Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

dicke Finger? "vom Faden drehen, vom Fa-
den drehen und umschlingen!" dabei ließ sie
den Faden ein paarmal um den Finger laufen.
Endlich die dritte: woher den dicken Fuß?
"vom Treten, vom Treten!" wie das der Kö-
nig hörte, befahl er der Königin und den Prin-
zessinnen, sie sollten nimmermehr ein Spinnrad
anrühren und so waren sie ihrer Qual los.

15.
Hänsel und Gretel.

Vor einem großen Walde wohnte ein ar-
mer Holzhacker, der hatte nichts zu beißen und
zu brechen, und kaum das tägliche Brod für
seine Frau und seine zwei Kinder, Hänsel und
Gretel. Einmal konnte er auch das nicht mehr
schaffen, und wußte sich nicht zu helfen in seiner
Noth. Wie er Abends vor Sorge sich im Bett
herumwälzte, da sagte seine Frau zu ihm: "höre
Mann, morgen früh nimm die beiden Kinder,
gieb jedem noch ein Stückchen Brod, dann
führ sie hinaus in den Wald, mitten inne, wo
er am dicksten ist, da mach ihnen ein Feuer an,
und dann geh weg und laß sie dort, wir kön-
nen sie nicht länger ernähren." "Nein Frau,
sagte der Mann, das kann ich nicht über mein
Herz bringen, meine eigenen lieben Kinder zu
den wilden Thieren zu führen, die sie bald in

Kindermärchen. D

dicke Finger? „vom Faden drehen, vom Fa-
den drehen und umſchlingen!“ dabei ließ ſie
den Faden ein paarmal um den Finger laufen.
Endlich die dritte: woher den dicken Fuß?
„vom Treten, vom Treten!“ wie das der Koͤ-
nig hoͤrte, befahl er der Koͤnigin und den Prin-
zeſſinnen, ſie ſollten nimmermehr ein Spinnrad
anruͤhren und ſo waren ſie ihrer Qual los.

15.
Haͤnſel und Gretel.

Vor einem großen Walde wohnte ein ar-
mer Holzhacker, der hatte nichts zu beißen und
zu brechen, und kaum das taͤgliche Brod fuͤr
ſeine Frau und ſeine zwei Kinder, Haͤnſel und
Gretel. Einmal konnte er auch das nicht mehr
ſchaffen, und wußte ſich nicht zu helfen in ſeiner
Noth. Wie er Abends vor Sorge ſich im Bett
herumwaͤlzte, da ſagte ſeine Frau zu ihm: „hoͤre
Mann, morgen fruͤh nimm die beiden Kinder,
gieb jedem noch ein Stuͤckchen Brod, dann
fuͤhr ſie hinaus in den Wald, mitten inne, wo
er am dickſten iſt, da mach ihnen ein Feuer an,
und dann geh weg und laß ſie dort, wir koͤn-
nen ſie nicht laͤnger ernaͤhren.“ „Nein Frau,
ſagte der Mann, das kann ich nicht uͤber mein
Herz bringen, meine eigenen lieben Kinder zu
den wilden Thieren zu fuͤhren, die ſie bald in

Kindermärchen. D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0083" n="49"/>
dicke Finger? &#x201E;vom Faden drehen, vom Fa-<lb/>
den drehen und um&#x017F;chlingen!&#x201C; dabei ließ &#x017F;ie<lb/>
den Faden ein paarmal um den Finger laufen.<lb/>
Endlich die dritte: woher den dicken Fuß?<lb/>
&#x201E;vom Treten, vom Treten!&#x201C; wie das der Ko&#x0364;-<lb/>
nig ho&#x0364;rte, befahl er der Ko&#x0364;nigin und den Prin-<lb/>
ze&#x017F;&#x017F;innen, &#x017F;ie &#x017F;ollten nimmermehr ein Spinnrad<lb/>
anru&#x0364;hren und &#x017F;o waren &#x017F;ie ihrer Qual los.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head><choice><sic>16</sic><corr>15</corr></choice>.<lb/><hi rendition="#g">Ha&#x0364;n&#x017F;el und Gretel</hi>.</head><lb/>
        <p>Vor einem großen Walde wohnte ein ar-<lb/>
mer Holzhacker, der hatte nichts zu beißen und<lb/>
zu brechen, und kaum das ta&#x0364;gliche Brod fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;eine Frau und &#x017F;eine zwei Kinder, Ha&#x0364;n&#x017F;el und<lb/>
Gretel. Einmal konnte er auch das nicht mehr<lb/>
&#x017F;chaffen, und wußte &#x017F;ich nicht zu helfen in &#x017F;einer<lb/>
Noth. Wie er Abends vor Sorge &#x017F;ich im Bett<lb/>
herumwa&#x0364;lzte, da &#x017F;agte &#x017F;eine Frau zu ihm: &#x201E;ho&#x0364;re<lb/>
Mann, morgen fru&#x0364;h nimm die beiden Kinder,<lb/>
gieb jedem noch ein Stu&#x0364;ckchen Brod, dann<lb/>
fu&#x0364;hr &#x017F;ie hinaus in den Wald, mitten inne, wo<lb/>
er am dick&#x017F;ten i&#x017F;t, da mach ihnen ein Feuer an,<lb/>
und dann geh weg und laß &#x017F;ie dort, wir ko&#x0364;n-<lb/>
nen &#x017F;ie nicht la&#x0364;nger erna&#x0364;hren.&#x201C; &#x201E;Nein Frau,<lb/>
&#x017F;agte der Mann, das kann ich nicht u&#x0364;ber mein<lb/>
Herz bringen, meine eigenen lieben Kinder zu<lb/>
den wilden Thieren zu fu&#x0364;hren, die &#x017F;ie bald in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Kindermärchen. D</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0083] dicke Finger? „vom Faden drehen, vom Fa- den drehen und umſchlingen!“ dabei ließ ſie den Faden ein paarmal um den Finger laufen. Endlich die dritte: woher den dicken Fuß? „vom Treten, vom Treten!“ wie das der Koͤ- nig hoͤrte, befahl er der Koͤnigin und den Prin- zeſſinnen, ſie ſollten nimmermehr ein Spinnrad anruͤhren und ſo waren ſie ihrer Qual los. 15. Haͤnſel und Gretel. Vor einem großen Walde wohnte ein ar- mer Holzhacker, der hatte nichts zu beißen und zu brechen, und kaum das taͤgliche Brod fuͤr ſeine Frau und ſeine zwei Kinder, Haͤnſel und Gretel. Einmal konnte er auch das nicht mehr ſchaffen, und wußte ſich nicht zu helfen in ſeiner Noth. Wie er Abends vor Sorge ſich im Bett herumwaͤlzte, da ſagte ſeine Frau zu ihm: „hoͤre Mann, morgen fruͤh nimm die beiden Kinder, gieb jedem noch ein Stuͤckchen Brod, dann fuͤhr ſie hinaus in den Wald, mitten inne, wo er am dickſten iſt, da mach ihnen ein Feuer an, und dann geh weg und laß ſie dort, wir koͤn- nen ſie nicht laͤnger ernaͤhren.“ „Nein Frau, ſagte der Mann, das kann ich nicht uͤber mein Herz bringen, meine eigenen lieben Kinder zu den wilden Thieren zu fuͤhren, die ſie bald in Kindermärchen. D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/83
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/83>, abgerufen am 24.11.2024.