Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.Gast holen.' Als der Herr den Rücken gekehrt hatte, legte das Grethel den Spieß mit den Hühnern beiseits, und dachte 'so lange da beim Feuer stehen, macht schwitzen und durstig, wer weiß wann die kommen! derweil spring ich in den Keller, und thue einen Schluck.' Lief hinab, setzte einen Krug an, sprach 'Gott gesegnes dir, Grethel,' und that einen guten Zug. 'Der Wein hängt an einander,' sprachs weiter, 'und ist nicht gut abbrechen,' und that noch einen ernsthaften Zug. Nun gieng es, und stellte die Hühner wieder übers Feuer, strich sie mit Butter, und trieb den Spieß lustig herum. Weil aber der Braten so gut roch, dachte Grethel 'es könnte etwas fehlen, versucht muß er werden!' schleckte mit dem Finger, und sprach 'ei, was sind die Hühner so gut! ist ja Sünd und Schand, daß man sie nicht gleich ißt!' Lief zum Fenster, ob der Herr mit dem Gast noch nicht käm, aber es sah niemand, stellte sich wieder zu den Hühnern, dachte 'der eine Flügel verbrennt, besser ists, ich eß ihn weg.' Also schnitt es ihn ab, und aß ihn auf, und er schmeckte ihm, und wie es fertig war, dachte es 'der andere muß auch herab, sonst merkt der Herr daß etwas fehlt.' Wie die zwei Flügel verzehrt waren, gieng es wieder, und schaute nach dem Herrn, und sah ihn nicht. 'Wer weiß,' fiel ihm ein, 'sie kommen wohl gar nicht, und sind wo eingekehrt.' Da sprachs 'hei, Grethel, sei guter Dinge, das eine ist doch angegriffen, thu noch einen frischen Trunk, und iß es vollends auf, wenns all ist, hast du Ruhe: warum soll die gute Gottesgabe umkommen?' Also lief es noch einmal in den Keller, that einen ehrbaren Trunk, und Gast holen.’ Als der Herr den Rücken gekehrt hatte, legte das Grethel den Spieß mit den Hühnern beiseits, und dachte ‘so lange da beim Feuer stehen, macht schwitzen und durstig, wer weiß wann die kommen! derweil spring ich in den Keller, und thue einen Schluck.’ Lief hinab, setzte einen Krug an, sprach ‘Gott gesegnes dir, Grethel,’ und that einen guten Zug. ‘Der Wein hängt an einander,’ sprachs weiter, ‘und ist nicht gut abbrechen,’ und that noch einen ernsthaften Zug. Nun gieng es, und stellte die Hühner wieder übers Feuer, strich sie mit Butter, und trieb den Spieß lustig herum. Weil aber der Braten so gut roch, dachte Grethel ‘es könnte etwas fehlen, versucht muß er werden!’ schleckte mit dem Finger, und sprach ‘ei, was sind die Hühner so gut! ist ja Sünd und Schand, daß man sie nicht gleich ißt!’ Lief zum Fenster, ob der Herr mit dem Gast noch nicht käm, aber es sah niemand, stellte sich wieder zu den Hühnern, dachte ‘der eine Flügel verbrennt, besser ists, ich eß ihn weg.’ Also schnitt es ihn ab, und aß ihn auf, und er schmeckte ihm, und wie es fertig war, dachte es ‘der andere muß auch herab, sonst merkt der Herr daß etwas fehlt.’ Wie die zwei Flügel verzehrt waren, gieng es wieder, und schaute nach dem Herrn, und sah ihn nicht. ‘Wer weiß,’ fiel ihm ein, ‘sie kommen wohl gar nicht, und sind wo eingekehrt.’ Da sprachs ‘hei, Grethel, sei guter Dinge, das eine ist doch angegriffen, thu noch einen frischen Trunk, und iß es vollends auf, wenns all ist, hast du Ruhe: warum soll die gute Gottesgabe umkommen?’ Also lief es noch einmal in den Keller, that einen ehrbaren Trunk, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0516" n="467"/> Gast holen.’ Als der Herr den Rücken gekehrt hatte, legte das Grethel den Spieß mit den Hühnern beiseits, und dachte ‘so lange da beim Feuer stehen, macht schwitzen und durstig, wer weiß wann die kommen! derweil spring ich in den Keller, und thue einen Schluck.’ Lief hinab, setzte einen Krug an, sprach ‘Gott gesegnes dir, Grethel,’ und that einen guten Zug. ‘Der Wein hängt an einander,’ sprachs weiter, ‘und ist nicht gut abbrechen,’ und that noch einen ernsthaften Zug. Nun gieng es, und stellte die Hühner wieder übers Feuer, strich sie mit Butter, und trieb den Spieß lustig herum. Weil aber der Braten so gut roch, dachte Grethel ‘es könnte etwas fehlen, versucht muß er werden!’ schleckte mit dem Finger, und sprach ‘ei, was sind die Hühner so gut! ist ja Sünd und Schand, daß man sie nicht gleich ißt!’ Lief zum Fenster, ob der Herr mit dem Gast noch nicht käm, aber es sah niemand, stellte sich wieder zu den Hühnern, dachte ‘der eine Flügel verbrennt, besser ists, ich eß ihn weg.’ Also schnitt es ihn ab, und aß ihn auf, und er schmeckte ihm, und wie es fertig war, dachte es ‘der andere muß auch herab, sonst merkt der Herr daß etwas fehlt.’ Wie die zwei Flügel verzehrt waren, gieng es wieder, und schaute nach dem Herrn, und sah ihn nicht. ‘Wer weiß,’ fiel ihm ein, ‘sie kommen wohl gar nicht, und sind wo eingekehrt.’ Da sprachs ‘hei, Grethel, sei guter Dinge, das eine ist doch angegriffen, thu noch einen frischen Trunk, und iß es vollends auf, wenns all ist, hast du Ruhe: warum soll die gute Gottesgabe umkommen?’ Also lief es noch einmal in den Keller, that einen ehrbaren Trunk, und </p> </div> </body> </text> </TEI> [467/0516]
Gast holen.’ Als der Herr den Rücken gekehrt hatte, legte das Grethel den Spieß mit den Hühnern beiseits, und dachte ‘so lange da beim Feuer stehen, macht schwitzen und durstig, wer weiß wann die kommen! derweil spring ich in den Keller, und thue einen Schluck.’ Lief hinab, setzte einen Krug an, sprach ‘Gott gesegnes dir, Grethel,’ und that einen guten Zug. ‘Der Wein hängt an einander,’ sprachs weiter, ‘und ist nicht gut abbrechen,’ und that noch einen ernsthaften Zug. Nun gieng es, und stellte die Hühner wieder übers Feuer, strich sie mit Butter, und trieb den Spieß lustig herum. Weil aber der Braten so gut roch, dachte Grethel ‘es könnte etwas fehlen, versucht muß er werden!’ schleckte mit dem Finger, und sprach ‘ei, was sind die Hühner so gut! ist ja Sünd und Schand, daß man sie nicht gleich ißt!’ Lief zum Fenster, ob der Herr mit dem Gast noch nicht käm, aber es sah niemand, stellte sich wieder zu den Hühnern, dachte ‘der eine Flügel verbrennt, besser ists, ich eß ihn weg.’ Also schnitt es ihn ab, und aß ihn auf, und er schmeckte ihm, und wie es fertig war, dachte es ‘der andere muß auch herab, sonst merkt der Herr daß etwas fehlt.’ Wie die zwei Flügel verzehrt waren, gieng es wieder, und schaute nach dem Herrn, und sah ihn nicht. ‘Wer weiß,’ fiel ihm ein, ‘sie kommen wohl gar nicht, und sind wo eingekehrt.’ Da sprachs ‘hei, Grethel, sei guter Dinge, das eine ist doch angegriffen, thu noch einen frischen Trunk, und iß es vollends auf, wenns all ist, hast du Ruhe: warum soll die gute Gottesgabe umkommen?’ Also lief es noch einmal in den Keller, that einen ehrbaren Trunk, und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-07-24T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |