Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

und schlief ein. Er legte aber den Kopf auf einen Pferdeschädel, damit er hart liege, und bald wieder erwache. Jndessen war die Königstochter, die auch gut laufen konnte, so gut als ein gewöhnlicher Mensch vermag, zu dem Brunnen gekommen, und lief mit ihrem Krug voll Wasser zurück, und als sie den Laufer da liegen und schlafen sah, war sie froh, und sprach 'der Feind ist in meine Hände gegeben,' leerte seinen Krug aus, und sprang weiter. Nun wär alles verloren gewesen, wenn nicht zu gutem Glück der Jäger mit seinen scharfen Augen oben auf dem Schloß gestanden und alles mit angesehen hätte. Da sprach er 'die Königstochter soll dennoch gegen uns nicht aufkommen,' lud seine Büchse, und schoß so geschickt, daß er dem Laufer den Pferdeschädel unter dem Kopf wegschoß ohne ihm weh zu thun. Da erwachte der Laufer, sprang in die Höhe, und sah daß sein Krug leer und die Königstochter schon weit vor ihm war. Aber er verlor den Muth nicht, faßte den Krug, lief wieder zum Brunnen zurück, schöpfte aufs neue Wasser, und war noch zehn Minuten eher als die Königstochter daheim, und gewann sie also seinem Herrn. 'Seht ihr,' sprach er, 'jetzt hab ich erst die Beine aufgehoben, vorher wars gar kein Laufen zu nennen.'

Den König aber kränkte es, und seine Tochter noch mehr, daß sie so ein gemeiner, abgedankter Soldat davon tragen sollte, und sie rathschlagten mit einander wie sie ihn sammt seinen Gesellen los würden. Da sprach der König zu ihr 'ich habe ein Mittel gefunden, laß dir nicht bang sein, sie sollen nicht wieder heim kommen.' Und sprach zu ihnen 'ihr sollt euch nun zusammen

und schlief ein. Er legte aber den Kopf auf einen Pferdeschädel, damit er hart liege, und bald wieder erwache. Jndessen war die Königstochter, die auch gut laufen konnte, so gut als ein gewöhnlicher Mensch vermag, zu dem Brunnen gekommen, und lief mit ihrem Krug voll Wasser zurück, und als sie den Laufer da liegen und schlafen sah, war sie froh, und sprach ‘der Feind ist in meine Hände gegeben,’ leerte seinen Krug aus, und sprang weiter. Nun wär alles verloren gewesen, wenn nicht zu gutem Glück der Jäger mit seinen scharfen Augen oben auf dem Schloß gestanden und alles mit angesehen hätte. Da sprach er ‘die Königstochter soll dennoch gegen uns nicht aufkommen,’ lud seine Büchse, und schoß so geschickt, daß er dem Laufer den Pferdeschädel unter dem Kopf wegschoß ohne ihm weh zu thun. Da erwachte der Laufer, sprang in die Höhe, und sah daß sein Krug leer und die Königstochter schon weit vor ihm war. Aber er verlor den Muth nicht, faßte den Krug, lief wieder zum Brunnen zurück, schöpfte aufs neue Wasser, und war noch zehn Minuten eher als die Königstochter daheim, und gewann sie also seinem Herrn. ‘Seht ihr,’ sprach er, ‘jetzt hab ich erst die Beine aufgehoben, vorher wars gar kein Laufen zu nennen.’

Den König aber kränkte es, und seine Tochter noch mehr, daß sie so ein gemeiner, abgedankter Soldat davon tragen sollte, und sie rathschlagten mit einander wie sie ihn sammt seinen Gesellen los würden. Da sprach der König zu ihr ‘ich habe ein Mittel gefunden, laß dir nicht bang sein, sie sollen nicht wieder heim kommen.’ Und sprach zu ihnen ‘ihr sollt euch nun zusammen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0494" n="445"/>
und schlief ein. Er legte aber den Kopf auf einen Pferdeschädel, damit er hart liege, und bald wieder erwache. Jndessen war die Königstochter, die auch gut laufen konnte, so gut als ein gewöhnlicher Mensch vermag, zu dem Brunnen gekommen, und lief mit ihrem Krug voll Wasser zurück, und als sie den Laufer da liegen und schlafen sah, war sie froh, und sprach &#x2018;der Feind ist in meine Hände gegeben,&#x2019; leerte seinen Krug aus, und sprang weiter. Nun wär alles verloren gewesen, wenn nicht zu gutem Glück der Jäger mit seinen scharfen Augen oben auf dem Schloß gestanden und alles mit angesehen hätte. Da sprach er &#x2018;die Königstochter soll dennoch gegen uns nicht aufkommen,&#x2019; lud seine Büchse, und schoß so geschickt, daß er dem Laufer den Pferdeschädel unter dem Kopf wegschoß ohne ihm weh zu thun. Da erwachte der Laufer, sprang in die Höhe, und sah daß sein Krug leer und die Königstochter schon weit vor ihm war. Aber er verlor den Muth nicht, faßte den Krug, lief wieder zum Brunnen zurück, schöpfte aufs neue Wasser, und war noch zehn Minuten eher als die Königstochter daheim, und gewann sie also seinem Herrn. &#x2018;Seht ihr,&#x2019; sprach er, &#x2018;jetzt hab ich erst die Beine aufgehoben, vorher wars gar kein Laufen zu nennen.&#x2019;</p><lb/>
        <p>Den König aber kränkte es, und seine Tochter noch mehr, daß sie so ein gemeiner, abgedankter Soldat davon tragen sollte, und sie rathschlagten mit einander wie sie ihn sammt seinen Gesellen los würden. Da sprach der König zu ihr &#x2018;ich habe ein Mittel gefunden, laß dir nicht bang sein, sie sollen nicht wieder heim kommen.&#x2019; Und sprach zu ihnen &#x2018;ihr sollt euch nun zusammen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[445/0494] und schlief ein. Er legte aber den Kopf auf einen Pferdeschädel, damit er hart liege, und bald wieder erwache. Jndessen war die Königstochter, die auch gut laufen konnte, so gut als ein gewöhnlicher Mensch vermag, zu dem Brunnen gekommen, und lief mit ihrem Krug voll Wasser zurück, und als sie den Laufer da liegen und schlafen sah, war sie froh, und sprach ‘der Feind ist in meine Hände gegeben,’ leerte seinen Krug aus, und sprang weiter. Nun wär alles verloren gewesen, wenn nicht zu gutem Glück der Jäger mit seinen scharfen Augen oben auf dem Schloß gestanden und alles mit angesehen hätte. Da sprach er ‘die Königstochter soll dennoch gegen uns nicht aufkommen,’ lud seine Büchse, und schoß so geschickt, daß er dem Laufer den Pferdeschädel unter dem Kopf wegschoß ohne ihm weh zu thun. Da erwachte der Laufer, sprang in die Höhe, und sah daß sein Krug leer und die Königstochter schon weit vor ihm war. Aber er verlor den Muth nicht, faßte den Krug, lief wieder zum Brunnen zurück, schöpfte aufs neue Wasser, und war noch zehn Minuten eher als die Königstochter daheim, und gewann sie also seinem Herrn. ‘Seht ihr,’ sprach er, ‘jetzt hab ich erst die Beine aufgehoben, vorher wars gar kein Laufen zu nennen.’ Den König aber kränkte es, und seine Tochter noch mehr, daß sie so ein gemeiner, abgedankter Soldat davon tragen sollte, und sie rathschlagten mit einander wie sie ihn sammt seinen Gesellen los würden. Da sprach der König zu ihr ‘ich habe ein Mittel gefunden, laß dir nicht bang sein, sie sollen nicht wieder heim kommen.’ Und sprach zu ihnen ‘ihr sollt euch nun zusammen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-07-24T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/494
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/494>, abgerufen am 21.11.2024.