Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.Frau, die erschrak, als sie ihn herein treten sah und sprach: "wo kommst du her und wo willst du hin?" "Zu der Frau Königin, der soll ich einen Brief bringen, ich habe mich verirrt und wollte gern hier übernachten." "Du armer Junge, sprach die Frau, du bist hier in ein Räuberhaus gerathen, wenn sie heimkommen, bringen sie dich um." "Jch bin so müd, daß ich nicht weiter kann," antwortete er, legte den Brief auf den Tisch, dann streckte er sich auf eine Bank und schlief ein. Als die Räuber kamen und ihn sahen, fragten sie, was das für ein fremder Knabe wäre? "Aus Barmherzigkeit hab ich ihn geherbergt, sprach die Alte, er soll der Königin einen Brief bringen und hat sich verirrt." Die Räuber nahmen den Brief und brachen ihn auf und lasen darin, daß der Knabe sollte ermordet werden. Da zerriß ihn der Anführer und schrieb einen andern, darin stand, sobald der Knabe käm, sollt er mit der Königstochter vermählt werden. Sie ließen den Knaben schlafen bis zum andern Morgen, da gaben sie ihm den Brief und zeigten ihm den rechten Weg, auf dem er zur Königin gelangte. Als sie den Brief gelesen, ließ sie gleich die Hochzeit anstellen und weil das Glückskind schön war, nahm ihn das Königsfräulein gern zum Mann und sie lebten vergnügt miteinander. Nach einiger Zeit kam der König wieder nach Haus und als er sah, daß die Weissagung erfüllt und das Glückskind mit seiner Tochter verheirathet war, erschrack er und sprach: "wie ist das zugegangen? was hab ich in den Brief geschrieben?" "Lieber Mann, sagte die Königin, hier ist dein Brief, lies selber, was darin steht." Der König las und sah wohl, daß der Brief vertauscht Frau, die erschrak, als sie ihn herein treten sah und sprach: „wo kommst du her und wo willst du hin?“ „Zu der Frau Koͤnigin, der soll ich einen Brief bringen, ich habe mich verirrt und wollte gern hier uͤbernachten.“ „Du armer Junge, sprach die Frau, du bist hier in ein Raͤuberhaus gerathen, wenn sie heimkommen, bringen sie dich um.“ „Jch bin so muͤd, daß ich nicht weiter kann,“ antwortete er, legte den Brief auf den Tisch, dann streckte er sich auf eine Bank und schlief ein. Als die Raͤuber kamen und ihn sahen, fragten sie, was das fuͤr ein fremder Knabe waͤre? „Aus Barmherzigkeit hab ich ihn geherbergt, sprach die Alte, er soll der Koͤnigin einen Brief bringen und hat sich verirrt.“ Die Raͤuber nahmen den Brief und brachen ihn auf und lasen darin, daß der Knabe sollte ermordet werden. Da zerriß ihn der Anfuͤhrer und schrieb einen andern, darin stand, sobald der Knabe kaͤm, sollt er mit der Koͤnigstochter vermaͤhlt werden. Sie ließen den Knaben schlafen bis zum andern Morgen, da gaben sie ihm den Brief und zeigten ihm den rechten Weg, auf dem er zur Koͤnigin gelangte. Als sie den Brief gelesen, ließ sie gleich die Hochzeit anstellen und weil das Gluͤckskind schoͤn war, nahm ihn das Koͤnigsfraͤulein gern zum Mann und sie lebten vergnuͤgt miteinander. Nach einiger Zeit kam der Koͤnig wieder nach Haus und als er sah, daß die Weissagung erfuͤllt und das Gluͤckskind mit seiner Tochter verheirathet war, erschrack er und sprach: „wie ist das zugegangen? was hab ich in den Brief geschrieben?“ „Lieber Mann, sagte die Koͤnigin, hier ist dein Brief, lies selber, was darin steht.“ Der Koͤnig las und sah wohl, daß der Brief vertauscht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0214" n="150"/> Frau, die erschrak, als sie ihn herein treten sah und sprach: „wo kommst du her und wo willst du hin?“ „Zu der Frau Koͤnigin, der soll ich einen Brief bringen, ich habe mich verirrt und wollte gern hier uͤbernachten.“ „Du armer Junge, sprach die Frau, du bist hier in ein Raͤuberhaus gerathen, wenn sie heimkommen, bringen sie dich um.“ „Jch bin so muͤd, daß ich nicht weiter kann,“ antwortete er, legte den Brief auf den Tisch, dann streckte er sich auf eine Bank und schlief ein. Als die Raͤuber kamen und ihn sahen, fragten sie, was das fuͤr ein fremder Knabe waͤre? „Aus Barmherzigkeit hab ich ihn geherbergt, sprach die Alte, er soll der Koͤnigin einen Brief bringen und hat sich verirrt.“ Die Raͤuber nahmen den Brief und brachen ihn auf und lasen darin, daß der Knabe sollte ermordet werden. Da zerriß ihn der Anfuͤhrer und schrieb einen andern, darin stand, sobald der Knabe kaͤm, sollt er mit der Koͤnigstochter vermaͤhlt werden. Sie ließen den Knaben schlafen bis zum andern Morgen, da gaben sie ihm den Brief und zeigten ihm den rechten Weg, auf dem er zur Koͤnigin gelangte. Als sie den Brief gelesen, ließ sie gleich die Hochzeit anstellen und weil das Gluͤckskind schoͤn war, nahm ihn das Koͤnigsfraͤulein gern zum Mann und sie lebten vergnuͤgt miteinander.</p><lb/> <p>Nach einiger Zeit kam der Koͤnig wieder nach Haus und als er sah, daß die Weissagung erfuͤllt und das Gluͤckskind mit seiner Tochter verheirathet war, erschrack er und sprach: „wie ist das zugegangen? was hab ich in den Brief geschrieben?“ „Lieber Mann, sagte die Koͤnigin, hier ist dein Brief, lies selber, was darin steht.“ Der Koͤnig las und sah wohl, daß der Brief vertauscht </p> </div> </body> </text> </TEI> [150/0214]
Frau, die erschrak, als sie ihn herein treten sah und sprach: „wo kommst du her und wo willst du hin?“ „Zu der Frau Koͤnigin, der soll ich einen Brief bringen, ich habe mich verirrt und wollte gern hier uͤbernachten.“ „Du armer Junge, sprach die Frau, du bist hier in ein Raͤuberhaus gerathen, wenn sie heimkommen, bringen sie dich um.“ „Jch bin so muͤd, daß ich nicht weiter kann,“ antwortete er, legte den Brief auf den Tisch, dann streckte er sich auf eine Bank und schlief ein. Als die Raͤuber kamen und ihn sahen, fragten sie, was das fuͤr ein fremder Knabe waͤre? „Aus Barmherzigkeit hab ich ihn geherbergt, sprach die Alte, er soll der Koͤnigin einen Brief bringen und hat sich verirrt.“ Die Raͤuber nahmen den Brief und brachen ihn auf und lasen darin, daß der Knabe sollte ermordet werden. Da zerriß ihn der Anfuͤhrer und schrieb einen andern, darin stand, sobald der Knabe kaͤm, sollt er mit der Koͤnigstochter vermaͤhlt werden. Sie ließen den Knaben schlafen bis zum andern Morgen, da gaben sie ihm den Brief und zeigten ihm den rechten Weg, auf dem er zur Koͤnigin gelangte. Als sie den Brief gelesen, ließ sie gleich die Hochzeit anstellen und weil das Gluͤckskind schoͤn war, nahm ihn das Koͤnigsfraͤulein gern zum Mann und sie lebten vergnuͤgt miteinander.
Nach einiger Zeit kam der Koͤnig wieder nach Haus und als er sah, daß die Weissagung erfuͤllt und das Gluͤckskind mit seiner Tochter verheirathet war, erschrack er und sprach: „wie ist das zugegangen? was hab ich in den Brief geschrieben?“ „Lieber Mann, sagte die Koͤnigin, hier ist dein Brief, lies selber, was darin steht.“ Der Koͤnig las und sah wohl, daß der Brief vertauscht
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
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