Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.in die Kinderstube, aber um Mitternacht erschien die Königin wieder und sprach 'was macht mein Kind? was macht mein Reh? Nun komm ich noch einmal und dann nimmermehr.' Und pflegte dann des Kindes, wie sie gewöhnlich that, eh sie verschwand. Der König getraute sich nicht sie anzureden; aber die folgende Nacht wachte er wieder, da sprach sie abermals 'was macht mein Kind? was macht mein Reh? Nun komm ich noch diesmal und dann nimmermehr.' Da konnte sich der König nicht zurückhalten, sprang zu ihr, und sprach 'du kannst niemand anders sein, als meine liebe Frau.' Da antwortete sie 'ja, ich bin deine liebe Frau,' und hatte in dem Augenblick durch Gottes Gnade das Leben wieder erhalten, war frisch, roth und gesund. Darauf erzählte sie dem König den Frevel, den die böse Hexe und ihre Tochter an ihr begangen hatten. Der König ließ beide vor Gericht führen, und sie wurden verurtheilt; die Tochter ward in Wald geführt, wo sie die wilden Thiere zerrissen, wie sie sie erblickten; die Hexe aber ward ins Feuer gelegt, und mußte jammervoll verbrennen. Und wie sie davon verzehrt war, verwandelte sich auch das Rehkälbchen, und erhielt seine menschliche Gestalt wieder; und Schwesterchen und Brüderchen lebten glücklich zusammen bis an ihr Ende. in die Kinderstube, aber um Mitternacht erschien die Königin wieder und sprach ‘was macht mein Kind? was macht mein Reh? Nun komm ich noch einmal und dann nimmermehr.’ Und pflegte dann des Kindes, wie sie gewöhnlich that, eh sie verschwand. Der König getraute sich nicht sie anzureden; aber die folgende Nacht wachte er wieder, da sprach sie abermals ‘was macht mein Kind? was macht mein Reh? Nun komm ich noch diesmal und dann nimmermehr.’ Da konnte sich der König nicht zurückhalten, sprang zu ihr, und sprach ‘du kannst niemand anders sein, als meine liebe Frau.’ Da antwortete sie ‘ja, ich bin deine liebe Frau,’ und hatte in dem Augenblick durch Gottes Gnade das Leben wieder erhalten, war frisch, roth und gesund. Darauf erzählte sie dem König den Frevel, den die böse Hexe und ihre Tochter an ihr begangen hatten. Der König ließ beide vor Gericht führen, und sie wurden verurtheilt; die Tochter ward in Wald geführt, wo sie die wilden Thiere zerrissen, wie sie sie erblickten; die Hexe aber ward ins Feuer gelegt, und mußte jammervoll verbrennen. Und wie sie davon verzehrt war, verwandelte sich auch das Rehkälbchen, und erhielt seine menschliche Gestalt wieder; und Schwesterchen und Brüderchen lebten glücklich zusammen bis an ihr Ende. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0124" n="75"/> in die Kinderstube, aber um Mitternacht erschien die Königin wieder und sprach</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘was macht mein Kind? was macht mein Reh?</l><lb/> <l>Nun komm ich noch einmal und dann nimmermehr.’</l><lb/> </lg> <p>Und pflegte dann des Kindes, wie sie gewöhnlich that, eh sie verschwand. Der König getraute sich nicht sie anzureden; aber die folgende Nacht wachte er wieder, da sprach sie abermals</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘was macht mein Kind? was macht mein Reh?</l><lb/> <l>Nun komm ich noch diesmal und dann nimmermehr.’</l><lb/> </lg> <p>Da konnte sich der König nicht zurückhalten, sprang zu ihr, und sprach ‘du kannst niemand anders sein, als meine liebe Frau.’ Da antwortete sie ‘ja, ich bin deine liebe Frau,’ und hatte in dem Augenblick durch Gottes Gnade das Leben wieder erhalten, war frisch, roth und gesund. Darauf erzählte sie dem König den Frevel, den die böse Hexe und ihre Tochter an ihr begangen hatten. Der König ließ beide vor Gericht führen, und sie wurden verurtheilt; die Tochter ward in Wald geführt, wo sie die wilden Thiere zerrissen, wie sie sie erblickten; die Hexe aber ward ins Feuer gelegt, und mußte jammervoll verbrennen. Und wie sie davon verzehrt war, verwandelte sich auch das Rehkälbchen, und erhielt seine menschliche Gestalt wieder; und Schwesterchen und Brüderchen lebten glücklich zusammen bis an ihr Ende.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [75/0124]
in die Kinderstube, aber um Mitternacht erschien die Königin wieder und sprach
‘was macht mein Kind? was macht mein Reh?
Nun komm ich noch einmal und dann nimmermehr.’
Und pflegte dann des Kindes, wie sie gewöhnlich that, eh sie verschwand. Der König getraute sich nicht sie anzureden; aber die folgende Nacht wachte er wieder, da sprach sie abermals
‘was macht mein Kind? was macht mein Reh?
Nun komm ich noch diesmal und dann nimmermehr.’
Da konnte sich der König nicht zurückhalten, sprang zu ihr, und sprach ‘du kannst niemand anders sein, als meine liebe Frau.’ Da antwortete sie ‘ja, ich bin deine liebe Frau,’ und hatte in dem Augenblick durch Gottes Gnade das Leben wieder erhalten, war frisch, roth und gesund. Darauf erzählte sie dem König den Frevel, den die böse Hexe und ihre Tochter an ihr begangen hatten. Der König ließ beide vor Gericht führen, und sie wurden verurtheilt; die Tochter ward in Wald geführt, wo sie die wilden Thiere zerrissen, wie sie sie erblickten; die Hexe aber ward ins Feuer gelegt, und mußte jammervoll verbrennen. Und wie sie davon verzehrt war, verwandelte sich auch das Rehkälbchen, und erhielt seine menschliche Gestalt wieder; und Schwesterchen und Brüderchen lebten glücklich zusammen bis an ihr Ende.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-07-24T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |