Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

ihr seyd groß genug und könnt euch selbst ernähren.' Die armen Jungen lagen auf der Erde, flatterten und schlugen mit ihren Fittichen, und schrien 'wir hilflosen Kinder, wir sollen uns ernähren, und können noch nicht fliegen! uns bleibt nichts übrig als hier Hungers zu sterben.' Da stieg der gute Jüngling ab, tödtete das Pferd mit seinem Degen, und überließ es den jungen Raben zum Futter. Die kamen herbeigehüpft, sättigten sich, und riefen 'wir wollen dirs gedenken und dirs vergelten.'

Er mußte jetzt zu Fuße weiter gehen, und als er lange Wege gegangen war, kam er in eine große Stadt. Da war großer Lärm und Gedränge in den Straßen, und kam einer zu Pferde, und machte bekannt, die Königstochter suche einen Gemahl, wer sich aber um sie bewerben wolle, der müsse eine schwere Aufgabe vollbringen, und könne er es nicht glücklich ausführen, so habe er sein Leben verwirkt.' Viele hatten es schon versucht, aber vergeblich ihr Leben daran gesetzt. Der Jüngling, als er die Königstochter in ihrer großen Schönheit sah, vergaß alle Gefahr, trat vor den König, und meldete sich als Freier.

Er ward hinaus ans Meer geführt, und vor seinen Augen ein goldner Ring hineingeworfen; dann ward ihm aufgegeben den Ring aus dem Grunde herauszuholen, und ihm gedroht wenn er ohne ihn wieder in die Höhe käme, so würde er aufs neue hinabgestürzt, und müsse in den Wellen umkommen. Alle bedauerten den schönen Jüngling, und ließen ihn einsam am Meer zurück. Da stand er unentschlossen am Ufer, und überlegte was er wohl thun sollte, als er auf einmal drei Fische daher

ihr seyd groß genug und koͤnnt euch selbst ernaͤhren.’ Die armen Jungen lagen auf der Erde, flatterten und schlugen mit ihren Fittichen, und schrien ‘wir hilflosen Kinder, wir sollen uns ernaͤhren, und koͤnnen noch nicht fliegen! uns bleibt nichts uͤbrig als hier Hungers zu sterben.’ Da stieg der gute Juͤngling ab, toͤdtete das Pferd mit seinem Degen, und uͤberließ es den jungen Raben zum Futter. Die kamen herbeigehuͤpft, saͤttigten sich, und riefen ‘wir wollen dirs gedenken und dirs vergelten.’

Er mußte jetzt zu Fuße weiter gehen, und als er lange Wege gegangen war, kam er in eine große Stadt. Da war großer Laͤrm und Gedraͤnge in den Straßen, und kam einer zu Pferde, und machte bekannt, die Koͤnigstochter suche einen Gemahl, wer sich aber um sie bewerben wolle, der muͤsse eine schwere Aufgabe vollbringen, und koͤnne er es nicht gluͤcklich ausfuͤhren, so habe er sein Leben verwirkt.’ Viele hatten es schon versucht, aber vergeblich ihr Leben daran gesetzt. Der Juͤngling, als er die Koͤnigstochter in ihrer großen Schoͤnheit sah, vergaß alle Gefahr, trat vor den Koͤnig, und meldete sich als Freier.

Er ward hinaus ans Meer gefuͤhrt, und vor seinen Augen ein goldner Ring hineingeworfen; dann ward ihm aufgegeben den Ring aus dem Grunde herauszuholen, und ihm gedroht wenn er ohne ihn wieder in die Hoͤhe kaͤme, so wuͤrde er aufs neue hinabgestuͤrzt, und muͤsse in den Wellen umkommen. Alle bedauerten den schoͤnen Juͤngling, und ließen ihn einsam am Meer zuruͤck. Da stand er unentschlossen am Ufer, und uͤberlegte was er wohl thun sollte, als er auf einmal drei Fische daher

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0142" n="111"/>
ihr seyd groß genug und ko&#x0364;nnt euch selbst erna&#x0364;hren.&#x2019; Die armen Jungen lagen auf der Erde, flatterten und schlugen mit ihren Fittichen, und schrien &#x2018;wir hilflosen Kinder, wir sollen uns erna&#x0364;hren, und ko&#x0364;nnen noch nicht fliegen! uns bleibt nichts u&#x0364;brig als hier Hungers zu sterben.&#x2019; Da stieg der gute Ju&#x0364;ngling ab, to&#x0364;dtete das Pferd mit seinem Degen, und u&#x0364;berließ es den jungen Raben zum Futter. Die kamen herbeigehu&#x0364;pft, sa&#x0364;ttigten sich, und riefen &#x2018;wir wollen dirs gedenken und dirs vergelten.&#x2019;</p><lb/>
        <p>Er mußte jetzt zu Fuße weiter gehen, und als er lange Wege gegangen war, kam er in eine große Stadt. Da war großer La&#x0364;rm und Gedra&#x0364;nge in den Straßen, und kam einer zu Pferde, und machte bekannt, die Ko&#x0364;nigstochter suche einen Gemahl, wer sich aber um sie bewerben wolle, der mu&#x0364;sse eine schwere Aufgabe vollbringen, und ko&#x0364;nne er es nicht glu&#x0364;cklich ausfu&#x0364;hren, so habe er sein Leben verwirkt.&#x2019; Viele hatten es schon versucht, aber vergeblich ihr Leben daran gesetzt. Der Ju&#x0364;ngling, als er die Ko&#x0364;nigstochter in ihrer großen Scho&#x0364;nheit sah, vergaß alle Gefahr, trat vor den Ko&#x0364;nig, und meldete sich als Freier.</p><lb/>
        <p>Er ward hinaus ans Meer gefu&#x0364;hrt, und vor seinen Augen ein goldner Ring hineingeworfen; dann ward ihm aufgegeben den Ring aus dem Grunde herauszuholen, und ihm gedroht wenn er ohne ihn wieder in die Ho&#x0364;he ka&#x0364;me, so wu&#x0364;rde er aufs neue hinabgestu&#x0364;rzt, und mu&#x0364;sse in den Wellen umkommen. Alle bedauerten den scho&#x0364;nen Ju&#x0364;ngling, und ließen ihn einsam am Meer zuru&#x0364;ck. Da stand er unentschlossen am Ufer, und u&#x0364;berlegte was er wohl thun sollte, als er auf einmal drei Fische daher
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0142] ihr seyd groß genug und koͤnnt euch selbst ernaͤhren.’ Die armen Jungen lagen auf der Erde, flatterten und schlugen mit ihren Fittichen, und schrien ‘wir hilflosen Kinder, wir sollen uns ernaͤhren, und koͤnnen noch nicht fliegen! uns bleibt nichts uͤbrig als hier Hungers zu sterben.’ Da stieg der gute Juͤngling ab, toͤdtete das Pferd mit seinem Degen, und uͤberließ es den jungen Raben zum Futter. Die kamen herbeigehuͤpft, saͤttigten sich, und riefen ‘wir wollen dirs gedenken und dirs vergelten.’ Er mußte jetzt zu Fuße weiter gehen, und als er lange Wege gegangen war, kam er in eine große Stadt. Da war großer Laͤrm und Gedraͤnge in den Straßen, und kam einer zu Pferde, und machte bekannt, die Koͤnigstochter suche einen Gemahl, wer sich aber um sie bewerben wolle, der muͤsse eine schwere Aufgabe vollbringen, und koͤnne er es nicht gluͤcklich ausfuͤhren, so habe er sein Leben verwirkt.’ Viele hatten es schon versucht, aber vergeblich ihr Leben daran gesetzt. Der Juͤngling, als er die Koͤnigstochter in ihrer großen Schoͤnheit sah, vergaß alle Gefahr, trat vor den Koͤnig, und meldete sich als Freier. Er ward hinaus ans Meer gefuͤhrt, und vor seinen Augen ein goldner Ring hineingeworfen; dann ward ihm aufgegeben den Ring aus dem Grunde herauszuholen, und ihm gedroht wenn er ohne ihn wieder in die Hoͤhe kaͤme, so wuͤrde er aufs neue hinabgestuͤrzt, und muͤsse in den Wellen umkommen. Alle bedauerten den schoͤnen Juͤngling, und ließen ihn einsam am Meer zuruͤck. Da stand er unentschlossen am Ufer, und uͤberlegte was er wohl thun sollte, als er auf einmal drei Fische daher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/142
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/142>, abgerufen am 28.11.2024.