Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Junge, 'oder mache daß du fort kommst, du hast hier in der Nacht nichts zu schaffen.' Der Küster aber blieb unbeweglich stehen, damit der Junge glauben sollte es wäre ein Gespenst. Der Junge rief zum zweitenmal 'was willst du hier? sprich, wenn du ein ehrlicher Kerl bist, oder ich werfe dich der Treppe hinab.' Der Küster dachte 'das wird so schlimm nicht gemeint sein,' gab keinen Laut von sich, und stand als wenn er von Stein wäre. Da rief ihn der Junge zum drittenmal an, und als das auch vergeblich war, nahm er einen Anlauf, und stieß das Gespenst die Treppe hinab, daß es zehn Stufen hinab fiel und in einer Ecke liegen blieb. Darauf läutete er die Glocke, gieng heim, legte sich ohne ein Wort zu sagen, ins Bett, und schlief fort. Die Küsterfrau wartete lange Zeit auf ihren Mann, aber er wollte nicht wieder kommen. Da ward ihr endlich angst, sie weckte den Jungen und fragte 'weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? er ist vor dir auf den Thurm gestiegen.' 'Nein,' antwortete der Junge, 'aber da hat einer dem Schallloch gegenüber auf der Treppe gestanden, und weil er keine Antwort geben und auch nicht weggehen wollte, so habe ich ihn für einen Spitzbuben gehalten und hinunter gestoßen. Geht nur hin, so werdet Jhr sehen ob ers gewesen ist, es sollte mir leid thun.' Die Frau sprang fort und fand ihren Mann, der in einer Ecke lag und jammerte, und ein Bein gebrochen hatte.

Sie trug ihn herab, und eilte dann mit lautem Geschrei zu dem Vater des Jungen. 'Euer Junge,' rief sie, 'hat ein großes Unglück angerichtet, meinen Mann hat er die Treppe

Junge, ‘oder mache daß du fort kommst, du hast hier in der Nacht nichts zu schaffen.’ Der Küster aber blieb unbeweglich stehen, damit der Junge glauben sollte es wäre ein Gespenst. Der Junge rief zum zweitenmal ‘was willst du hier? sprich, wenn du ein ehrlicher Kerl bist, oder ich werfe dich der Treppe hinab.’ Der Küster dachte ‘das wird so schlimm nicht gemeint sein,’ gab keinen Laut von sich, und stand als wenn er von Stein wäre. Da rief ihn der Junge zum drittenmal an, und als das auch vergeblich war, nahm er einen Anlauf, und stieß das Gespenst die Treppe hinab, daß es zehn Stufen hinab fiel und in einer Ecke liegen blieb. Darauf läutete er die Glocke, gieng heim, legte sich ohne ein Wort zu sagen, ins Bett, und schlief fort. Die Küsterfrau wartete lange Zeit auf ihren Mann, aber er wollte nicht wieder kommen. Da ward ihr endlich angst, sie weckte den Jungen und fragte ‘weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? er ist vor dir auf den Thurm gestiegen.’ ‘Nein,’ antwortete der Junge, ‘aber da hat einer dem Schallloch gegenüber auf der Treppe gestanden, und weil er keine Antwort geben und auch nicht weggehen wollte, so habe ich ihn für einen Spitzbuben gehalten und hinunter gestoßen. Geht nur hin, so werdet Jhr sehen ob ers gewesen ist, es sollte mir leid thun.’ Die Frau sprang fort und fand ihren Mann, der in einer Ecke lag und jammerte, und ein Bein gebrochen hatte.

Sie trug ihn herab, und eilte dann mit lautem Geschrei zu dem Vater des Jungen. ‘Euer Junge,’ rief sie, ‘hat ein großes Unglück angerichtet, meinen Mann hat er die Treppe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="20"/>
Junge, &#x2018;oder mache daß du fort kommst, du hast hier in der Nacht nichts zu schaffen.&#x2019; Der Küster aber blieb unbeweglich stehen, damit der Junge glauben sollte es wäre ein Gespenst. Der Junge rief zum zweitenmal &#x2018;was willst du hier? sprich, wenn du ein ehrlicher Kerl bist, oder ich werfe dich der Treppe hinab.&#x2019; Der Küster dachte &#x2018;das wird so schlimm nicht gemeint sein,&#x2019; gab keinen Laut von sich, und stand als wenn er von Stein wäre. Da rief ihn der Junge zum drittenmal an, und als das auch vergeblich war, nahm er einen Anlauf, und stieß das Gespenst die Treppe hinab, daß es zehn Stufen hinab fiel und in einer Ecke liegen blieb. Darauf läutete er die Glocke, gieng heim, legte sich ohne ein Wort zu sagen, ins Bett, und schlief fort. Die Küsterfrau wartete lange Zeit auf ihren Mann, aber er wollte nicht wieder kommen. Da ward ihr endlich angst, sie weckte den Jungen und fragte &#x2018;weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? er ist vor dir auf den Thurm gestiegen.&#x2019; &#x2018;Nein,&#x2019; antwortete der Junge, &#x2018;aber da hat einer dem Schallloch gegenüber auf der Treppe gestanden, und weil er keine Antwort geben und auch nicht weggehen wollte, so habe ich ihn für einen Spitzbuben gehalten und hinunter gestoßen. Geht nur hin, so werdet Jhr sehen ob ers gewesen ist, es sollte mir leid thun.&#x2019; Die Frau sprang fort und fand ihren Mann, der in einer Ecke lag und jammerte, und ein Bein gebrochen hatte.</p><lb/>
        <p>Sie trug ihn herab, und eilte dann mit lautem Geschrei zu dem Vater des Jungen. &#x2018;Euer Junge,&#x2019; rief sie, &#x2018;hat ein großes Unglück angerichtet, meinen Mann hat er die Treppe
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0069] Junge, ‘oder mache daß du fort kommst, du hast hier in der Nacht nichts zu schaffen.’ Der Küster aber blieb unbeweglich stehen, damit der Junge glauben sollte es wäre ein Gespenst. Der Junge rief zum zweitenmal ‘was willst du hier? sprich, wenn du ein ehrlicher Kerl bist, oder ich werfe dich der Treppe hinab.’ Der Küster dachte ‘das wird so schlimm nicht gemeint sein,’ gab keinen Laut von sich, und stand als wenn er von Stein wäre. Da rief ihn der Junge zum drittenmal an, und als das auch vergeblich war, nahm er einen Anlauf, und stieß das Gespenst die Treppe hinab, daß es zehn Stufen hinab fiel und in einer Ecke liegen blieb. Darauf läutete er die Glocke, gieng heim, legte sich ohne ein Wort zu sagen, ins Bett, und schlief fort. Die Küsterfrau wartete lange Zeit auf ihren Mann, aber er wollte nicht wieder kommen. Da ward ihr endlich angst, sie weckte den Jungen und fragte ‘weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? er ist vor dir auf den Thurm gestiegen.’ ‘Nein,’ antwortete der Junge, ‘aber da hat einer dem Schallloch gegenüber auf der Treppe gestanden, und weil er keine Antwort geben und auch nicht weggehen wollte, so habe ich ihn für einen Spitzbuben gehalten und hinunter gestoßen. Geht nur hin, so werdet Jhr sehen ob ers gewesen ist, es sollte mir leid thun.’ Die Frau sprang fort und fand ihren Mann, der in einer Ecke lag und jammerte, und ein Bein gebrochen hatte. Sie trug ihn herab, und eilte dann mit lautem Geschrei zu dem Vater des Jungen. ‘Euer Junge,’ rief sie, ‘hat ein großes Unglück angerichtet, meinen Mann hat er die Treppe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-07-24T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/69
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/69>, abgerufen am 23.11.2024.