Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
51.
Fundevogel.

Es war einmal ein Förster, der gieng in den Wald auf die Jagd, und wie er in den Wald kam, hörte er schreien, als obs ein kleines Kind wäre, und gieng dem Schreien nach, da sah er endlich einen hohen Baum, und oben darauf saß ein kleines Kind. Es war aber die Mutter mit dem Kinde unter dem Baum eingeschlafen, und ein Raubvogel hatte das Kind in ihrem Schooße gesehen, da flog er hinzu, nahm es mit seinem Schnabel weg, und setzte es auf den hohen Baum.

Der Förster stieg hinauf, holte das Kind herunter, und dachte 'du willst das Kind mit nach Haus nehmen, und mit deinem Lenchen zusammen aufziehn,' und brachte es heim, und die zwei Kinder wuchsen mit einander auf. Das aber, das auf dem Baum gefunden worden war, und weil es ein Vogel weggetragen hatte, wurde Fundevogel geheißen. Fundevogel und Lenchen hatten sich so lieb, nein so lieb, daß wenn eins das andere nicht sah, wurde es traurig.

Der Förster hatte aber eine alte Köchin, die nahm eines Abends zwei Eimer, und fieng an Wasser zu schleppen, und gieng nicht einmal sondern vielemal hinaus an den Brunnen,

51.
Fundevogel.

Es war einmal ein Förster, der gieng in den Wald auf die Jagd, und wie er in den Wald kam, hörte er schreien, als obs ein kleines Kind wäre, und gieng dem Schreien nach, da sah er endlich einen hohen Baum, und oben darauf saß ein kleines Kind. Es war aber die Mutter mit dem Kinde unter dem Baum eingeschlafen, und ein Raubvogel hatte das Kind in ihrem Schooße gesehen, da flog er hinzu, nahm es mit seinem Schnabel weg, und setzte es auf den hohen Baum.

Der Förster stieg hinauf, holte das Kind herunter, und dachte ‘du willst das Kind mit nach Haus nehmen, und mit deinem Lenchen zusammen aufziehn,’ und brachte es heim, und die zwei Kinder wuchsen mit einander auf. Das aber, das auf dem Baum gefunden worden war, und weil es ein Vogel weggetragen hatte, wurde Fundevogel geheißen. Fundevogel und Lenchen hatten sich so lieb, nein so lieb, daß wenn eins das andere nicht sah, wurde es traurig.

Der Förster hatte aber eine alte Köchin, die nahm eines Abends zwei Eimer, und fieng an Wasser zu schleppen, und gieng nicht einmal sondern vielemal hinaus an den Brunnen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0352" n="303"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">51.<lb/>
Fundevogel.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s war einmal ein Förster, der gieng in den Wald auf die Jagd, und wie er in den Wald kam, hörte er schreien, als obs ein kleines Kind wäre, und gieng dem Schreien nach, da sah er endlich einen hohen Baum, und oben darauf saß ein kleines Kind. Es war aber die Mutter mit dem Kinde unter dem Baum eingeschlafen, und ein Raubvogel hatte das Kind in ihrem Schooße gesehen, da flog er hinzu, nahm es mit seinem Schnabel weg, und setzte es auf den hohen Baum.</p><lb/>
        <p>Der Förster stieg hinauf, holte das Kind herunter, und dachte &#x2018;du willst das Kind mit nach Haus nehmen, und mit deinem Lenchen zusammen aufziehn,&#x2019; und brachte es heim, und die zwei Kinder wuchsen mit einander auf. Das aber, das auf dem Baum gefunden worden war, und weil es ein Vogel weggetragen hatte, wurde <hi rendition="#g">Fundevogel</hi> geheißen. Fundevogel und Lenchen hatten sich so lieb, nein so lieb, daß wenn eins das andere nicht sah, wurde es traurig.</p><lb/>
        <p>Der Förster hatte aber eine alte Köchin, die nahm eines Abends zwei Eimer, und fieng an Wasser zu schleppen, und gieng nicht einmal sondern vielemal hinaus an den Brunnen,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[303/0352] 51. Fundevogel. Es war einmal ein Förster, der gieng in den Wald auf die Jagd, und wie er in den Wald kam, hörte er schreien, als obs ein kleines Kind wäre, und gieng dem Schreien nach, da sah er endlich einen hohen Baum, und oben darauf saß ein kleines Kind. Es war aber die Mutter mit dem Kinde unter dem Baum eingeschlafen, und ein Raubvogel hatte das Kind in ihrem Schooße gesehen, da flog er hinzu, nahm es mit seinem Schnabel weg, und setzte es auf den hohen Baum. Der Förster stieg hinauf, holte das Kind herunter, und dachte ‘du willst das Kind mit nach Haus nehmen, und mit deinem Lenchen zusammen aufziehn,’ und brachte es heim, und die zwei Kinder wuchsen mit einander auf. Das aber, das auf dem Baum gefunden worden war, und weil es ein Vogel weggetragen hatte, wurde Fundevogel geheißen. Fundevogel und Lenchen hatten sich so lieb, nein so lieb, daß wenn eins das andere nicht sah, wurde es traurig. Der Förster hatte aber eine alte Köchin, die nahm eines Abends zwei Eimer, und fieng an Wasser zu schleppen, und gieng nicht einmal sondern vielemal hinaus an den Brunnen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-07-24T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/352
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/352>, abgerufen am 21.11.2024.