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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.

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eingeladen war, und ohne jemand zu grüßen und anzusehen, rief sie mit lauter Stimme 'die Königstochter soll sich in ihrem funfzehnten Jahr an einer Spindel stechen, und todt hinfallen.' Nach diesen Worten kehrte sie sich um, und verließ den Saal, und alle standen erschrocken, da trat die zwölfte hervor, die noch einen Wunsch übrig hatte, und weil sie den bösen Ausspruch nicht aufheben, sondern ihn nur mildern konnte, so sprach sie 'es soll aber kein Tod seyn, sondern ein hundertjähriger tiefer Schlaf, in welchen die Königstochter fällt.'

Der König, der sein liebes Kind vor dem Unglück gern bewahren wollte, ließ den Befehl ausgehen, daß alle Spindeln im ganzen Königreiche sollten abgeschafft werden. An dem Mädchen aber wurden die Gaben der weisen Frauen sämmtlich erfüllt, denn es war so schön, sittsam, freundlich und verständig, daß es jedermann, der es ansah, lieb haben mußte. Es geschah, daß an dem Tage, wo es gerade funfzehn Jahr alt ward, der König und die Königin nicht zu Haus waren, und das Mädchen ganz allein im Schloß zurückblieb. Da gieng es aller Orten herum, besah Stuben und Kammern, wie es Lust hatte, und kam endlich auch an einen alten Thurm. Es stieg eine enge Treppe hinauf, und gelangte zu einer kleinen Thüre. Jn dem Schloß steckte ein verrosteter Schlüssel, und als es umdrehte, sprang die Thüre auf, und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau, und spann emsig ihren Flachs. 'Ei du altes Mütterchen,' sprach die Königstochter, 'was machst du da?' 'Jch spinne,' sagte die Alte, und nickte mit dem Kopf. 'Wie das Ding so lustig herumspringt!'

eingeladen war, und ohne jemand zu grüßen und anzusehen, rief sie mit lauter Stimme ‘die Königstochter soll sich in ihrem funfzehnten Jahr an einer Spindel stechen, und todt hinfallen.’ Nach diesen Worten kehrte sie sich um, und verließ den Saal, und alle standen erschrocken, da trat die zwölfte hervor, die noch einen Wunsch übrig hatte, und weil sie den bösen Ausspruch nicht aufheben, sondern ihn nur mildern konnte, so sprach sie ‘es soll aber kein Tod seyn, sondern ein hundertjähriger tiefer Schlaf, in welchen die Königstochter fällt.’

Der König, der sein liebes Kind vor dem Unglück gern bewahren wollte, ließ den Befehl ausgehen, daß alle Spindeln im ganzen Königreiche sollten abgeschafft werden. An dem Mädchen aber wurden die Gaben der weisen Frauen sämmtlich erfüllt, denn es war so schön, sittsam, freundlich und verständig, daß es jedermann, der es ansah, lieb haben mußte. Es geschah, daß an dem Tage, wo es gerade funfzehn Jahr alt ward, der König und die Königin nicht zu Haus waren, und das Mädchen ganz allein im Schloß zurückblieb. Da gieng es aller Orten herum, besah Stuben und Kammern, wie es Lust hatte, und kam endlich auch an einen alten Thurm. Es stieg eine enge Treppe hinauf, und gelangte zu einer kleinen Thüre. Jn dem Schloß steckte ein verrosteter Schlüssel, und als es umdrehte, sprang die Thüre auf, und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau, und spann emsig ihren Flachs. ‘Ei du altes Mütterchen,’ sprach die Königstochter, ‘was machst du da?’ ‘Jch spinne,’ sagte die Alte, und nickte mit dem Kopf. ‘Wie das Ding so lustig herumspringt!’

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[299/0348] eingeladen war, und ohne jemand zu grüßen und anzusehen, rief sie mit lauter Stimme ‘die Königstochter soll sich in ihrem funfzehnten Jahr an einer Spindel stechen, und todt hinfallen.’ Nach diesen Worten kehrte sie sich um, und verließ den Saal, und alle standen erschrocken, da trat die zwölfte hervor, die noch einen Wunsch übrig hatte, und weil sie den bösen Ausspruch nicht aufheben, sondern ihn nur mildern konnte, so sprach sie ‘es soll aber kein Tod seyn, sondern ein hundertjähriger tiefer Schlaf, in welchen die Königstochter fällt.’ Der König, der sein liebes Kind vor dem Unglück gern bewahren wollte, ließ den Befehl ausgehen, daß alle Spindeln im ganzen Königreiche sollten abgeschafft werden. An dem Mädchen aber wurden die Gaben der weisen Frauen sämmtlich erfüllt, denn es war so schön, sittsam, freundlich und verständig, daß es jedermann, der es ansah, lieb haben mußte. Es geschah, daß an dem Tage, wo es gerade funfzehn Jahr alt ward, der König und die Königin nicht zu Haus waren, und das Mädchen ganz allein im Schloß zurückblieb. Da gieng es aller Orten herum, besah Stuben und Kammern, wie es Lust hatte, und kam endlich auch an einen alten Thurm. Es stieg eine enge Treppe hinauf, und gelangte zu einer kleinen Thüre. Jn dem Schloß steckte ein verrosteter Schlüssel, und als es umdrehte, sprang die Thüre auf, und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau, und spann emsig ihren Flachs. ‘Ei du altes Mütterchen,’ sprach die Königstochter, ‘was machst du da?’ ‘Jch spinne,’ sagte die Alte, und nickte mit dem Kopf. ‘Wie das Ding so lustig herumspringt!’

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/348>, abgerufen am 24.11.2024.