Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.Einleitung.
Ueber das Wesen der Märchen.
Kindermärchen werden erzählt, damit in ihrem reinen und milden Lichte die ersten Gedanken und Kräfte des Herzens aufwachen und wachsen; weil aber einen jeden ihre einfache Poesie erfreuen und ihre Wahrheit belehren kann, und weil sie beim Haus bleiben und forterben, werden sie auch Hausmärchen genannt*). Die geschichtliche Sage fügt meist etwas Ungewöhnliches und Ueberraschendes, selbst das Uebersinnliche, geradezu und ernsthaft an das Gewöhnliche, Wohlbekannte und Gegenwärtige, weshalb sie oft eckig, scharf und seltsam erscheint, das Märchen aber steht abseits der Welt in einem umfriedeten, ungestörten Platz, über welchen es hinaus in jene nicht weiter schaut. Darum kennt es weder Namen und Orte, noch eine bestimmte Heimath, und es ist etwas dem ganzen Vaterland gemeinsames. *) Hausmärlein bei Rollenhagen; Abendmärlein, s. Oberlin v. Belzen und das Gedicht von dem Häselin B. 7. -- Rockenmärlein, bei Aventin, bair. Chr. 169 a 406 a.
Einleitung.
Ueber das Wesen der Maͤrchen.
Kindermaͤrchen werden erzaͤhlt, damit in ihrem reinen und milden Lichte die ersten Gedanken und Kraͤfte des Herzens aufwachen und wachsen; weil aber einen jeden ihre einfache Poesie erfreuen und ihre Wahrheit belehren kann, und weil sie beim Haus bleiben und forterben, werden sie auch Hausmaͤrchen genannt*). Die geschichtliche Sage fuͤgt meist etwas Ungewoͤhnliches und Ueberraschendes, selbst das Uebersinnliche, geradezu und ernsthaft an das Gewoͤhnliche, Wohlbekannte und Gegenwaͤrtige, weshalb sie oft eckig, scharf und seltsam erscheint, das Maͤrchen aber steht abseits der Welt in einem umfriedeten, ungestoͤrten Platz, uͤber welchen es hinaus in jene nicht weiter schaut. Darum kennt es weder Namen und Orte, noch eine bestimmte Heimath, und es ist etwas dem ganzen Vaterland gemeinsames. *) Hausmaͤrlein bei Rollenhagen; Abendmaͤrlein, s. Oberlin v. Belzen und das Gedicht von dem Haͤselin B. 7. — Rockenmaͤrlein, bei Aventin, bair. Chr. 169 a 406 a.
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Einleitung.
Ueber das Wesen der Maͤrchen.
Kindermaͤrchen werden erzaͤhlt, damit in ihrem reinen und milden Lichte die ersten Gedanken und Kraͤfte des Herzens aufwachen und wachsen; weil aber einen jeden ihre einfache Poesie erfreuen und ihre Wahrheit belehren kann, und weil sie beim Haus bleiben und forterben, werden sie auch Hausmaͤrchen genannt *). Die geschichtliche Sage fuͤgt meist etwas Ungewoͤhnliches und Ueberraschendes, selbst das Uebersinnliche, geradezu und ernsthaft an das Gewoͤhnliche, Wohlbekannte und Gegenwaͤrtige, weshalb sie oft eckig, scharf und seltsam erscheint, das Maͤrchen aber steht abseits der Welt in einem umfriedeten, ungestoͤrten Platz, uͤber welchen es hinaus in jene nicht weiter schaut. Darum kennt es weder Namen und Orte, noch eine bestimmte Heimath, und es ist etwas dem ganzen Vaterland gemeinsames.
*) Hausmaͤrlein bei Rollenhagen; Abendmaͤrlein, s. Oberlin v. Belzen und das Gedicht von dem Haͤselin B. 7. — Rockenmaͤrlein, bei Aventin, bair. Chr. 169 a 406 a.
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
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