Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.sie rund. 'So, jetzt werden sie besser schüppeln,' sprach er, 'heida! nun gehts lustig!' Er spielte mit und verlor etwas von seinem Geld, als es aber zwölf Uhr schlug, war alles vor seinen Augen verschwunden. Er legte sich nieder und schlief ruhig ein. Am andern Morgen kam der König und wollte sich erkundigen. 'Wie ist dirs diesmal gegangen?' fragte er. 'Jch habe gekegelt,' antwortete er, 'und ein paar Heller verloren.' 'Hat dir denn nicht gegruselt?' 'Ei was,' sprach er, 'lustig hab ich mich gemacht. Wenn ich nur wüßte was Gruseln wäre!' Jn der dritten Nacht setzte er sich wieder auf seine Bank und sprach ganz verdrießlich 'wenn es mir nur gruselte!' Als es spät ward kamen sechs große Männer und brachten eine Todtenlade hereingetragen. Da sprach er 'ha ha, das ist gewiß mein Vetterchen, das erst vor ein paar Tagen gestorben ist,' winkte mit dem Finger und rief 'komm, Vetterchen, komm!' Sie stellten den Sarg auf die Erde, er aber gieng hinzu und nahm den Deckel ab: da lag ein todter Mann darin. Er fühlte ihm ans Gesicht, aber es war kalt wie Eis. 'Wart,' sprach er, 'ich will dich ein bischen wärmen,' gieng ans Feuer, wärmte seine Hand und legte sie ihm aufs Gesicht, aber der Todte blieb kalt. Nun nahm er ihn heraus, setzte sich ans Feuer und legte ihn auf seinen Schooß, und rieb ihm die Arme, damit das Blut wieder in Bewegung kommen sollte. Als auch das nichts helfen wollte, fiel ihm ein 'wenn zwei zusammen im Bett liegen, so wärmen sie sich,' brachte ihn ins Bett, deckte ihn zu und legte sich neben ihn. Über ein Weilchen ward auch der Todte warm und fieng an sich zu regen. Da sprach der Junge 'siehst du, Vetterchen, hätt sie rund. ‘So, jetzt werden sie besser schüppeln,’ sprach er, ‘heida! nun gehts lustig!’ Er spielte mit und verlor etwas von seinem Geld, als es aber zwölf Uhr schlug, war alles vor seinen Augen verschwunden. Er legte sich nieder und schlief ruhig ein. Am andern Morgen kam der König und wollte sich erkundigen. ‘Wie ist dirs diesmal gegangen?’ fragte er. ‘Jch habe gekegelt,’ antwortete er, ‘und ein paar Heller verloren.’ ‘Hat dir denn nicht gegruselt?’ ‘Ei was,’ sprach er, ‘lustig hab ich mich gemacht. Wenn ich nur wüßte was Gruseln wäre!’ Jn der dritten Nacht setzte er sich wieder auf seine Bank und sprach ganz verdrießlich ‘wenn es mir nur gruselte!’ Als es spät ward kamen sechs große Männer und brachten eine Todtenlade hereingetragen. Da sprach er ‘ha ha, das ist gewiß mein Vetterchen, das erst vor ein paar Tagen gestorben ist,’ winkte mit dem Finger und rief ‘komm, Vetterchen, komm!’ Sie stellten den Sarg auf die Erde, er aber gieng hinzu und nahm den Deckel ab: da lag ein todter Mann darin. Er fühlte ihm ans Gesicht, aber es war kalt wie Eis. ‘Wart,’ sprach er, ‘ich will dich ein bischen wärmen,’ gieng ans Feuer, wärmte seine Hand und legte sie ihm aufs Gesicht, aber der Todte blieb kalt. Nun nahm er ihn heraus, setzte sich ans Feuer und legte ihn auf seinen Schooß, und rieb ihm die Arme, damit das Blut wieder in Bewegung kommen sollte. Als auch das nichts helfen wollte, fiel ihm ein ‘wenn zwei zusammen im Bett liegen, so wärmen sie sich,’ brachte ihn ins Bett, deckte ihn zu und legte sich neben ihn. Über ein Weilchen ward auch der Todte warm und fieng an sich zu regen. Da sprach der Junge ‘siehst du, Vetterchen, hätt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0108" n="26"/> sie rund. ‘So, jetzt werden sie besser schüppeln,’ sprach er, ‘heida! nun gehts lustig!’ Er spielte mit und verlor etwas von seinem Geld, als es aber zwölf Uhr schlug, war alles vor seinen Augen verschwunden. Er legte sich nieder und schlief ruhig ein. Am andern Morgen kam der König und wollte sich erkundigen. ‘Wie ist dirs diesmal gegangen?’ fragte er. ‘Jch habe gekegelt,’ antwortete er, ‘und ein paar Heller verloren.’ ‘Hat dir denn nicht gegruselt?’ ‘Ei was,’ sprach er, ‘lustig hab ich mich gemacht. Wenn ich nur wüßte was Gruseln wäre!’</p><lb/> <p>Jn der dritten Nacht setzte er sich wieder auf seine Bank und sprach ganz verdrießlich ‘wenn es mir nur gruselte!’ Als es spät ward kamen sechs große Männer und brachten eine Todtenlade hereingetragen. Da sprach er ‘ha ha, das ist gewiß mein Vetterchen, das erst vor ein paar Tagen gestorben ist,’ winkte mit dem Finger und rief ‘komm, Vetterchen, komm!’ Sie stellten den Sarg auf die Erde, er aber gieng hinzu und nahm den Deckel ab: da lag ein todter Mann darin. Er fühlte ihm ans Gesicht, aber es war kalt wie Eis. ‘Wart,’ sprach er, ‘ich will dich ein bischen wärmen,’ gieng ans Feuer, wärmte seine Hand und legte sie ihm aufs Gesicht, aber der Todte blieb kalt. Nun nahm er ihn heraus, setzte sich ans Feuer und legte ihn auf seinen Schooß, und rieb ihm die Arme, damit das Blut wieder in Bewegung kommen sollte. Als auch das nichts helfen wollte, fiel ihm ein ‘wenn zwei zusammen im Bett liegen, so wärmen sie sich,’ brachte ihn ins Bett, deckte ihn zu und legte sich neben ihn. Über ein Weilchen ward auch der Todte warm und fieng an sich zu regen. Da sprach der Junge ‘siehst du, Vetterchen, hätt </p> </div> </body> </text> </TEI> [26/0108]
sie rund. ‘So, jetzt werden sie besser schüppeln,’ sprach er, ‘heida! nun gehts lustig!’ Er spielte mit und verlor etwas von seinem Geld, als es aber zwölf Uhr schlug, war alles vor seinen Augen verschwunden. Er legte sich nieder und schlief ruhig ein. Am andern Morgen kam der König und wollte sich erkundigen. ‘Wie ist dirs diesmal gegangen?’ fragte er. ‘Jch habe gekegelt,’ antwortete er, ‘und ein paar Heller verloren.’ ‘Hat dir denn nicht gegruselt?’ ‘Ei was,’ sprach er, ‘lustig hab ich mich gemacht. Wenn ich nur wüßte was Gruseln wäre!’
Jn der dritten Nacht setzte er sich wieder auf seine Bank und sprach ganz verdrießlich ‘wenn es mir nur gruselte!’ Als es spät ward kamen sechs große Männer und brachten eine Todtenlade hereingetragen. Da sprach er ‘ha ha, das ist gewiß mein Vetterchen, das erst vor ein paar Tagen gestorben ist,’ winkte mit dem Finger und rief ‘komm, Vetterchen, komm!’ Sie stellten den Sarg auf die Erde, er aber gieng hinzu und nahm den Deckel ab: da lag ein todter Mann darin. Er fühlte ihm ans Gesicht, aber es war kalt wie Eis. ‘Wart,’ sprach er, ‘ich will dich ein bischen wärmen,’ gieng ans Feuer, wärmte seine Hand und legte sie ihm aufs Gesicht, aber der Todte blieb kalt. Nun nahm er ihn heraus, setzte sich ans Feuer und legte ihn auf seinen Schooß, und rieb ihm die Arme, damit das Blut wieder in Bewegung kommen sollte. Als auch das nichts helfen wollte, fiel ihm ein ‘wenn zwei zusammen im Bett liegen, so wärmen sie sich,’ brachte ihn ins Bett, deckte ihn zu und legte sich neben ihn. Über ein Weilchen ward auch der Todte warm und fieng an sich zu regen. Da sprach der Junge ‘siehst du, Vetterchen, hätt
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