Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

machen, wo ich unbekannt bin.' Weil es also ihr Wille nicht recht war, und sie doch von einander nicht lassen wollten, wünschte er sie zu einer schönen Nelke, und steckte sie bei sich.

Da zog er fort, und der Pudelhund mußte mit laufen, und er zog in sein Vaterland. Nun gieng er zu dem Thurm, wo seine Mutter darin saß, und weil der Thurm so hoch war, wünschte er eine Leiter, die bis oben hin reichte. Da stieg er hinauf, und sah hinein, und rief 'herzliebste Mutter, Frau Königin, seid ihr noch am Leben, oder seid ihr todt?' Sie antwortete 'ich habe ja eben gegessen, und bin noch satt,' und meinte die Engel wären da. Sprach er 'ich bin euer lieber Sohn, den die wilden Thiere euch sollen vom Schooß geraubt haben; aber ich bin noch am Leben, und will euch bald erretten.' Nun stieg er herab, und gieng zu seinem Herrn Vater, und ließ sich anmelden als ein fremder Jäger, ob der könnte Dienste bei ihm haben. Antwortete der König ja, wenn er gelernt wäre, und ihm Wildprett schaffen könnte, sollte er herkommen; es hatte sich aber auf der ganzen Gränze und Gegend niemals Wild aufgehalten. Da versprach der Jäger er wollte ihm so viel schaffen, als er nur auf der königlichen Tafel brauchen könnte. Dann hieß er die Jägerei zusammen kommen, sie sollten alle mit ihm hinaus in den Wald gehen. Da giengen sie mit, und draußen hieß er sie einen großen Kreiß schließen, der an einem Ende offen blieb, und dann stellte er sich hinein, und fieng an zu wünschen. Alsbald kamen zweihundert und etliche Stück Wildprett in den Kreiß gelaufen, und die Jäger mußten es schießen. Da ward es auf

machen, wo ich unbekannt bin.’ Weil es also ihr Wille nicht recht war, und sie doch von einander nicht lassen wollten, wünschte er sie zu einer schönen Nelke, und steckte sie bei sich.

Da zog er fort, und der Pudelhund mußte mit laufen, und er zog in sein Vaterland. Nun gieng er zu dem Thurm, wo seine Mutter darin saß, und weil der Thurm so hoch war, wünschte er eine Leiter, die bis oben hin reichte. Da stieg er hinauf, und sah hinein, und rief ‘herzliebste Mutter, Frau Königin, seid ihr noch am Leben, oder seid ihr todt?’ Sie antwortete ‘ich habe ja eben gegessen, und bin noch satt,’ und meinte die Engel wären da. Sprach er ‘ich bin euer lieber Sohn, den die wilden Thiere euch sollen vom Schooß geraubt haben; aber ich bin noch am Leben, und will euch bald erretten.’ Nun stieg er herab, und gieng zu seinem Herrn Vater, und ließ sich anmelden als ein fremder Jäger, ob der könnte Dienste bei ihm haben. Antwortete der König ja, wenn er gelernt wäre, und ihm Wildprett schaffen könnte, sollte er herkommen; es hatte sich aber auf der ganzen Gränze und Gegend niemals Wild aufgehalten. Da versprach der Jäger er wollte ihm so viel schaffen, als er nur auf der königlichen Tafel brauchen könnte. Dann hieß er die Jägerei zusammen kommen, sie sollten alle mit ihm hinaus in den Wald gehen. Da giengen sie mit, und draußen hieß er sie einen großen Kreiß schließen, der an einem Ende offen blieb, und dann stellte er sich hinein, und fieng an zu wünschen. Alsbald kamen zweihundert und etliche Stück Wildprett in den Kreiß gelaufen, und die Jäger mußten es schießen. Da ward es auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0511" n="462"/>
machen, wo ich unbekannt bin.&#x2019; Weil es also ihr Wille nicht recht war, und sie doch von einander nicht lassen wollten, wünschte er sie zu einer schönen Nelke, und steckte sie bei sich.</p><lb/>
        <p>Da zog er fort, und der Pudelhund mußte mit laufen, und er zog in sein Vaterland. Nun gieng er zu dem Thurm, wo seine Mutter darin saß, und weil der Thurm so hoch war, wünschte er eine Leiter, die bis oben hin reichte. Da stieg er hinauf, und sah hinein, und rief &#x2018;herzliebste Mutter, Frau Königin, seid ihr noch am Leben, oder seid ihr todt?&#x2019; Sie antwortete &#x2018;ich habe ja eben gegessen, und bin noch satt,&#x2019; und meinte die Engel wären da. Sprach er &#x2018;ich bin euer lieber Sohn, den die wilden Thiere euch sollen vom Schooß geraubt haben; aber ich bin noch am Leben, und will euch bald erretten.&#x2019; Nun stieg er herab, und gieng zu seinem Herrn Vater, und ließ sich anmelden als ein fremder Jäger, ob der könnte Dienste bei ihm haben. Antwortete der König ja, wenn er gelernt wäre, und ihm Wildprett schaffen könnte, sollte er herkommen; es hatte sich aber auf der ganzen Gränze und Gegend niemals Wild aufgehalten. Da versprach der Jäger er wollte ihm so viel schaffen, als er nur auf der königlichen Tafel brauchen könnte. Dann hieß er die Jägerei zusammen kommen, sie sollten alle mit ihm hinaus in den Wald gehen. Da giengen sie mit, und draußen hieß er sie einen großen Kreiß schließen, der an einem Ende offen blieb, und dann stellte er sich hinein, und fieng an zu wünschen. Alsbald kamen zweihundert und etliche Stück Wildprett in den Kreiß gelaufen, und die Jäger mußten es schießen. Da ward es auf
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[462/0511] machen, wo ich unbekannt bin.’ Weil es also ihr Wille nicht recht war, und sie doch von einander nicht lassen wollten, wünschte er sie zu einer schönen Nelke, und steckte sie bei sich. Da zog er fort, und der Pudelhund mußte mit laufen, und er zog in sein Vaterland. Nun gieng er zu dem Thurm, wo seine Mutter darin saß, und weil der Thurm so hoch war, wünschte er eine Leiter, die bis oben hin reichte. Da stieg er hinauf, und sah hinein, und rief ‘herzliebste Mutter, Frau Königin, seid ihr noch am Leben, oder seid ihr todt?’ Sie antwortete ‘ich habe ja eben gegessen, und bin noch satt,’ und meinte die Engel wären da. Sprach er ‘ich bin euer lieber Sohn, den die wilden Thiere euch sollen vom Schooß geraubt haben; aber ich bin noch am Leben, und will euch bald erretten.’ Nun stieg er herab, und gieng zu seinem Herrn Vater, und ließ sich anmelden als ein fremder Jäger, ob der könnte Dienste bei ihm haben. Antwortete der König ja, wenn er gelernt wäre, und ihm Wildprett schaffen könnte, sollte er herkommen; es hatte sich aber auf der ganzen Gränze und Gegend niemals Wild aufgehalten. Da versprach der Jäger er wollte ihm so viel schaffen, als er nur auf der königlichen Tafel brauchen könnte. Dann hieß er die Jägerei zusammen kommen, sie sollten alle mit ihm hinaus in den Wald gehen. Da giengen sie mit, und draußen hieß er sie einen großen Kreiß schließen, der an einem Ende offen blieb, und dann stellte er sich hinein, und fieng an zu wünschen. Alsbald kamen zweihundert und etliche Stück Wildprett in den Kreiß gelaufen, und die Jäger mußten es schießen. Da ward es auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-07-24T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/511
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/511>, abgerufen am 21.11.2024.