in ihrer Gewalt haben, so zerhacken sie dich ohne Barmherzigkeit, kochen dich und essen dich, denn es sind Menschenfresser. Wenn ich nicht Mitleiden mit dir habe und dich rette, so bist du verloren.'
Darauf mußte sich das Mädchen hinter ein großes Faß verstecken. 'Sei wie ein Mäuschen still,' sagte die Alte, 'rege dich nicht und bewege dich nicht, sonst ists um dich geschehen. Nachts wenn die Räuber schlafen, wollen wir entfliehen, ich habe schon lange auf eine Gelegenheit gewartet.' Sie versteckte das Mädchen hinter ein Faß, und kaum war das geschehen, so kam die gottlose Rotte nach Haus. Sie brachten eine andere Jungfrau mitgeschleppt, waren trunken, und hörten nicht auf ihr Schreien und Jammern. Sie gaben ihr Wein zu trinken, drei Gläser voll, ein Glas weißen, ein Glas rothen, und ein Glas gelben, davon zersprang ihr das Herz. Darauf rissen sie ihr die feinen Kleider ab, legten sie auf einen Tisch, und zerhackten ihren schönen Leib in Stücke, und streuten Salz darüber. Die arme Braut hinter dem Faß zitterte und bebte, denn sie sah wohl daß ihr die Räuber ein gleiches Schicksal zugedacht hatten. Einer von ihnen bemerkte an dem kleinen Finger der Gemordeten einen goldenen Ring, und als er sich nicht gleich abziehen ließ, so nahm er ein Beil, und hackte den Finger ab: aber der Finger sprang in die Höhe, und fiel der Braut gerade in den Schooß. Der Räuber nahm ein Licht, und wollte ihn suchen, konnte ihn aber nicht finden. Da sprach ein anderer 'hast du auch schon hinter dem großen Fasse gesucht?' 'Ei,'
in ihrer Gewalt haben, so zerhacken sie dich ohne Barmherzigkeit, kochen dich und essen dich, denn es sind Menschenfresser. Wenn ich nicht Mitleiden mit dir habe und dich rette, so bist du verloren.’
Darauf mußte sich das Mädchen hinter ein großes Faß verstecken. ‘Sei wie ein Mäuschen still,’ sagte die Alte, ‘rege dich nicht und bewege dich nicht, sonst ists um dich geschehen. Nachts wenn die Räuber schlafen, wollen wir entfliehen, ich habe schon lange auf eine Gelegenheit gewartet.’ Sie versteckte das Mädchen hinter ein Faß, und kaum war das geschehen, so kam die gottlose Rotte nach Haus. Sie brachten eine andere Jungfrau mitgeschleppt, waren trunken, und hörten nicht auf ihr Schreien und Jammern. Sie gaben ihr Wein zu trinken, drei Gläser voll, ein Glas weißen, ein Glas rothen, und ein Glas gelben, davon zersprang ihr das Herz. Darauf rissen sie ihr die feinen Kleider ab, legten sie auf einen Tisch, und zerhackten ihren schönen Leib in Stücke, und streuten Salz darüber. Die arme Braut hinter dem Faß zitterte und bebte, denn sie sah wohl daß ihr die Räuber ein gleiches Schicksal zugedacht hatten. Einer von ihnen bemerkte an dem kleinen Finger der Gemordeten einen goldenen Ring, und als er sich nicht gleich abziehen ließ, so nahm er ein Beil, und hackte den Finger ab: aber der Finger sprang in die Höhe, und fiel der Braut gerade in den Schooß. Der Räuber nahm ein Licht, und wollte ihn suchen, konnte ihn aber nicht finden. Da sprach ein anderer ‘hast du auch schon hinter dem großen Fasse gesucht?’ ‘Ei,’
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0297"n="248"/>
in ihrer Gewalt haben, so zerhacken sie dich ohne Barmherzigkeit, kochen dich und essen dich, denn es sind Menschenfresser. Wenn ich nicht Mitleiden mit dir habe und dich rette, so bist du verloren.’</p><lb/><p>Darauf mußte sich das Mädchen hinter ein großes Faß verstecken. ‘Sei wie ein Mäuschen still,’ sagte die Alte, ‘rege dich nicht und bewege dich nicht, sonst ists um dich geschehen. Nachts wenn die Räuber schlafen, wollen wir entfliehen, ich habe schon lange auf eine Gelegenheit gewartet.’ Sie versteckte das Mädchen hinter ein Faß, und kaum war das geschehen, so kam die gottlose Rotte nach Haus. Sie brachten eine andere Jungfrau mitgeschleppt, waren trunken, und hörten nicht auf ihr Schreien und Jammern. Sie gaben ihr Wein zu trinken, drei Gläser voll, ein Glas weißen, ein Glas rothen, und ein Glas gelben, davon zersprang ihr das Herz. Darauf rissen sie ihr die feinen Kleider ab, legten sie auf einen Tisch, und zerhackten ihren schönen Leib in Stücke, und streuten Salz darüber. Die arme Braut hinter dem Faß zitterte und bebte, denn sie sah wohl daß ihr die Räuber ein gleiches Schicksal zugedacht hatten. Einer von ihnen bemerkte an dem kleinen Finger der Gemordeten einen goldenen Ring, und als er sich nicht gleich abziehen ließ, so nahm er ein Beil, und hackte den Finger ab: aber der Finger sprang in die Höhe, und fiel der Braut gerade in den Schooß. Der Räuber nahm ein Licht, und wollte ihn suchen, konnte ihn aber nicht finden. Da sprach ein anderer ‘hast du auch schon hinter dem großen Fasse gesucht?’‘Ei,’</p></div></body></text></TEI>
[248/0297]
in ihrer Gewalt haben, so zerhacken sie dich ohne Barmherzigkeit, kochen dich und essen dich, denn es sind Menschenfresser. Wenn ich nicht Mitleiden mit dir habe und dich rette, so bist du verloren.’
Darauf mußte sich das Mädchen hinter ein großes Faß verstecken. ‘Sei wie ein Mäuschen still,’ sagte die Alte, ‘rege dich nicht und bewege dich nicht, sonst ists um dich geschehen. Nachts wenn die Räuber schlafen, wollen wir entfliehen, ich habe schon lange auf eine Gelegenheit gewartet.’ Sie versteckte das Mädchen hinter ein Faß, und kaum war das geschehen, so kam die gottlose Rotte nach Haus. Sie brachten eine andere Jungfrau mitgeschleppt, waren trunken, und hörten nicht auf ihr Schreien und Jammern. Sie gaben ihr Wein zu trinken, drei Gläser voll, ein Glas weißen, ein Glas rothen, und ein Glas gelben, davon zersprang ihr das Herz. Darauf rissen sie ihr die feinen Kleider ab, legten sie auf einen Tisch, und zerhackten ihren schönen Leib in Stücke, und streuten Salz darüber. Die arme Braut hinter dem Faß zitterte und bebte, denn sie sah wohl daß ihr die Räuber ein gleiches Schicksal zugedacht hatten. Einer von ihnen bemerkte an dem kleinen Finger der Gemordeten einen goldenen Ring, und als er sich nicht gleich abziehen ließ, so nahm er ein Beil, und hackte den Finger ab: aber der Finger sprang in die Höhe, und fiel der Braut gerade in den Schooß. Der Räuber nahm ein Licht, und wollte ihn suchen, konnte ihn aber nicht finden. Da sprach ein anderer ‘hast du auch schon hinter dem großen Fasse gesucht?’ ‘Ei,’
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/297>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.