Wie die eilfe nach Haus<lb/>
kamen und ſich verwunderten, ein Maͤdchen le-<lb/>
bendig in der Hoͤhle zu finden, ſagte er zu ih-<lb/>
nen: „liebe Bruͤder, dies Maͤdchen iſt in die<lb/>
Hoͤhle gekommen, und wie ich es niederhauen<lb/>
wollte, da bat es ſo ſehr um ſein Leben, es<lb/>
wollt uns treu dienen und den Haushalt fuͤh-<lb/>
ren, daß ichs ihm geſchenkt habe.“ Die an-<lb/>
dern gedachten, daß ihnen das vortheilhaft waͤ-<lb/>
re und daß ſie nun alle zwoͤlf auf die Jagd<lb/>
ausgehen koͤnnten, und warens zufrieden. Da<lb/>
zeigte es ihnen die zwoͤlf Hemdlein und ſagte,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[27/0061]
Waͤſche bleichte, da fielen ihm die Worte der
Waͤſcherin wieder ein, und es ward nachdenk-
ſam, und endlich ſtieg es auf, nahm die zwoͤlf
Hemder und ging in den Wald hinein, wo ſei-
ne Bruͤder lebten.
Das Schweſterchen kam gerade zu der
Hoͤhle, wo ſie ihre Wohnung hatten. Die
eilf waren auf der Jagd und nur ein ein-
ziger daheim, der kochen mußte. Wie der das
Maͤdchen erblickte, faßte er es gleich, und
holte ſein Schwert: „knie nieder, dein ro-
thes Blut muß den Augenblick fließen.“ Das
Maͤdchen aber bat ihn: „lieber Herr, laßt mich
leben, ich will bei euch bleiben und euch redlich
dienen, ich will kochen und den Haushalt fuͤh-
ren.“ Es war gerade der juͤngſte Bruder, den
erbarmte die Schoͤnheit des Maͤdchens und er
ſchenkte ihr das Leben. Wie die eilfe nach Haus
kamen und ſich verwunderten, ein Maͤdchen le-
bendig in der Hoͤhle zu finden, ſagte er zu ih-
nen: „liebe Bruͤder, dies Maͤdchen iſt in die
Hoͤhle gekommen, und wie ich es niederhauen
wollte, da bat es ſo ſehr um ſein Leben, es
wollt uns treu dienen und den Haushalt fuͤh-
ren, daß ichs ihm geſchenkt habe.“ Die an-
dern gedachten, daß ihnen das vortheilhaft waͤ-
re und daß ſie nun alle zwoͤlf auf die Jagd
ausgehen koͤnnten, und warens zufrieden. Da
zeigte es ihnen die zwoͤlf Hemdlein und ſagte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/61>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.