Streich, das ist meine Sache.' Er nahm sich einen Strick und eine Axt mit, und gieng hinaus in den Wald, und hieß abermals die, welche ihm zugeordnet waren, außen warten. Er brauchte nicht lange zu suchen, das Einhorn kam bald daher gesprungen und geradezu auf den Schneider los, als wollte es ihn ohne Umstände aufspießen. 'Sachte, sachte,' sprach er, 'so geschwind geht das nicht,' blieb stehen, und wartete bis das Thier ganz nahe war, dann sprang er behendiglich hinter den Baum, und das Einhorn rannte mit aller Kraft gegen den Baum, und spießte sein Horn so fest in den Stamm, daß es nicht Kraft genug hatte es wieder heraus zu ziehen, und gefangen war. 'Jetzt hab ich das Vöglein' sagte der Schneider, kam hinter dem Baum hervor, legte dem Einhorn den Strick um den Hals, hieb mit der Axt das Horn aus dem Baum, und führte es vor den König.
Der König aber wollte ihm den verheißenen Lohn noch nicht gewähren, sondern verlangte von dem Schneiderlein es müste ihm vor der Hochzeit erst ein Wildschwein fangen, das in dem Wald großen Schaden that; die Jäger sollten ihm Beistand leisten. 'Gerne,' sprach der Schneider, 'das ist ein Kinderspiel.' Die Jäger nahm er nicht mit in den Wald, und sie warens wohl zufrieden, denn das Wildschwein hatte sie schon mehrmals so empfangen, daß sie keine Lust hatten ihm nachzustellen. Das Schwein, als es den Schneider erblickte, lief mit schäumenden Munde und wetzenden Zähnen auf ihn zu, und wollte ihn zur Erde werfen, der flüchtige Held aber sprang in eine Kapelle,
Streich, das ist meine Sache.’ Er nahm sich einen Strick und eine Axt mit, und gieng hinaus in den Wald, und hieß abermals die, welche ihm zugeordnet waren, außen warten. Er brauchte nicht lange zu suchen, das Einhorn kam bald daher gesprungen und geradezu auf den Schneider los, als wollte es ihn ohne Umstände aufspießen. ‘Sachte, sachte,’ sprach er, ‘so geschwind geht das nicht,’ blieb stehen, und wartete bis das Thier ganz nahe war, dann sprang er behendiglich hinter den Baum, und das Einhorn rannte mit aller Kraft gegen den Baum, und spießte sein Horn so fest in den Stamm, daß es nicht Kraft genug hatte es wieder heraus zu ziehen, und gefangen war. ‘Jetzt hab ich das Vöglein’ sagte der Schneider, kam hinter dem Baum hervor, legte dem Einhorn den Strick um den Hals, hieb mit der Axt das Horn aus dem Baum, und führte es vor den König.
Der König aber wollte ihm den verheißenen Lohn noch nicht gewähren, sondern verlangte von dem Schneiderlein es müste ihm vor der Hochzeit erst ein Wildschwein fangen, das in dem Wald großen Schaden that; die Jäger sollten ihm Beistand leisten. ‘Gerne,’ sprach der Schneider, ‘das ist ein Kinderspiel.’ Die Jäger nahm er nicht mit in den Wald, und sie warens wohl zufrieden, denn das Wildschwein hatte sie schon mehrmals so empfangen, daß sie keine Lust hatten ihm nachzustellen. Das Schwein, als es den Schneider erblickte, lief mit schäumenden Munde und wetzenden Zähnen auf ihn zu, und wollte ihn zur Erde werfen, der flüchtige Held aber sprang in eine Kapelle,
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Streich, das ist meine Sache.’ Er nahm sich einen Strick und eine Axt mit, und gieng hinaus in den Wald, und hieß abermals die, welche ihm zugeordnet waren, außen warten. Er brauchte nicht lange zu suchen, das Einhorn kam bald daher gesprungen und geradezu auf den Schneider los, als wollte es ihn ohne Umstände aufspießen. ‘Sachte, sachte,’ sprach er, ‘so geschwind geht das nicht,’ blieb stehen, und wartete bis das Thier ganz nahe war, dann sprang er behendiglich hinter den Baum, und das Einhorn rannte mit aller Kraft gegen den Baum, und spießte sein Horn so fest in den Stamm, daß es nicht Kraft genug hatte es wieder heraus zu ziehen, und gefangen war. ‘Jetzt hab ich das Vöglein’ sagte der Schneider, kam hinter dem Baum hervor, legte dem Einhorn den Strick um den Hals, hieb mit der Axt das Horn aus dem Baum, und führte es vor den König.</p><lb/><p>Der König aber wollte ihm den verheißenen Lohn noch nicht gewähren, sondern verlangte von dem Schneiderlein es müste ihm vor der Hochzeit erst ein Wildschwein fangen, das in dem Wald großen Schaden that; die Jäger sollten ihm Beistand leisten. ‘Gerne,’ sprach der Schneider, ‘das ist ein Kinderspiel.’ Die Jäger nahm er nicht mit in den Wald, und sie warens wohl zufrieden, denn das Wildschwein hatte sie schon mehrmals so empfangen, daß sie keine Lust hatten ihm nachzustellen. Das Schwein, als es den Schneider erblickte, lief mit schäumenden Munde und wetzenden Zähnen auf ihn zu, und wollte ihn zur Erde werfen, der flüchtige Held aber sprang in eine Kapelle,
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Streich, das ist meine Sache.’ Er nahm sich einen Strick und eine Axt mit, und gieng hinaus in den Wald, und hieß abermals die, welche ihm zugeordnet waren, außen warten. Er brauchte nicht lange zu suchen, das Einhorn kam bald daher gesprungen und geradezu auf den Schneider los, als wollte es ihn ohne Umstände aufspießen. ‘Sachte, sachte,’ sprach er, ‘so geschwind geht das nicht,’ blieb stehen, und wartete bis das Thier ganz nahe war, dann sprang er behendiglich hinter den Baum, und das Einhorn rannte mit aller Kraft gegen den Baum, und spießte sein Horn so fest in den Stamm, daß es nicht Kraft genug hatte es wieder heraus zu ziehen, und gefangen war. ‘Jetzt hab ich das Vöglein’ sagte der Schneider, kam hinter dem Baum hervor, legte dem Einhorn den Strick um den Hals, hieb mit der Axt das Horn aus dem Baum, und führte es vor den König.
Der König aber wollte ihm den verheißenen Lohn noch nicht gewähren, sondern verlangte von dem Schneiderlein es müste ihm vor der Hochzeit erst ein Wildschwein fangen, das in dem Wald großen Schaden that; die Jäger sollten ihm Beistand leisten. ‘Gerne,’ sprach der Schneider, ‘das ist ein Kinderspiel.’ Die Jäger nahm er nicht mit in den Wald, und sie warens wohl zufrieden, denn das Wildschwein hatte sie schon mehrmals so empfangen, daß sie keine Lust hatten ihm nachzustellen. Das Schwein, als es den Schneider erblickte, lief mit schäumenden Munde und wetzenden Zähnen auf ihn zu, und wollte ihn zur Erde werfen, der flüchtige Held aber sprang in eine Kapelle,
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/183>, abgerufen am 16.02.2025.
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