Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.Waldhäuschen.' Und als er vor dem Thürlein war, klopfte er an, und rief 'lieb Schwesterlein, laß mich herein.' Da gieng die Thür auf, und der König trat hinein, und da stand ein Mädchen, das war so schön wie er noch keins gesehen hatte. Das Mädchen aber war erschrocken daß nicht sein Rehlein sondern ein König mit goldener Krone hereingekommen war. Aber der König sah es freundlich an, reichte ihm die Hand, und sprach 'willst du mit mir gehen auf mein Schloß, und meine liebe Frau werden?' 'Ach ja,' antwortete das Mädchen, 'aber das Rehchen muß auch mit, das verlaß ich nicht.' Sprach der König 'es soll bei dir bleiben, so lange du lebst, und soll ihm an nichts fehlen.' Jndem kam es hereingesprungen, da band es das Schwesterchen wieder an das Binsenseil, nahm es selbst in die Hand, und gieng mit ihm zum Waldhäuschen hinaus. Der König führte das schöne Mädchen in sein Schloß, wo die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert wurde, und war es nun die Frau Königin, und lebten sie lange Zeit vergnügt zusammen; das Rehlein ward gehegt und gepflegt, und sprang in dem Schloßgarten herum. Die böse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hinein gegangen waren, die meinte nicht anders, als Schwesterchen wäre von den wilden Thieren im Walde zerrissen worden, und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern todt geschossen. Als sie nun hörte daß sie so glücklich waren, und es ihnen so wohl gieng, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen rege, und zwickten und nagten daran, und sie hatte keinen andern Gedanken, als Waldhäuschen.’ Und als er vor dem Thürlein war, klopfte er an, und rief ‘lieb Schwesterlein, laß mich herein.’ Da gieng die Thür auf, und der König trat hinein, und da stand ein Mädchen, das war so schön wie er noch keins gesehen hatte. Das Mädchen aber war erschrocken daß nicht sein Rehlein sondern ein König mit goldener Krone hereingekommen war. Aber der König sah es freundlich an, reichte ihm die Hand, und sprach ‘willst du mit mir gehen auf mein Schloß, und meine liebe Frau werden?’ ‘Ach ja,’ antwortete das Mädchen, ‘aber das Rehchen muß auch mit, das verlaß ich nicht.’ Sprach der König ‘es soll bei dir bleiben, so lange du lebst, und soll ihm an nichts fehlen.’ Jndem kam es hereingesprungen, da band es das Schwesterchen wieder an das Binsenseil, nahm es selbst in die Hand, und gieng mit ihm zum Waldhäuschen hinaus. Der König führte das schöne Mädchen in sein Schloß, wo die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert wurde, und war es nun die Frau Königin, und lebten sie lange Zeit vergnügt zusammen; das Rehlein ward gehegt und gepflegt, und sprang in dem Schloßgarten herum. Die böse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hinein gegangen waren, die meinte nicht anders, als Schwesterchen wäre von den wilden Thieren im Walde zerrissen worden, und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern todt geschossen. Als sie nun hörte daß sie so glücklich waren, und es ihnen so wohl gieng, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen rege, und zwickten und nagten daran, und sie hatte keinen andern Gedanken, als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb n="72" facs="#f0121"/> Waldhäuschen.’ Und als er vor dem Thürlein war, klopfte er an, und rief ‘lieb Schwesterlein, laß mich herein.’ Da gieng die Thür auf, und der König trat hinein, und da stand ein Mädchen, das war so schön wie er noch keins gesehen hatte. Das Mädchen aber war erschrocken daß nicht sein Rehlein sondern ein König mit goldener Krone hereingekommen war. Aber der König sah es freundlich an, reichte ihm die Hand, und sprach ‘willst du mit mir gehen auf mein Schloß, und meine liebe Frau werden?’ ‘Ach ja,’ antwortete das Mädchen, ‘aber das Rehchen muß auch mit, das verlaß ich nicht.’ Sprach der König ‘es soll bei dir bleiben, so lange du lebst, und soll ihm an nichts fehlen.’ Jndem kam es hereingesprungen, da band es das Schwesterchen wieder an das Binsenseil, nahm es selbst in die Hand, und gieng mit ihm zum Waldhäuschen hinaus.</p><lb/> <p>Der König führte das schöne Mädchen in sein Schloß, wo die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert wurde, und war es nun die Frau Königin, und lebten sie lange Zeit vergnügt zusammen; das Rehlein ward gehegt und gepflegt, und sprang in dem Schloßgarten herum. Die böse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hinein gegangen waren, die meinte nicht anders, als Schwesterchen wäre von den wilden Thieren im Walde zerrissen worden, und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern todt geschossen. Als sie nun hörte daß sie so glücklich waren, und es ihnen so wohl gieng, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen rege, und zwickten und nagten daran, und sie hatte keinen andern Gedanken, als </p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0121]
Waldhäuschen.’ Und als er vor dem Thürlein war, klopfte er an, und rief ‘lieb Schwesterlein, laß mich herein.’ Da gieng die Thür auf, und der König trat hinein, und da stand ein Mädchen, das war so schön wie er noch keins gesehen hatte. Das Mädchen aber war erschrocken daß nicht sein Rehlein sondern ein König mit goldener Krone hereingekommen war. Aber der König sah es freundlich an, reichte ihm die Hand, und sprach ‘willst du mit mir gehen auf mein Schloß, und meine liebe Frau werden?’ ‘Ach ja,’ antwortete das Mädchen, ‘aber das Rehchen muß auch mit, das verlaß ich nicht.’ Sprach der König ‘es soll bei dir bleiben, so lange du lebst, und soll ihm an nichts fehlen.’ Jndem kam es hereingesprungen, da band es das Schwesterchen wieder an das Binsenseil, nahm es selbst in die Hand, und gieng mit ihm zum Waldhäuschen hinaus.
Der König führte das schöne Mädchen in sein Schloß, wo die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert wurde, und war es nun die Frau Königin, und lebten sie lange Zeit vergnügt zusammen; das Rehlein ward gehegt und gepflegt, und sprang in dem Schloßgarten herum. Die böse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hinein gegangen waren, die meinte nicht anders, als Schwesterchen wäre von den wilden Thieren im Walde zerrissen worden, und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern todt geschossen. Als sie nun hörte daß sie so glücklich waren, und es ihnen so wohl gieng, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen rege, und zwickten und nagten daran, und sie hatte keinen andern Gedanken, als
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-07-24T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |