Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.still, Grethel, und gräme dich nicht, ich will uns schon helfen.' Damit stieg er auf, zog sein Röcklein an, machte die Unterthüre auf, und schlich hinaus. Da schien der Mond hell, und die weißen Kieselsteine glänzten wie lauter Batzen. Hänsel bückte sich, und steckte so viel in sein Rocktäschlein als nur hinein wollten, dann gieng er zurück ins Haus. 'Tröste dich, Grethel, und schlaf nur ruhig' sprach er, legte sich wieder ins Bett und schlief ein. Morgens früh, ehe die Sonne noch aufgegangen war, kam die Frau und weckte die beiden Kinder, 'steht auf, wir wollen in den Wald gehen. Da hat jedes von euch ein Stücklein Brot, aber haltets zu Rath, und hebts euch für den Mittag auf.' Grethel nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte, dann machten sie sich auf den Weg zum Wald hinein. Wie sie ein Weilchen gegangen waren, stand Hänsel still, und guckte nach dem Haus zurück, bald darauf wieder und immer wieder. Der Vater sprach 'Hänsel, was guckst du da, und bleibst zurück, hab Acht und vergiß deine Beine nicht.' 'Ach, Vater, ich seh nach meinem weißen Kätzchen, das sitzt oben auf dem Dach und will mir Ade sagen.' Die Frau sprach 'Narr, das ist dein Kätzchen nicht, das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein scheint.' Hänsel aber hatte nicht nach dem Kätzchen gesehen, sondern immer einen von den blanken Kieselsteinen aus seiner Tasche auf den Weg geworfen. Wie sie mitten in den Wald gekommen waren, sprach der still, Grethel, und gräme dich nicht, ich will uns schon helfen.’ Damit stieg er auf, zog sein Röcklein an, machte die Unterthüre auf, und schlich hinaus. Da schien der Mond hell, und die weißen Kieselsteine glänzten wie lauter Batzen. Hänsel bückte sich, und steckte so viel in sein Rocktäschlein als nur hinein wollten, dann gieng er zurück ins Haus. ‘Tröste dich, Grethel, und schlaf nur ruhig’ sprach er, legte sich wieder ins Bett und schlief ein. Morgens früh, ehe die Sonne noch aufgegangen war, kam die Frau und weckte die beiden Kinder, ‘steht auf, wir wollen in den Wald gehen. Da hat jedes von euch ein Stücklein Brot, aber haltets zu Rath, und hebts euch für den Mittag auf.’ Grethel nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte, dann machten sie sich auf den Weg zum Wald hinein. Wie sie ein Weilchen gegangen waren, stand Hänsel still, und guckte nach dem Haus zurück, bald darauf wieder und immer wieder. Der Vater sprach ‘Hänsel, was guckst du da, und bleibst zurück, hab Acht und vergiß deine Beine nicht.’ ‘Ach, Vater, ich seh nach meinem weißen Kätzchen, das sitzt oben auf dem Dach und will mir Ade sagen.’ Die Frau sprach ‘Narr, das ist dein Kätzchen nicht, das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein scheint.’ Hänsel aber hatte nicht nach dem Kätzchen gesehen, sondern immer einen von den blanken Kieselsteinen aus seiner Tasche auf den Weg geworfen. Wie sie mitten in den Wald gekommen waren, sprach der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0143" n="94"/> still, Grethel, und gräme dich nicht, ich will uns schon helfen.’ Damit stieg er auf, zog sein Röcklein an, machte die Unterthüre auf, und schlich hinaus. Da schien der Mond hell, und die weißen Kieselsteine glänzten wie lauter Batzen. Hänsel bückte sich, und steckte so viel in sein Rocktäschlein als nur hinein wollten, dann gieng er zurück ins Haus. ‘Tröste dich, Grethel, und schlaf nur ruhig’ sprach er, legte sich wieder ins Bett und schlief ein.</p><lb/> <p>Morgens früh, ehe die Sonne noch aufgegangen war, kam die Frau und weckte die beiden Kinder, ‘steht auf, wir wollen in den Wald gehen. Da hat jedes von euch ein Stücklein Brot, aber haltets zu Rath, und hebts euch für den Mittag auf.’ Grethel nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte, dann machten sie sich auf den Weg zum Wald hinein. Wie sie ein Weilchen gegangen waren, stand Hänsel still, und guckte nach dem Haus zurück, bald darauf wieder und immer wieder. Der Vater sprach ‘Hänsel, was guckst du da, und bleibst zurück, hab Acht und vergiß deine Beine nicht.’ ‘Ach, Vater, ich seh nach meinem weißen Kätzchen, das sitzt oben auf dem Dach und will mir Ade sagen.’ Die Frau sprach ‘Narr, das ist dein Kätzchen nicht, das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein scheint.’ Hänsel aber hatte nicht nach dem Kätzchen gesehen, sondern immer einen von den blanken Kieselsteinen aus seiner Tasche auf den Weg geworfen.</p><lb/> <p>Wie sie mitten in den Wald gekommen waren, sprach der </p> </div> </body> </text> </TEI> [94/0143]
still, Grethel, und gräme dich nicht, ich will uns schon helfen.’ Damit stieg er auf, zog sein Röcklein an, machte die Unterthüre auf, und schlich hinaus. Da schien der Mond hell, und die weißen Kieselsteine glänzten wie lauter Batzen. Hänsel bückte sich, und steckte so viel in sein Rocktäschlein als nur hinein wollten, dann gieng er zurück ins Haus. ‘Tröste dich, Grethel, und schlaf nur ruhig’ sprach er, legte sich wieder ins Bett und schlief ein.
Morgens früh, ehe die Sonne noch aufgegangen war, kam die Frau und weckte die beiden Kinder, ‘steht auf, wir wollen in den Wald gehen. Da hat jedes von euch ein Stücklein Brot, aber haltets zu Rath, und hebts euch für den Mittag auf.’ Grethel nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte, dann machten sie sich auf den Weg zum Wald hinein. Wie sie ein Weilchen gegangen waren, stand Hänsel still, und guckte nach dem Haus zurück, bald darauf wieder und immer wieder. Der Vater sprach ‘Hänsel, was guckst du da, und bleibst zurück, hab Acht und vergiß deine Beine nicht.’ ‘Ach, Vater, ich seh nach meinem weißen Kätzchen, das sitzt oben auf dem Dach und will mir Ade sagen.’ Die Frau sprach ‘Narr, das ist dein Kätzchen nicht, das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein scheint.’ Hänsel aber hatte nicht nach dem Kätzchen gesehen, sondern immer einen von den blanken Kieselsteinen aus seiner Tasche auf den Weg geworfen.
Wie sie mitten in den Wald gekommen waren, sprach der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-07-24T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |