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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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in den großen Wald hinein. Es ging den ganzen Tag, und am Abend kam es zu dem verwünschten Häuschen. Da trat es hinein und fand einen jungen Knaben, der fragte: "wo kommst du her und wo willst du hin?" und erstaunte, daß sie so gar schön war, königliche Kleider trug und einen Stern auf der Stirne hatte. Da antwortete sie: "ich bin eine Königstochter und suche meine zwölf Brüder und will gehen, so weit der Himmel blau ist, bis ich sie finde." Und zeigte ihm die zwölf Hemder, die ihnen gehörten. Da sah Benjamin, daß es seine Schwester war, und sprach: "ich bin Benjamin, dein jüngster Bruder!" Und sie fing an zu weinen vor Freude und Benjamin auch und sie küßten und herzten einander vor großer Liebe. Hernach sprach er: "Liebe Schwester, es ist noch ein Vorbehalt da, wir hatten beschlossen und verabredet, daß ein jedes Mädchen, das uns begegnete, sterben sollte, weil wir um ein Mädchen unser Königreich verlassen mußten." Da sagte sie: "ich will gern sterben, wenn ich damit meine zwölf Brüder erlösen kann." "Nein antwortete er, du sollst nicht sterben, setz dich unter diese Bütte bis die elf Brüder kommen, dann will ich schon einig mit ihnen werden." Also that sie; und wie es Nacht ward, kamen die andern von der Jagd und die Mahlzeit war bereit. Und als sie am Tisch saßen und aßen, fragten sie: "was giebts neues?" Sprach Benjamin: "wißts ihr nichts?" "Nein" antworteten sie. Sprach er weiter: "ihr seid im Wald gewesen und ich bin daheim geblieben und weiß doch mehr als ihr." "So erzähl uns" riefen sie. Antwortete er: "versprecht ihr mir auch, daß das erste Mädchen das uns begegnet, nicht soll getödtet werden?" "Ja, riefen sie alle,

in den großen Wald hinein. Es ging den ganzen Tag, und am Abend kam es zu dem verwuͤnschten Haͤuschen. Da trat es hinein und fand einen jungen Knaben, der fragte: „wo kommst du her und wo willst du hin?“ und erstaunte, daß sie so gar schoͤn war, koͤnigliche Kleider trug und einen Stern auf der Stirne hatte. Da antwortete sie: „ich bin eine Koͤnigstochter und suche meine zwoͤlf Bruͤder und will gehen, so weit der Himmel blau ist, bis ich sie finde.“ Und zeigte ihm die zwoͤlf Hemder, die ihnen gehoͤrten. Da sah Benjamin, daß es seine Schwester war, und sprach: „ich bin Benjamin, dein juͤngster Bruder!“ Und sie fing an zu weinen vor Freude und Benjamin auch und sie kuͤßten und herzten einander vor großer Liebe. Hernach sprach er: „Liebe Schwester, es ist noch ein Vorbehalt da, wir hatten beschlossen und verabredet, daß ein jedes Maͤdchen, das uns begegnete, sterben sollte, weil wir um ein Maͤdchen unser Koͤnigreich verlassen mußten.“ Da sagte sie: „ich will gern sterben, wenn ich damit meine zwoͤlf Bruͤder erloͤsen kann.“ „Nein antwortete er, du sollst nicht sterben, setz dich unter diese Buͤtte bis die elf Bruͤder kommen, dann will ich schon einig mit ihnen werden.“ Also that sie; und wie es Nacht ward, kamen die andern von der Jagd und die Mahlzeit war bereit. Und als sie am Tisch saßen und aßen, fragten sie: „was giebts neues?“ Sprach Benjamin: „wißts ihr nichts?“ „Nein“ antworteten sie. Sprach er weiter: „ihr seid im Wald gewesen und ich bin daheim geblieben und weiß doch mehr als ihr.“ „So erzaͤhl uns“ riefen sie. Antwortete er: „versprecht ihr mir auch, daß das erste Maͤdchen das uns begegnet, nicht soll getoͤdtet werden?“ „Ja, riefen sie alle,

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[51/0115] in den großen Wald hinein. Es ging den ganzen Tag, und am Abend kam es zu dem verwuͤnschten Haͤuschen. Da trat es hinein und fand einen jungen Knaben, der fragte: „wo kommst du her und wo willst du hin?“ und erstaunte, daß sie so gar schoͤn war, koͤnigliche Kleider trug und einen Stern auf der Stirne hatte. Da antwortete sie: „ich bin eine Koͤnigstochter und suche meine zwoͤlf Bruͤder und will gehen, so weit der Himmel blau ist, bis ich sie finde.“ Und zeigte ihm die zwoͤlf Hemder, die ihnen gehoͤrten. Da sah Benjamin, daß es seine Schwester war, und sprach: „ich bin Benjamin, dein juͤngster Bruder!“ Und sie fing an zu weinen vor Freude und Benjamin auch und sie kuͤßten und herzten einander vor großer Liebe. Hernach sprach er: „Liebe Schwester, es ist noch ein Vorbehalt da, wir hatten beschlossen und verabredet, daß ein jedes Maͤdchen, das uns begegnete, sterben sollte, weil wir um ein Maͤdchen unser Koͤnigreich verlassen mußten.“ Da sagte sie: „ich will gern sterben, wenn ich damit meine zwoͤlf Bruͤder erloͤsen kann.“ „Nein antwortete er, du sollst nicht sterben, setz dich unter diese Buͤtte bis die elf Bruͤder kommen, dann will ich schon einig mit ihnen werden.“ Also that sie; und wie es Nacht ward, kamen die andern von der Jagd und die Mahlzeit war bereit. Und als sie am Tisch saßen und aßen, fragten sie: „was giebts neues?“ Sprach Benjamin: „wißts ihr nichts?“ „Nein“ antworteten sie. Sprach er weiter: „ihr seid im Wald gewesen und ich bin daheim geblieben und weiß doch mehr als ihr.“ „So erzaͤhl uns“ riefen sie. Antwortete er: „versprecht ihr mir auch, daß das erste Maͤdchen das uns begegnet, nicht soll getoͤdtet werden?“ „Ja, riefen sie alle,

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/115>, abgerufen am 24.11.2024.