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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.

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42.
Der Herr Gevatter.

Ein armer Mann hatte so viel Kinder, daß er schon alle Welt zu Gevatter gebeten hatte, und als er noch eins bekam, so war niemand mehr übrig, den er bitten konnte. Er wußte nicht was er anfangen sollte, legte sich in seiner Betrübnis nieder, und schlief ein. Da träumte ihm er sollte vor das Thor gehen, und den ersten, der ihm begegnete, zu Gevatter bitten. Als er aufgewacht war, beschloß er dem Traume zu folgen, gieng hinaus vor das Thor, und den ersten, der ihm begegnete, bat er zu Gevatter. Der Fremde schenkte ihm ein Gläschen mit Wasser, und sagte 'das ist ein wunderbares Wasser, damit kannst du die Kranken gesund machen, du mußt nur sehen wo der Tod steht. Steht er beim Kopf, so gib dem Kranken von dem Wasser, und er wird wieder gesund werden, steht er aber bei den Füßen, so ist alle Mühe vergebens, er muß sterben.' Der Mann konnte von nun an immer sagen ob ein Kranker zu retten war oder nicht, ward berühmt durch seine Kunst, und verdiente viel Geld. Einmal ward er zu dem Kinde des Königs gerufen, und als er eintrat, sah er den Tod bei dem Kopfe stehen, und heilte es mit dem Wasser, und so war es auch bei dem zweitenmal,

42.
Der Herr Gevatter.

Ein armer Mann hatte so viel Kinder, daß er schon alle Welt zu Gevatter gebeten hatte, und als er noch eins bekam, so war niemand mehr übrig, den er bitten konnte. Er wußte nicht was er anfangen sollte, legte sich in seiner Betrübnis nieder, und schlief ein. Da träumte ihm er sollte vor das Thor gehen, und den ersten, der ihm begegnete, zu Gevatter bitten. Als er aufgewacht war, beschloß er dem Traume zu folgen, gieng hinaus vor das Thor, und den ersten, der ihm begegnete, bat er zu Gevatter. Der Fremde schenkte ihm ein Gläschen mit Wasser, und sagte ‘das ist ein wunderbares Wasser, damit kannst du die Kranken gesund machen, du mußt nur sehen wo der Tod steht. Steht er beim Kopf, so gib dem Kranken von dem Wasser, und er wird wieder gesund werden, steht er aber bei den Füßen, so ist alle Mühe vergebens, er muß sterben.’ Der Mann konnte von nun an immer sagen ob ein Kranker zu retten war oder nicht, ward berühmt durch seine Kunst, und verdiente viel Geld. Einmal ward er zu dem Kinde des Königs gerufen, und als er eintrat, sah er den Tod bei dem Kopfe stehen, und heilte es mit dem Wasser, und so war es auch bei dem zweitenmal,

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[254/0303] 42. Der Herr Gevatter. Ein armer Mann hatte so viel Kinder, daß er schon alle Welt zu Gevatter gebeten hatte, und als er noch eins bekam, so war niemand mehr übrig, den er bitten konnte. Er wußte nicht was er anfangen sollte, legte sich in seiner Betrübnis nieder, und schlief ein. Da träumte ihm er sollte vor das Thor gehen, und den ersten, der ihm begegnete, zu Gevatter bitten. Als er aufgewacht war, beschloß er dem Traume zu folgen, gieng hinaus vor das Thor, und den ersten, der ihm begegnete, bat er zu Gevatter. Der Fremde schenkte ihm ein Gläschen mit Wasser, und sagte ‘das ist ein wunderbares Wasser, damit kannst du die Kranken gesund machen, du mußt nur sehen wo der Tod steht. Steht er beim Kopf, so gib dem Kranken von dem Wasser, und er wird wieder gesund werden, steht er aber bei den Füßen, so ist alle Mühe vergebens, er muß sterben.’ Der Mann konnte von nun an immer sagen ob ein Kranker zu retten war oder nicht, ward berühmt durch seine Kunst, und verdiente viel Geld. Einmal ward er zu dem Kinde des Königs gerufen, und als er eintrat, sah er den Tod bei dem Kopfe stehen, und heilte es mit dem Wasser, und so war es auch bei dem zweitenmal,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/303>, abgerufen am 22.11.2024.