Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.an, reichte ihm die Hand, und sprach 'willst du mit mir gehen auf mein Schloß, und meine liebe Frau werden?' 'Ach ja,' antwortete das Mädchen, 'aber das Rehchen muß auch mit, das verlaß ich nicht.' Sprach der König 'es soll bei dir bleiben, so lange du lebst, und soll ihm an nichts fehlen.' Jndem kam es hereingesprungen, da band es das Schwesterchen wieder an das Binsenseil, nahm es selbst in die Hand, und gieng mit ihm zum Waldhäuschen hinaus. Der König führte das schöne Mädchen in sein Schloß, wo die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert wurde, und war es nun die Frau Königin, und lebten sie lange Zeit vergnügt zusammen; das Rehlein ward gehegt und gepflegt, und sprang in dem Schloßgarten herum. Die böse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hineingegangen waren, die meinte nicht anders, als Schwesterchen wäre von den wilden Thieren im Walde zerissen worden, und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern todt geschossen. Als sie nun hörte daß sie so glücklich waren, und es ihnen so wohl gieng, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen rege, und zwickten und nagten daran, und sie hatte keinen andern Gedanken, als wie sie die beiden doch noch ins Unglück bringen könnte. Jhre rechte Tochter, die häßlich war wie die Nacht, und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwürfe und sprach 'eine Königin zu werden, das Glück hätte mir gebührt.' 'Sei nur still,' sagte die Alte und sprach sie zufrieden, 'wenn's Zeit ist, will ich schon bei der Hand sein.' Als nun die Zeit heran gerückt war, und die Königin ein schönes Knäblein zur Welt gebracht hatte, und an, reichte ihm die Hand, und sprach ‘willst du mit mir gehen auf mein Schloß, und meine liebe Frau werden?’ ‘Ach ja,’ antwortete das Mädchen, ‘aber das Rehchen muß auch mit, das verlaß ich nicht.’ Sprach der König ‘es soll bei dir bleiben, so lange du lebst, und soll ihm an nichts fehlen.’ Jndem kam es hereingesprungen, da band es das Schwesterchen wieder an das Binsenseil, nahm es selbst in die Hand, und gieng mit ihm zum Waldhäuschen hinaus. Der König führte das schöne Mädchen in sein Schloß, wo die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert wurde, und war es nun die Frau Königin, und lebten sie lange Zeit vergnügt zusammen; das Rehlein ward gehegt und gepflegt, und sprang in dem Schloßgarten herum. Die böse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hineingegangen waren, die meinte nicht anders, als Schwesterchen wäre von den wilden Thieren im Walde zerissen worden, und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern todt geschossen. Als sie nun hörte daß sie so glücklich waren, und es ihnen so wohl gieng, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen rege, und zwickten und nagten daran, und sie hatte keinen andern Gedanken, als wie sie die beiden doch noch ins Unglück bringen könnte. Jhre rechte Tochter, die häßlich war wie die Nacht, und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwürfe und sprach ‘eine Königin zu werden, das Glück hätte mir gebührt.’ ‘Sei nur still,’ sagte die Alte und sprach sie zufrieden, ‘wenn’s Zeit ist, will ich schon bei der Hand sein.’ Als nun die Zeit heran gerückt war, und die Königin ein schönes Knäblein zur Welt gebracht hatte, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0108" n="70"/> an, reichte ihm die Hand, und sprach ‘willst du mit mir gehen auf mein Schloß, und meine liebe Frau werden?’ ‘Ach ja,’ antwortete das Mädchen, ‘aber das Rehchen muß auch mit, das verlaß ich nicht.’ Sprach der König ‘es soll bei dir bleiben, so lange du lebst, und soll ihm an nichts fehlen.’ Jndem kam es hereingesprungen, da band es das Schwesterchen wieder an das Binsenseil, nahm es selbst in die Hand, und gieng mit ihm zum Waldhäuschen hinaus.</p><lb/> <p>Der König führte das schöne Mädchen in sein Schloß, wo die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert wurde, und war es nun die Frau Königin, und lebten sie lange Zeit vergnügt zusammen; das Rehlein ward gehegt und gepflegt, und sprang in dem Schloßgarten herum. Die böse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hineingegangen waren, die meinte nicht anders, als Schwesterchen wäre von den wilden Thieren im Walde zerissen worden, und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern todt geschossen. Als sie nun hörte daß sie so glücklich waren, und es ihnen so wohl gieng, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen rege, und zwickten und nagten daran, und sie hatte keinen andern Gedanken, als wie sie die beiden doch noch ins Unglück bringen könnte. Jhre rechte Tochter, die häßlich war wie die Nacht, und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwürfe und sprach ‘eine Königin zu werden, das Glück hätte mir gebührt.’ ‘Sei nur still,’ sagte die Alte und sprach sie zufrieden, ‘wenn’s Zeit ist, will ich schon bei der Hand sein.’ Als nun die Zeit heran gerückt war, und die Königin ein schönes Knäblein zur Welt gebracht hatte, und </p> </div> </body> </text> </TEI> [70/0108]
an, reichte ihm die Hand, und sprach ‘willst du mit mir gehen auf mein Schloß, und meine liebe Frau werden?’ ‘Ach ja,’ antwortete das Mädchen, ‘aber das Rehchen muß auch mit, das verlaß ich nicht.’ Sprach der König ‘es soll bei dir bleiben, so lange du lebst, und soll ihm an nichts fehlen.’ Jndem kam es hereingesprungen, da band es das Schwesterchen wieder an das Binsenseil, nahm es selbst in die Hand, und gieng mit ihm zum Waldhäuschen hinaus.
Der König führte das schöne Mädchen in sein Schloß, wo die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert wurde, und war es nun die Frau Königin, und lebten sie lange Zeit vergnügt zusammen; das Rehlein ward gehegt und gepflegt, und sprang in dem Schloßgarten herum. Die böse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hineingegangen waren, die meinte nicht anders, als Schwesterchen wäre von den wilden Thieren im Walde zerissen worden, und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern todt geschossen. Als sie nun hörte daß sie so glücklich waren, und es ihnen so wohl gieng, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen rege, und zwickten und nagten daran, und sie hatte keinen andern Gedanken, als wie sie die beiden doch noch ins Unglück bringen könnte. Jhre rechte Tochter, die häßlich war wie die Nacht, und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwürfe und sprach ‘eine Königin zu werden, das Glück hätte mir gebührt.’ ‘Sei nur still,’ sagte die Alte und sprach sie zufrieden, ‘wenn’s Zeit ist, will ich schon bei der Hand sein.’ Als nun die Zeit heran gerückt war, und die Königin ein schönes Knäblein zur Welt gebracht hatte, und
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