Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.ein alter Mann von der Dornhecke, es solle ein Schloß dahinter stehen, in welchem ein wunderschönes Königsfräulein, Dornröschen genannt, schlafe mit dem ganzen Hofstaat. Er erzählte auch, daß er von seinem Großvater gehört, wie viele Königssöhne gekommen wären, um durch die Dornenhecke zu dringen, aber darin hängen geblieben und eines traurigen Todes gestorben. Da sprach der Jüngling: "das soll mich nicht abschrecken, ich will hindurch und das schöne Dornröschen sehen." Der Alte mogte ihm abrathen, wie er wollte, er hörte gar nicht darauf. Nun waren aber gerade an dem Tag, wo der Königssohn kam, die hundert Jahre verflossen. Und als er sich der Dornhecke näherte, waren es lauter große, schöne Blumen, die thaten sich von selbst aus einander, daß er unbeschädigt hindurch ging; hinter ihm aber thaten sie sich wieder als eine Hecke zusammen. Er kam ins Schloß, da lagen im Hof die Pferde und scheckigen Jagdhunde und schliefen, auf dem Dache saßen die Tauben und hatten das Köpfchen unter den Flügel gesteckt. Und als er ins Haus kam, schliefen die Fliegen an der Wand, der Koch in der Küche hielt noch die Hand, als wollte er den Jungen anpacken und die Magd saß vor dem schwarzen Huhn, das sollte gerupft werden. Da ging er weiter und sah den ganzen Hofstaat da liegen und schlafen und oben drüber den König und die Königin. Da ging er noch weiter und alles war so still, daß einer seinen Athem hören konnte, und endlich kam er zu dem Thurm und öffnete die Thüre zu der kleinen Stube, in welcher Dornröschen schlief. Da lag es und war so schön, daß er die Augen nicht abwenden ein alter Mann von der Dornhecke, es solle ein Schloß dahinter stehen, in welchem ein wunderschoͤnes Koͤnigsfraͤulein, Dornroͤschen genannt, schlafe mit dem ganzen Hofstaat. Er erzaͤhlte auch, daß er von seinem Großvater gehoͤrt, wie viele Koͤnigssoͤhne gekommen waͤren, um durch die Dornenhecke zu dringen, aber darin haͤngen geblieben und eines traurigen Todes gestorben. Da sprach der Juͤngling: „das soll mich nicht abschrecken, ich will hindurch und das schoͤne Dornroͤschen sehen.“ Der Alte mogte ihm abrathen, wie er wollte, er hoͤrte gar nicht darauf. Nun waren aber gerade an dem Tag, wo der Koͤnigssohn kam, die hundert Jahre verflossen. Und als er sich der Dornhecke naͤherte, waren es lauter große, schoͤne Blumen, die thaten sich von selbst aus einander, daß er unbeschaͤdigt hindurch ging; hinter ihm aber thaten sie sich wieder als eine Hecke zusammen. Er kam ins Schloß, da lagen im Hof die Pferde und scheckigen Jagdhunde und schliefen, auf dem Dache saßen die Tauben und hatten das Koͤpfchen unter den Fluͤgel gesteckt. Und als er ins Haus kam, schliefen die Fliegen an der Wand, der Koch in der Kuͤche hielt noch die Hand, als wollte er den Jungen anpacken und die Magd saß vor dem schwarzen Huhn, das sollte gerupft werden. Da ging er weiter und sah den ganzen Hofstaat da liegen und schlafen und oben druͤber den Koͤnig und die Koͤnigin. Da ging er noch weiter und alles war so still, daß einer seinen Athem hoͤren konnte, und endlich kam er zu dem Thurm und oͤffnete die Thuͤre zu der kleinen Stube, in welcher Dornroͤschen schlief. Da lag es und war so schoͤn, daß er die Augen nicht abwenden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0316" n="252"/> ein alter Mann von der Dornhecke, es solle ein Schloß dahinter stehen, in welchem ein wunderschoͤnes Koͤnigsfraͤulein, Dornroͤschen genannt, schlafe mit dem ganzen Hofstaat. 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Und als er ins Haus kam, schliefen die Fliegen an der Wand, der Koch in der Kuͤche hielt noch die Hand, als wollte er den Jungen anpacken und die Magd saß vor dem schwarzen Huhn, das sollte gerupft werden. Da ging er weiter und sah den ganzen Hofstaat da liegen und schlafen und oben druͤber den Koͤnig und die Koͤnigin. Da ging er noch weiter und alles war so still, daß einer seinen Athem hoͤren konnte, und endlich kam er zu dem Thurm und oͤffnete die Thuͤre zu der kleinen Stube, in welcher Dornroͤschen schlief. Da lag es und war so schoͤn, daß er die Augen nicht abwenden </p> </div> </body> </text> </TEI> [252/0316]
ein alter Mann von der Dornhecke, es solle ein Schloß dahinter stehen, in welchem ein wunderschoͤnes Koͤnigsfraͤulein, Dornroͤschen genannt, schlafe mit dem ganzen Hofstaat. Er erzaͤhlte auch, daß er von seinem Großvater gehoͤrt, wie viele Koͤnigssoͤhne gekommen waͤren, um durch die Dornenhecke zu dringen, aber darin haͤngen geblieben und eines traurigen Todes gestorben. Da sprach der Juͤngling: „das soll mich nicht abschrecken, ich will hindurch und das schoͤne Dornroͤschen sehen.“ Der Alte mogte ihm abrathen, wie er wollte, er hoͤrte gar nicht darauf.
Nun waren aber gerade an dem Tag, wo der Koͤnigssohn kam, die hundert Jahre verflossen. Und als er sich der Dornhecke naͤherte, waren es lauter große, schoͤne Blumen, die thaten sich von selbst aus einander, daß er unbeschaͤdigt hindurch ging; hinter ihm aber thaten sie sich wieder als eine Hecke zusammen. Er kam ins Schloß, da lagen im Hof die Pferde und scheckigen Jagdhunde und schliefen, auf dem Dache saßen die Tauben und hatten das Koͤpfchen unter den Fluͤgel gesteckt. Und als er ins Haus kam, schliefen die Fliegen an der Wand, der Koch in der Kuͤche hielt noch die Hand, als wollte er den Jungen anpacken und die Magd saß vor dem schwarzen Huhn, das sollte gerupft werden. Da ging er weiter und sah den ganzen Hofstaat da liegen und schlafen und oben druͤber den Koͤnig und die Koͤnigin. Da ging er noch weiter und alles war so still, daß einer seinen Athem hoͤren konnte, und endlich kam er zu dem Thurm und oͤffnete die Thuͤre zu der kleinen Stube, in welcher Dornroͤschen schlief. Da lag es und war so schoͤn, daß er die Augen nicht abwenden
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
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