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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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Die Hochzeit ward gefeiert, aber der Königstochter lag es beständig im Sinn, daß sie einen so häßlichen Mann hatte nehmen müssen. Da dachte sie Tag und Nacht, wie sie ihn wieder könnte los werden und wünschte nichts sehnlicher. Sie forschte, in welchen Vortheilen doch seine Macht bestände und er entdeckte ihr, daß er einen wunderbaren Ranzen hätte. Nun schmeichelte sie ihm so lange bis er ihr seinen Ranzen gab und wie er endlich in ihrer Gewalt war, verstieß sie ihn und als er das Heer aufbot, da klopfte sie auf den Ranzen, bis noch einmal so viel gegen ihn standen. Da wär er verloren gewesen, wenn er nicht noch sein Hütlein gehabt hätte, das setzte er sich auf und schwenkte es ein paarmal, alsbald fing das Geschütz an zu spielen und schlug alles nieder, so daß die Königstochter selbst kommen und um Gnade bei ihm bitten mußte. Er ließ sich überreden und bewilligte den Frieden; nachdem sie eine Zeit lang wieder beisammen gelebt, fing sie von neuem an ihn auszuforschen und merkte, daß in einem Hütlein seine Macht lag, und schwatzte es ihm endlich ab. Als sie es aber hatte, verjagte sie ihn und gedachte ihn damit zu bezwingen, aber er griff nach seinem Hörnlein und blies hinein; da fiel alles zusammen, Mauern, Festungswerke, Dörfer und Städte und schlugen den König und die Königstochter todt, und wenn er nicht abgesetzt hätte und nur noch ein wenig fortgeblasen, wär alles übern Haufen gestürzt und kein Stein beim andern geblieben. Da war er noch allein übrig und setzte sich zum König über das ganze Reich.


Die Hochzeit ward gefeiert, aber der Koͤnigstochter lag es bestaͤndig im Sinn, daß sie einen so haͤßlichen Mann hatte nehmen muͤssen. Da dachte sie Tag und Nacht, wie sie ihn wieder koͤnnte los werden und wuͤnschte nichts sehnlicher. Sie forschte, in welchen Vortheilen doch seine Macht bestaͤnde und er entdeckte ihr, daß er einen wunderbaren Ranzen haͤtte. Nun schmeichelte sie ihm so lange bis er ihr seinen Ranzen gab und wie er endlich in ihrer Gewalt war, verstieß sie ihn und als er das Heer aufbot, da klopfte sie auf den Ranzen, bis noch einmal so viel gegen ihn standen. Da waͤr er verloren gewesen, wenn er nicht noch sein Huͤtlein gehabt haͤtte, das setzte er sich auf und schwenkte es ein paarmal, alsbald fing das Geschuͤtz an zu spielen und schlug alles nieder, so daß die Koͤnigstochter selbst kommen und um Gnade bei ihm bitten mußte. Er ließ sich uͤberreden und bewilligte den Frieden; nachdem sie eine Zeit lang wieder beisammen gelebt, fing sie von neuem an ihn auszuforschen und merkte, daß in einem Huͤtlein seine Macht lag, und schwatzte es ihm endlich ab. Als sie es aber hatte, verjagte sie ihn und gedachte ihn damit zu bezwingen, aber er griff nach seinem Hoͤrnlein und blies hinein; da fiel alles zusammen, Mauern, Festungswerke, Doͤrfer und Staͤdte und schlugen den Koͤnig und die Koͤnigstochter todt, und wenn er nicht abgesetzt haͤtte und nur noch ein wenig fortgeblasen, waͤr alles uͤbern Haufen gestuͤrzt und kein Stein beim andern geblieben. Da war er noch allein uͤbrig und setzte sich zum Koͤnig uͤber das ganze Reich.


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[279/0343] Die Hochzeit ward gefeiert, aber der Koͤnigstochter lag es bestaͤndig im Sinn, daß sie einen so haͤßlichen Mann hatte nehmen muͤssen. Da dachte sie Tag und Nacht, wie sie ihn wieder koͤnnte los werden und wuͤnschte nichts sehnlicher. Sie forschte, in welchen Vortheilen doch seine Macht bestaͤnde und er entdeckte ihr, daß er einen wunderbaren Ranzen haͤtte. Nun schmeichelte sie ihm so lange bis er ihr seinen Ranzen gab und wie er endlich in ihrer Gewalt war, verstieß sie ihn und als er das Heer aufbot, da klopfte sie auf den Ranzen, bis noch einmal so viel gegen ihn standen. Da waͤr er verloren gewesen, wenn er nicht noch sein Huͤtlein gehabt haͤtte, das setzte er sich auf und schwenkte es ein paarmal, alsbald fing das Geschuͤtz an zu spielen und schlug alles nieder, so daß die Koͤnigstochter selbst kommen und um Gnade bei ihm bitten mußte. Er ließ sich uͤberreden und bewilligte den Frieden; nachdem sie eine Zeit lang wieder beisammen gelebt, fing sie von neuem an ihn auszuforschen und merkte, daß in einem Huͤtlein seine Macht lag, und schwatzte es ihm endlich ab. Als sie es aber hatte, verjagte sie ihn und gedachte ihn damit zu bezwingen, aber er griff nach seinem Hoͤrnlein und blies hinein; da fiel alles zusammen, Mauern, Festungswerke, Doͤrfer und Staͤdte und schlugen den Koͤnig und die Koͤnigstochter todt, und wenn er nicht abgesetzt haͤtte und nur noch ein wenig fortgeblasen, waͤr alles uͤbern Haufen gestuͤrzt und kein Stein beim andern geblieben. Da war er noch allein uͤbrig und setzte sich zum Koͤnig uͤber das ganze Reich.

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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/343>, abgerufen am 27.07.2024.