Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.war, da wollte sie zumachen und Grethel sollte in dem heißen Ofen backen, und sie wollte es auch aufessen: das dachte die böse Hexe, und darum hatte sie Grethel gerufen. Gott gab es aber dem Mädchen ein, daß es sprach: "ich weiß nicht, wie ich das anfangen soll, zeige mirs erst, und setz dich auf, ich will dich hineinschieben." Da setzte sich die Alte auf das Brett, und weil sie leicht war, schob Grethel sie hinein so weit es konnte, und dann machte es geschwind die Thüre zu und steckte den eisernen Riegel vor. Nun fing die Alte an in dem heißen Backofen zu schreien und zu jammern, Grethel aber lief fort und sie mußte elendiglich verbrennen. Da lief Grethel zum Hänsel, machte ihm sein Thürchen auf und rief: "spring heraus, Hänsel, wir sind erlöst!" Da sprang Hänsel heraus, wie ein eingesperrtes Vöglein aus dem Bauer. Und sie weinten vor Freude und küßten sich einander. Das ganze Häuschen aber war voll von Edelgesteinen und Perlen, damit füllten sie ihre Taschen, gingen fort und suchten den Weg nach Haus. Sie kamen aber vor ein großes Wasser und konnten nicht hinüber. Da sah das Schwesterchen ein weißes Entchen hin und her schwimmen, dem rief es zu: "ach, liebes Entchen nimm uns auf deinen Rücken" als das Entchen das hörte, kam es geschwommen und trug das Grethel hinüber und hernach holte es auch das Hänsel. Darnach fanden sie bald ihre Heimath, der Vater freute sich herzlich als er sie wieder sah, denn er hatte keinen vergnügten Tag gehabt, seit seine Kinder fort waren. Die Mutter aber war, da wollte sie zumachen und Grethel sollte in dem heißen Ofen backen, und sie wollte es auch aufessen: das dachte die boͤse Hexe, und darum hatte sie Grethel gerufen. Gott gab es aber dem Maͤdchen ein, daß es sprach: „ich weiß nicht, wie ich das anfangen soll, zeige mirs erst, und setz dich auf, ich will dich hineinschieben.“ Da setzte sich die Alte auf das Brett, und weil sie leicht war, schob Grethel sie hinein so weit es konnte, und dann machte es geschwind die Thuͤre zu und steckte den eisernen Riegel vor. Nun fing die Alte an in dem heißen Backofen zu schreien und zu jammern, Grethel aber lief fort und sie mußte elendiglich verbrennen. Da lief Grethel zum Haͤnsel, machte ihm sein Thuͤrchen auf und rief: „spring heraus, Haͤnsel, wir sind erloͤst!“ Da sprang Haͤnsel heraus, wie ein eingesperrtes Voͤglein aus dem Bauer. Und sie weinten vor Freude und kuͤßten sich einander. Das ganze Haͤuschen aber war voll von Edelgesteinen und Perlen, damit fuͤllten sie ihre Taschen, gingen fort und suchten den Weg nach Haus. Sie kamen aber vor ein großes Wasser und konnten nicht hinuͤber. Da sah das Schwesterchen ein weißes Entchen hin und her schwimmen, dem rief es zu: „ach, liebes Entchen nimm uns auf deinen Ruͤcken“ als das Entchen das hoͤrte, kam es geschwommen und trug das Grethel hinuͤber und hernach holte es auch das Haͤnsel. Darnach fanden sie bald ihre Heimath, der Vater freute sich herzlich als er sie wieder sah, denn er hatte keinen vergnuͤgten Tag gehabt, seit seine Kinder fort waren. Die Mutter aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0151" n="87"/> war, da wollte sie zumachen und Grethel sollte in dem heißen Ofen backen, und sie wollte es auch aufessen: das dachte die boͤse Hexe, und darum hatte sie Grethel gerufen. Gott gab es aber dem Maͤdchen ein, daß es sprach: „ich weiß nicht, wie ich das anfangen soll, zeige mirs erst, und setz dich auf, ich will dich hineinschieben.“ Da setzte sich die Alte auf das Brett, und weil sie leicht war, schob Grethel sie hinein so weit es konnte, und dann machte es geschwind die Thuͤre zu und steckte den eisernen Riegel vor. Nun fing die Alte an in dem heißen Backofen zu schreien und zu jammern, Grethel aber lief fort und sie mußte elendiglich verbrennen.</p><lb/> <p>Da lief Grethel zum Haͤnsel, machte ihm sein Thuͤrchen auf und rief: „spring heraus, Haͤnsel, wir sind erloͤst!“ Da sprang Haͤnsel heraus, wie ein eingesperrtes Voͤglein aus dem Bauer. Und sie weinten vor Freude und kuͤßten sich einander. Das ganze Haͤuschen aber war voll von Edelgesteinen und Perlen, damit fuͤllten sie ihre Taschen, gingen fort und suchten den Weg nach Haus. Sie kamen aber vor ein großes Wasser und konnten nicht hinuͤber. Da sah das Schwesterchen ein weißes Entchen hin und her schwimmen, dem rief es zu: „ach, liebes Entchen nimm uns auf deinen Ruͤcken“ als das Entchen das hoͤrte, kam es geschwommen und trug das Grethel hinuͤber und hernach holte es auch das Haͤnsel. Darnach fanden sie bald ihre Heimath, der Vater freute sich herzlich als er sie wieder sah, denn er hatte keinen vergnuͤgten Tag gehabt, seit seine Kinder fort waren. Die Mutter aber </p> </div> </body> </text> </TEI> [87/0151]
war, da wollte sie zumachen und Grethel sollte in dem heißen Ofen backen, und sie wollte es auch aufessen: das dachte die boͤse Hexe, und darum hatte sie Grethel gerufen. Gott gab es aber dem Maͤdchen ein, daß es sprach: „ich weiß nicht, wie ich das anfangen soll, zeige mirs erst, und setz dich auf, ich will dich hineinschieben.“ Da setzte sich die Alte auf das Brett, und weil sie leicht war, schob Grethel sie hinein so weit es konnte, und dann machte es geschwind die Thuͤre zu und steckte den eisernen Riegel vor. Nun fing die Alte an in dem heißen Backofen zu schreien und zu jammern, Grethel aber lief fort und sie mußte elendiglich verbrennen.
Da lief Grethel zum Haͤnsel, machte ihm sein Thuͤrchen auf und rief: „spring heraus, Haͤnsel, wir sind erloͤst!“ Da sprang Haͤnsel heraus, wie ein eingesperrtes Voͤglein aus dem Bauer. Und sie weinten vor Freude und kuͤßten sich einander. Das ganze Haͤuschen aber war voll von Edelgesteinen und Perlen, damit fuͤllten sie ihre Taschen, gingen fort und suchten den Weg nach Haus. Sie kamen aber vor ein großes Wasser und konnten nicht hinuͤber. Da sah das Schwesterchen ein weißes Entchen hin und her schwimmen, dem rief es zu: „ach, liebes Entchen nimm uns auf deinen Ruͤcken“ als das Entchen das hoͤrte, kam es geschwommen und trug das Grethel hinuͤber und hernach holte es auch das Haͤnsel. Darnach fanden sie bald ihre Heimath, der Vater freute sich herzlich als er sie wieder sah, denn er hatte keinen vergnuͤgten Tag gehabt, seit seine Kinder fort waren. Die Mutter aber
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
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