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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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sollte ihn ein wenig lausen. Bald schlummerte er ein, blies und schnarchte; da faßte sie ein goldenes Haar und riß es aus und legte es neben sich. "Au weh! rief der Teufel, was ist das?" "Jch hatte einen schweren Traum, sprach die Ellermutter, da hab ich dir in die Haare gefaßt." "Was träumte dir denn?" "Mir träumte ein Marktbrunnen, der sonst Wein quoll, wäre versiegt, und wollte nicht einmal Wasser quellen; was ist wohl Schuld?" "He! wenn sie's wüßten! antwortete der Teufel, es sitzt eine Kröte unter einem Stein im Brunnen, die müssen sie tödten, dann wird er schon wieder anfangen zu fließen." Nun lauste ihn die Ellermutter wieder, bis er einschlief und schnarchte, daß die Fenster zitterten, da riß sie ihm das zweite Haar aus. "Hu! was machst du?" schrie der Teufel zornig. "Sei nicht bös, sprach sie, ich habs im Traume gethan." "Was träumte dir denn?" "Mir träumte, in einem Königreich ständ ein Obstbaum, der hatte sonst goldne Aepfel getragen, und wollte jetzt nicht einmal Laub treiben: was ist wohl Schuld?" "He! wenn sie's wüßten! antwortete der Teufel, an der Wurzel nagt eine Maus, wo sie die tödten, wird er schon wieder Goldäpfel tragen; nagt sie noch weiter, so verdorrt er. Aber laß mich mit deinen Träumen in Ruh und wenn du mich noch einmal weckst, so kriegst du eine Ohrfeige." Die Ellermutter lauste ihn wieder, bis er einschlief und schnarchte; dann faßte sie auch das dritte goldne Haar und riß es aus. Der Teufel fuhr in die Höhe und wollte übel wirthschaften, aber sie besänftigte ihn und sprach: "das sind böse Träume!" -- "Was träumte dir denn?" -- "Mir träumte von

sollte ihn ein wenig lausen. Bald schlummerte er ein, blies und schnarchte; da faßte sie ein goldenes Haar und riß es aus und legte es neben sich. „Au weh! rief der Teufel, was ist das?“ „Jch hatte einen schweren Traum, sprach die Ellermutter, da hab ich dir in die Haare gefaßt.“ „Was traͤumte dir denn?“ „Mir traͤumte ein Marktbrunnen, der sonst Wein quoll, waͤre versiegt, und wollte nicht einmal Wasser quellen; was ist wohl Schuld?“ „He! wenn sie’s wuͤßten! antwortete der Teufel, es sitzt eine Kroͤte unter einem Stein im Brunnen, die muͤssen sie toͤdten, dann wird er schon wieder anfangen zu fließen.“ Nun lauste ihn die Ellermutter wieder, bis er einschlief und schnarchte, daß die Fenster zitterten, da riß sie ihm das zweite Haar aus. „Hu! was machst du?“ schrie der Teufel zornig. „Sei nicht boͤs, sprach sie, ich habs im Traume gethan.“ „Was traͤumte dir denn?“ „Mir traͤumte, in einem Koͤnigreich staͤnd ein Obstbaum, der hatte sonst goldne Aepfel getragen, und wollte jetzt nicht einmal Laub treiben: was ist wohl Schuld?“ „He! wenn sie’s wuͤßten! antwortete der Teufel, an der Wurzel nagt eine Maus, wo sie die toͤdten, wird er schon wieder Goldaͤpfel tragen; nagt sie noch weiter, so verdorrt er. Aber laß mich mit deinen Traͤumen in Ruh und wenn du mich noch einmal weckst, so kriegst du eine Ohrfeige.“ Die Ellermutter lauste ihn wieder, bis er einschlief und schnarchte; dann faßte sie auch das dritte goldne Haar und riß es aus. Der Teufel fuhr in die Hoͤhe und wollte uͤbel wirthschaften, aber sie besaͤnftigte ihn und sprach: „das sind boͤse Traͤume!“ — „Was traͤumte dir denn?“ — „Mir traͤumte von

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[153/0217] sollte ihn ein wenig lausen. Bald schlummerte er ein, blies und schnarchte; da faßte sie ein goldenes Haar und riß es aus und legte es neben sich. „Au weh! rief der Teufel, was ist das?“ „Jch hatte einen schweren Traum, sprach die Ellermutter, da hab ich dir in die Haare gefaßt.“ „Was traͤumte dir denn?“ „Mir traͤumte ein Marktbrunnen, der sonst Wein quoll, waͤre versiegt, und wollte nicht einmal Wasser quellen; was ist wohl Schuld?“ „He! wenn sie’s wuͤßten! antwortete der Teufel, es sitzt eine Kroͤte unter einem Stein im Brunnen, die muͤssen sie toͤdten, dann wird er schon wieder anfangen zu fließen.“ Nun lauste ihn die Ellermutter wieder, bis er einschlief und schnarchte, daß die Fenster zitterten, da riß sie ihm das zweite Haar aus. „Hu! was machst du?“ schrie der Teufel zornig. „Sei nicht boͤs, sprach sie, ich habs im Traume gethan.“ „Was traͤumte dir denn?“ „Mir traͤumte, in einem Koͤnigreich staͤnd ein Obstbaum, der hatte sonst goldne Aepfel getragen, und wollte jetzt nicht einmal Laub treiben: was ist wohl Schuld?“ „He! wenn sie’s wuͤßten! antwortete der Teufel, an der Wurzel nagt eine Maus, wo sie die toͤdten, wird er schon wieder Goldaͤpfel tragen; nagt sie noch weiter, so verdorrt er. Aber laß mich mit deinen Traͤumen in Ruh und wenn du mich noch einmal weckst, so kriegst du eine Ohrfeige.“ Die Ellermutter lauste ihn wieder, bis er einschlief und schnarchte; dann faßte sie auch das dritte goldne Haar und riß es aus. Der Teufel fuhr in die Hoͤhe und wollte uͤbel wirthschaften, aber sie besaͤnftigte ihn und sprach: „das sind boͤse Traͤume!“ — „Was traͤumte dir denn?“ — „Mir traͤumte von

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/217>, abgerufen am 17.05.2024.