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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.

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6.
Der treue Johannes.

Es war einmal ein alter König, der war krank, und dachte 'es wird wohl das Todtenbett seyn, darauf ich liege;' da sprach er 'laßt mir den getreuen Johannes kommen.' Der getreue Johannes war aber sein liebster Diener, und hieß so, weil er ihm sein Lebelang so treu gewesen war. Als er nun vor das Bett kam, sprach der König zu ihm 'getreuester Johannes, ich fühle daß mein Ende heran naht, und da hab ich keine andere Sorge als um meinen Sohn: er ist noch in jungen Jahren, wo er sich nicht immer zu rathen weiß, und wenn du mir nicht versprichst ihn zu unterrichten in allem, was er wissen muß, und sein Pflegevater zu seyn, so kann ich meine Augen nicht in Ruhe zuthun.' Da antwortete der getreue Johannes 'ich will ihn nicht verlassen, und will ihm mit Treue dienen, wenns auch mein Leben kostet.' Da sagte der alte König 'so sterb ich getrost und in Frieden.' Und sprach dann weiter 'nach meinem Tode sollst du ihm das ganze Schloß zeigen, alle Kammern, Säle und Gewölbe, und alle Schätze, die darin liegen: aber eine Kammer sollst du ihm nicht zeigen, die, worin das Bild von der Königstochter vom goldenen Dache verborgen steht: denn wenn er sie erblickt, wird er eine heftige Liebe zu

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Der treue Johannes.

Es war einmal ein alter König, der war krank, und dachte ‘es wird wohl das Todtenbett seyn, darauf ich liege;’ da sprach er ‘laßt mir den getreuen Johannes kommen.’ Der getreue Johannes war aber sein liebster Diener, und hieß so, weil er ihm sein Lebelang so treu gewesen war. Als er nun vor das Bett kam, sprach der König zu ihm ‘getreuester Johannes, ich fühle daß mein Ende heran naht, und da hab ich keine andere Sorge als um meinen Sohn: er ist noch in jungen Jahren, wo er sich nicht immer zu rathen weiß, und wenn du mir nicht versprichst ihn zu unterrichten in allem, was er wissen muß, und sein Pflegevater zu seyn, so kann ich meine Augen nicht in Ruhe zuthun.’ Da antwortete der getreue Johannes ‘ich will ihn nicht verlassen, und will ihm mit Treue dienen, wenns auch mein Leben kostet.’ Da sagte der alte König ‘so sterb ich getrost und in Frieden.’ Und sprach dann weiter ‘nach meinem Tode sollst du ihm das ganze Schloß zeigen, alle Kammern, Säle und Gewölbe, und alle Schätze, die darin liegen: aber eine Kammer sollst du ihm nicht zeigen, die, worin das Bild von der Königstochter vom goldenen Dache verborgen steht: denn wenn er sie erblickt, wird er eine heftige Liebe zu

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[35/0084] 6. Der treue Johannes. Es war einmal ein alter König, der war krank, und dachte ‘es wird wohl das Todtenbett seyn, darauf ich liege;’ da sprach er ‘laßt mir den getreuen Johannes kommen.’ Der getreue Johannes war aber sein liebster Diener, und hieß so, weil er ihm sein Lebelang so treu gewesen war. Als er nun vor das Bett kam, sprach der König zu ihm ‘getreuester Johannes, ich fühle daß mein Ende heran naht, und da hab ich keine andere Sorge als um meinen Sohn: er ist noch in jungen Jahren, wo er sich nicht immer zu rathen weiß, und wenn du mir nicht versprichst ihn zu unterrichten in allem, was er wissen muß, und sein Pflegevater zu seyn, so kann ich meine Augen nicht in Ruhe zuthun.’ Da antwortete der getreue Johannes ‘ich will ihn nicht verlassen, und will ihm mit Treue dienen, wenns auch mein Leben kostet.’ Da sagte der alte König ‘so sterb ich getrost und in Frieden.’ Und sprach dann weiter ‘nach meinem Tode sollst du ihm das ganze Schloß zeigen, alle Kammern, Säle und Gewölbe, und alle Schätze, die darin liegen: aber eine Kammer sollst du ihm nicht zeigen, die, worin das Bild von der Königstochter vom goldenen Dache verborgen steht: denn wenn er sie erblickt, wird er eine heftige Liebe zu

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/84>, abgerufen am 23.11.2024.