Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

holte sie alle siebene herab. Darauf schürte er das Feuer und blies es an und setzte sie herum, daß sie sich wärmen sollten. Aber sie saßen da und regten sich nicht und das Feuer ergriff ihre Kleider. Da sprach er: "nehmt euch in Acht, sonst häng ich euch wieder hinauf." Die Todten aber hörten nicht, schwiegen und ließen ihre Lumpen fort brennen. Da ward er bös und sprach: "wenn ihr nicht Acht geben wollt, so kann ich euch nicht helfen, ich will nicht mit euch verbrennen, und hing sie nach der Reihe wieder hinauf. Nun setzte er sich zu seinem Feuer und schlief ein und am andern Morgen, da kam der Mann zu ihm, wollte die funfzig Thaler haben und sprach: nun, weißt du was gruseln ist?" "Nein, antwortete er," "woher sollt ichs wissen? die da droben haben das Maul nicht aufgethan und waren so dumm, daß sie die paar alten Lappen, die sie am Leib haben, brennen ließen." Da sah der Mann daß er die funfzig Thaler heute nicht davon tragen würde und ging fort und sprach: so einer ist mir noch nicht vorgekommen."

Der Junge ging auch seines Weges und fing wieder an vor sich hin zu reden: ach, wenn mirs nur gruselte! ach wenn mirs nur gruselte! Das hörte ein Fuhrmann, der hinter ihm her schritt und fragte: "wer bist du?" "Jch weiß nicht" antwortete der Junge. Der Fuhrmann fragte weiter: "wo bist du her?" "Jch weiß nicht." "Wer ist dein Vater?" "Das darf ich nicht sagen." "Was brummst du so in den Bart hinein?" "Ei, antwortete der Junge, ich wollte, daß mirs gruselte; aber niemand kann mirs lehren." Laß das dumme Geschwätz, sprach der Fuhrmann, komm, geh

holte sie alle siebene herab. Darauf schuͤrte er das Feuer und blies es an und setzte sie herum, daß sie sich waͤrmen sollten. Aber sie saßen da und regten sich nicht und das Feuer ergriff ihre Kleider. Da sprach er: „nehmt euch in Acht, sonst haͤng ich euch wieder hinauf.“ Die Todten aber hoͤrten nicht, schwiegen und ließen ihre Lumpen fort brennen. Da ward er boͤs und sprach: „wenn ihr nicht Acht geben wollt, so kann ich euch nicht helfen, ich will nicht mit euch verbrennen, und hing sie nach der Reihe wieder hinauf. Nun setzte er sich zu seinem Feuer und schlief ein und am andern Morgen, da kam der Mann zu ihm, wollte die funfzig Thaler haben und sprach: nun, weißt du was gruseln ist?“ „Nein, antwortete er,“ „woher sollt ichs wissen? die da droben haben das Maul nicht aufgethan und waren so dumm, daß sie die paar alten Lappen, die sie am Leib haben, brennen ließen.“ Da sah der Mann daß er die funfzig Thaler heute nicht davon tragen wuͤrde und ging fort und sprach: so einer ist mir noch nicht vorgekommen.“

Der Junge ging auch seines Weges und fing wieder an vor sich hin zu reden: ach, wenn mirs nur gruselte! ach wenn mirs nur gruselte! Das hoͤrte ein Fuhrmann, der hinter ihm her schritt und fragte: „wer bist du?“ „Jch weiß nicht“ antwortete der Junge. Der Fuhrmann fragte weiter: „wo bist du her?“ „Jch weiß nicht.“ „Wer ist dein Vater?“ „Das darf ich nicht sagen.“ „Was brummst du so in den Bart hinein?“ „Ei, antwortete der Junge, ich wollte, daß mirs gruselte; aber niemand kann mirs lehren.“ Laß das dumme Geschwaͤtz, sprach der Fuhrmann, komm, geh

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0082" n="18"/>
holte sie alle siebene herab. Darauf schu&#x0364;rte er das Feuer und blies es an und setzte sie herum, daß sie sich wa&#x0364;rmen sollten. Aber sie saßen da und regten sich nicht und das Feuer ergriff ihre Kleider. Da sprach er: &#x201E;nehmt euch in Acht, sonst ha&#x0364;ng ich euch wieder hinauf.&#x201C; Die Todten aber ho&#x0364;rten nicht, schwiegen und ließen ihre Lumpen fort brennen. Da ward er bo&#x0364;s und sprach: &#x201E;wenn ihr nicht Acht geben wollt, so kann ich euch nicht helfen, ich will nicht mit euch verbrennen, und hing sie nach der Reihe wieder hinauf. Nun setzte er sich zu seinem Feuer und schlief ein und am andern Morgen, da kam der Mann zu ihm, wollte die funfzig Thaler haben und sprach: nun, weißt du was gruseln ist?&#x201C; &#x201E;Nein, antwortete er,&#x201C; &#x201E;woher sollt ichs wissen? die da droben haben das Maul nicht aufgethan und waren so dumm, daß sie die paar alten Lappen, die sie am Leib haben, brennen ließen.&#x201C; Da sah der Mann daß er die funfzig Thaler heute nicht davon tragen wu&#x0364;rde und ging fort und sprach: so einer ist mir noch nicht vorgekommen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Junge ging auch seines Weges und fing wieder an vor sich hin zu reden: ach, wenn mirs nur gruselte! ach wenn mirs nur gruselte! Das ho&#x0364;rte ein Fuhrmann, der hinter ihm her schritt und fragte: &#x201E;wer bist du?&#x201C; &#x201E;Jch weiß nicht&#x201C; antwortete der Junge. Der Fuhrmann fragte weiter: &#x201E;wo bist du her?&#x201C; &#x201E;Jch weiß nicht.&#x201C; &#x201E;Wer ist dein Vater?&#x201C; &#x201E;Das darf ich nicht sagen.&#x201C; &#x201E;Was brummst du so in den Bart hinein?&#x201C; &#x201E;Ei, antwortete der Junge, ich wollte, daß mirs gruselte; aber niemand kann mirs lehren.&#x201C; Laß das dumme Geschwa&#x0364;tz, sprach der Fuhrmann, komm, geh
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0082] holte sie alle siebene herab. Darauf schuͤrte er das Feuer und blies es an und setzte sie herum, daß sie sich waͤrmen sollten. Aber sie saßen da und regten sich nicht und das Feuer ergriff ihre Kleider. Da sprach er: „nehmt euch in Acht, sonst haͤng ich euch wieder hinauf.“ Die Todten aber hoͤrten nicht, schwiegen und ließen ihre Lumpen fort brennen. Da ward er boͤs und sprach: „wenn ihr nicht Acht geben wollt, so kann ich euch nicht helfen, ich will nicht mit euch verbrennen, und hing sie nach der Reihe wieder hinauf. Nun setzte er sich zu seinem Feuer und schlief ein und am andern Morgen, da kam der Mann zu ihm, wollte die funfzig Thaler haben und sprach: nun, weißt du was gruseln ist?“ „Nein, antwortete er,“ „woher sollt ichs wissen? die da droben haben das Maul nicht aufgethan und waren so dumm, daß sie die paar alten Lappen, die sie am Leib haben, brennen ließen.“ Da sah der Mann daß er die funfzig Thaler heute nicht davon tragen wuͤrde und ging fort und sprach: so einer ist mir noch nicht vorgekommen.“ Der Junge ging auch seines Weges und fing wieder an vor sich hin zu reden: ach, wenn mirs nur gruselte! ach wenn mirs nur gruselte! Das hoͤrte ein Fuhrmann, der hinter ihm her schritt und fragte: „wer bist du?“ „Jch weiß nicht“ antwortete der Junge. Der Fuhrmann fragte weiter: „wo bist du her?“ „Jch weiß nicht.“ „Wer ist dein Vater?“ „Das darf ich nicht sagen.“ „Was brummst du so in den Bart hinein?“ „Ei, antwortete der Junge, ich wollte, daß mirs gruselte; aber niemand kann mirs lehren.“ Laß das dumme Geschwaͤtz, sprach der Fuhrmann, komm, geh

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/82
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/82>, abgerufen am 15.05.2024.